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10 Monate Bundeswehr, Teil 5: Der Truppenübungsplatz

Der Höhepunkt in diesem BW-Abschnitt war aber mit Abstand der Aufenthalt auf dem Truppenübungsplatz. Die gesamten Wehrpflichtigen und Soldaten auf Zeit (SaZ) der Hardthöhe (ca. 450 Mann) sollten für sieben Tage auf ein Schiessübungen auf den Truppenübungsplatz in Daaden. Dabei wurden auch zwölf Sanitätssoldaten plus eine Ärztin zur Versorgung dieser Soldaten aufgestellt.
Nachdem mich die Ärztin gefragt hatte, ob ich nicht mitkommen wollte, meldete ich mich sogar freiwillig. Denn auf der einen Seite verstand ich mich mit der Ärztin recht gut, auf der anderen Seite wollte ich zum Abschluss meiner Wehrpflicht noch mal raus aus dem San-Zentrum und ein bisschen das soldatische Leben mitbekommen. Auf der Harthöhe selber war es ja eher ein Zivildienst. Viele meiner Kameraden hatten nicht die große Lust, mitzukommen. Einige wurden sogar per Befehl zu dieser Fahrt verpflichtet.
Im nachhinein hatte es aber keiner bereut, einmal sieben Tage weg von zu Hause Dienst zu tun. Dafür hatten wir zu viel Spaß. Außerdem erhielten wir ja auch Sonderzuschläge zu unserem Gehalt. Natürlich sollte es dort etwas militärischer zugehen, aber immerhin hatten wir uns ja für die Wehrpflicht entschieden und mussten somit auch mal mit einem etwas härteren Ton zurechtkommen. So mussten wir auch tatsächlich jeden Morgen antreten, die Kleiderordnung musste sitzen, und wir mussten wieder ab Stabsunteroffizier grüßen.
Unsere Unterkunft war eine alte Baracke, bestehend aus Schlafzimmern, Küche und Behandlungszimmer. Die Arztzimmer dort waren nicht eingerichtet, bis auf Tische und Stühle. Das bedeutete: Wir mussten die gesamten Medikamente und Behandlungsgeräte mitnehmen und dort alles komplett aufbauen, um eine ausreichende ärztliche Versorgung sicherzustellen. Man hatte das Gefühl, eine sinnvolle Aufgabe zu haben.
Die Ärztin sah diese Fahrt als Gelegenheit, den anderen Einheiten zu beweisen, dass auch die Sanitäter viel mitmachen und durchhalten konnten. Gleich am zweiten Abend kam die erste Herausforderung an die Sanis. Wir sollten an dem Orientierungsmarsch der anderen Kompanien teilnehmen. Das bedeutete 10 km bei Nacht den Weg nur durch Karte und Kompass finden. Zunächst hieß es aber: Schuhe versiegeln und das Gepäck auf Vordermann bringen. Einige von uns, unter anderem auch ich, wollten sich zunächst weigern, aber wir wollten ja nicht als schwächelnde Sanis dastehen. Also ging es um 21.30 Uhr los, und es war so richtig schön kalt.
Aber uns sollte schon noch warm werden. Mein Gruppenführer war noch unerfahren auf diesem Gelände, sodass wir uns auch glatt verliefen und somit 5 km mehr dazulegten. Als wir bemerkten, dass wir irgendwie falsch gelandet waren, wurde die Gruppe sehr unruhig. Ärger machte sich breit. Immerhin mussten wir durch dichten Wald, tiefen Matsch und feuchte Wiesen marschieren. Das war ganz schön anstrengend mit Gepäck. Dafür war die Freude danach, es geschafft zu haben, um so größer. Ich als Marine-Soldat machte in dieser Nacht auch noch viele neue Erfahrungen: Was ist eine Schützenreihe, was bedeutet "Stellung" usw., dabei stand ich oft etwas unbeholfen da, aber ich bekam gute Unterstützung von meinen Kameraden. Ich muss aber wirklich sagen, ich bin froh, bei der Marine zu Hause zu sein.

Spannende Geschichten
Der Dienst in unserer Baracke war ähnlich dem eines Arzthelfers. Nur diesmal liefen wir ständig in Flecktarn rum. Sieht gar nicht mal so schlecht aus! Als Arzthelfer hat man übrigens so einiges an Krankengeschichten miterlebt, leider unterliegt das der ärztlichen Schweigepflicht, sonst könnte ich hier so einige Geschichten loslassen. Echt spannend!
Zusätzlich machten wir aber auch noch viel typischen san-soldatischen Unterricht. So führte ein Obermaat mit uns Mannschaften Formaldienst durch. Alle machten mit. Es machte eher Spaß, als dass es Druck war. Denn wir bewiesen uns selber: Wir konnten es noch - einheitliches Auftreten und dabei "gut aussehen". Dann sind wir alle sogar noch einmal freiwillig über die sogenannte Rommel-Bahn (Hindernis-Parcours) gehetzt! Einfach noch mal ausprobieren, was man so schafft. Damit konnte man noch mal ein bisschen Selbsteinschätzung gewinnen.
Und natürlich die typischen Sani-Übungen: Das Be- und Entladen eines Krankenwagens, der richtige Liege-Transport und verschiedene Tragegriffe. Dabei durfte jeder mal Opfer oder "Täter" sein. Obwohl diese Übung unter ziemlichen Druck lief, fühlten wir uns doch gut dabei, weil wir somit tatsächlich für einen Notfall trainiert waren.
Leider musste auch bei jeder Schiessübung der verschiedenen Kompanien ein Sanitäter anwesend sein. Das bedeutete für uns meist die gesamte Zeit in eisiger Kälte am Rand des Geschehens warten, zusehen und für den "Notfall gewappnet" sein. Diese Tätigkeit war mit Abstand das Langweiligste der ganzen BW-Zeit, da im Grunde auch keiner zum Unterhalten da war. Das einzig Lustige war, dass man manchmal die Heeressoldaten bei Übungen beobachten konnte und man selber nur dabeistehen musste.
Vielleicht hätte ich sogar mal die ein oder andere Übung mitgemacht, doch als Marine-Soldat fehlten mir einfach die taktischen Zeichen. Aber wenigstens wusste ich jetzt was andere Wehrpflichtige bei der BW leisten mussten.
Trotz dieser doch sehr soldatischen Situation hatten wir alle viel Spaß. Die Vorgesetzten freundeten sich richtig mit den Mannschaften an, und unter den Mannschaften herrschte ohnehin ein freundlicher, fröhlicher Ton. Durch ein ständiges Geben und Nehmen im Bereich der Patientenbetreuung, der Versorgung mit Essen, dem Aufräumdienst und den anderen Tätigkeiten lief der Betrieb in unserem kleinen San-Zentrum doch ausgesprochen gut. Fast alle packten freiwillig intensiv dort mit an, wo es denn nun gerade nötig war.
Schließlich bereiteten wir für die gesamten Vorgesetzten auf dem Truppenübungsplatz und für uns einen großen Abschiedsabend vor. Wir kochten selber und schufen eine gemütliche Atmosphäre, in der wir dann gemeinsam sangen (!), tanzten und uns unterhielten. Die Gäste brachten dann noch einige Getränke mit, so dass wir mit allem versorgt waren und feucht-fröhlich feiern konnten.
Durch diese gemeinsame Woche entwickelte sich ein sehr großer Zusammenhalt zwischen allen Beteiligten. Als wir zurückfuhren, waren wir ein wenig traurig, da diese Zeit nun vorüber war. Für mich war dieser Aufenthalt sogar eine Art Abschluss der Bundeswehr, da ich bald Dienstzeitende hatte. Die Clique, die sich dort gebildet hatte, wäre im San-Zentrum niemals zustande gekommen, deshalb waren wir auch alle froh, dabeigewesen zu sein.

Holger Stawitz

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