Politik

Only for Insiders

Wird die Deutsche Bahn bald nur noch Experten zur Verfügung stehen?

Die Bahnreform sollte bekanntlich mehr Personen und Güter auf die Schiene bringen, das Verkehrsmittel Bahn effektiver und effizienter machen und schließlich auch noch Gewinn abwerfen.
Aber der Weg hin zum börsennotierten Unternehmen ist mit allerlei Tücken gepflastert, wovon nicht zuletzt die Fahrgäste der Deutschen Bahn AG tagtäglich ein Lied zu singen wissen.
Nun sind die Fahrkartenschalter auf den nachgeordneten Bahnhöfen landauf, landab bereits vielerorts geschlossen, etlichen weiteren steht die Schließung unmittelbar bevor. Aber wozu benötigt man noch derart antiquierte Einrichtungen wie Fahrkartenschalter? Hat die Bahn AG doch mittlerweile flächendeckend auch den entlegensten Haltepunkt mit Fahrkartenautomaten ausgestattet, die den Erwerb von deutschlandweit gültigen Fahrausweisen ermöglichen sollen, den Besitz einer EC-Card, Bankcard mit Geldchip oder einer gängigen Kreditkarte vorausgesetzt. Wurde man unlängst noch für den Erwerb von Fahrkarten des Nahverkehrs vor allem im Verkehrsverbund an den Automaten verwiesen, bleibt einen nunmehr auch der unmittelbare Kontakt mit einem Bediensteten der Deutschen Bahn AG erspart, wenn man denn über den Dunstkreis des heimischen Kirchturms hinaus per Schiene in die Ferne schweifen möchte.
Vorher jedoch gilt es, sich den Anforderungen gewachsen zu zeigen, die der automatisierte Fahrkartenverkauf an den potentiellen Fahrgast stellt.

Das Drama nimmt seinen Lauf

Die Fähigkeiten der neuen Automatengeneration beschränken sich freilich nicht etwa nur auf den ordinären Fahrkartenverkauf. Es besteht sogar die Möglichkeit, Reservierungen vorzunehmen und sich Fahrplanauskünfte und Fahrpreise ausdrucken zu lassen. Unabdingbar dafür ist jedoch die Funktionsbereitschaft des Kollegen Automaten. Erscheint auf dem Display eine Meldung, die auf fehlende Betriebsbereitschaft des Fahrkartenautomaten verweist, ist der Erwerb einer Fahrkarte sozusagen amtlicherseits nicht möglich.

Graffiti

Oftmals jedoch sind die Geräte aufgrund brachialer Gewalteinwirkung nicht funktionsfähig. Von der Methode her zwar nicht ganz so roh, aber mindestens ebenso wirkungsvoll ist der Trend, die Fahrkartenautomaten vollständig mit Graffiti zu überziehen. Einschließlich Display und Tastatur. Vorzugsweise mit silberfarbenem Sprühlack aus der Dose, da dieser Farbton am besten mit der Metalloberfläche der Automaten korrespondiert.
Wir aber setzen nun einmal den Fall voraus, auf einen funktionstüchtigen Automaten zu treffen. Zumeist stehen die Automaten für den deutschlandweiten Fahrkartenverkauf neben den Automaten für die Fahrausweise im Nahverkehr des jeweiligen Verkehrsverbundes, in dessen Einzugsbereich man sich gerade befindet, in unseren Breitengraden also im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) oder im angrenzenden Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR).
Hier gilt es nun, sich für den richtigen Automaten zu entscheiden. Denn Fahrkartenauskünfte für Nahverkehrszüge kann man an den Automaten für deutschlandweite Fahrausweise zwar abfragen und auch ausdrucken lassen, die entsprechenden Tickets jedoch spuckt das Gerät nicht aus.
Hier muß man nach erhaltener Auskunft für den eigentlichen Fahrkartenerwerb erst wieder Hand an den Automaten des Verkehrsverbundes legen. Diese Automaten können als Vertreter der älteren Automatengeneration nämlich keine weiteren rechnergestützten Informationen anzeigen oder etwa gar ausdrucken.
Es ist zuweilen recht unterhaltsam und verkürzt einem die Wartezeit auf den wieder einmal verspäteten Zug, wenn man Mitmenschen beobachtet, die den untauglichen Versuch unternehmen, sich die richtige Fahrkarte am falschen Automaten besorgen zu wollen.
Eine besonders originelle Variante war unlängst in der altehrwürdigen Halle des Bahnhofs Wuppertal-Vohwinkel zu erleben. Nachdem dort eine junge Frau für den Erwerb einer Nahverkehrsfahrkarte vergeblich den Automaten für deutschlandweite Fahrausweise bedient hatte, scheiterte sie dann doch an dem Automaten des VRR, obwohl dieses Gerät betriebsbereit und durchaus in der Lage gewesen wäre, die gewünschte Fahrkarte auszugeben.

Erstgenannter Automat wird menügeführt durch Berühren der angezeigten Felder unmittelbar auf dem Display bedient. Diese Bedienungsweise hilft einem jedoch nicht bei den VRR-Automaten weiter. Was die Dame bei gesundem Menschenverstand wohl voraussetzte. Hier erfolgt die Bedienung über eine Tastatur. Diese Tastatur wird im Ruhezustand des Automaten zusätzlich auf dem Display wiedergegeben. Die Anzeige springt erst um, sobald die Tastatur bedient wird. Wer jedoch wie die Dame mit dem Finger über die auf dem Display dargestellte Tastatur fährt, kann auf eine Regung des Automaten bis zum jüngsten Tag warten.

Zug abgefahren

Wer nun aber sicher ist, eine Fahrkarte für den Fernverkehr ziehen zu wollen und demzufolge auch vor den richtigen Automaten für den deutschlandweiten Fahrausweisverkauf tritt, benötigt dennoch einiges an spezifischem Insiderwissen.
Als erster Schritt wird die gewünschte Verbindung zwischen Abfahrts- und Ankunftsbahnhof hergestellt. Dazu empfiehlt es sich, auf sein solides Grundschulwissen zurückgreifen zu können und das Alphabet in der richtigen Reihenfolge zu beherrschen. Ansonsten verlangt einem die nach Anfangsbuchstaben der Bahnstationen aufgebaute Suche mehrere zeitraubende Versuche ab, bevor es an das eigentliche Eingemachte geht.
Hat man sich danach für Datum und Uhrzeit einer Verbindung, Reiseklasse und nur Hin- oder gar auch Rückfahrt entschieden und auch noch angegeben, ob man Inhaber einer Bahncard ist, steht das unmittelbare Finale bevor: Der Zahlungsvorgang. Akzeptiert der Automat wohl die Karte, kommt analog wie beim Geldautomaten die Verbindung zum Rechner des jeweiligen Bankinstitutes beziehungsweise der Kreditkartenorganisation zustande?
Kommt die Verbindung nicht zustande und die Karte wird nicht akzeptiert, wird der Vorgang abgebrochen. Neues Spiel, neues Glück. Ein weiterer Versuch ist angesagt. Vielleicht ist der Zug zwischenzeitlich im wahrsten Sinne des Wortes dann schon abgefahren.

Ein Hauch von Exklusivität

Aber wo kämen wir denn auch hin, wenn die Züge der Deutschen Bahn AG dem gesamten gemeinen Volke ohne weiteres offen stünden! Von notorischen Schwarzfahrern, die mit den Anforderungen moderner Verkaufsapparaturen vollkommen überfordert sind, einmal abgesehen, wird sich der Fahrgaststamm der Zukunft überwiegend aus eingefleischten Fachleuten und Spezialisten rekrutieren. Dies gewährleistet den ständigen Bahnfahrern, die ohnehin den Unbilden der Bahnreform ausgesetzt sind, wenigstens einen gewissen Hauch von Exklusivität - die Gewißheit, sich auf professionelle Art und Weise fortzubewegen, während Laien und Amateure an der Bahnsteigkante zurückbleiben müssen.