Antibiotika-Resistenzen nehmen weltweit zu

In Leverkusen setzen sich klinische und niedergelassene Mediziner gemeinsam für eine bestmögliche Verwendung von Antibiotka ein.

Archivmeldung aus dem Jahr 2018
Veröffentlicht: 06.11.2018 // Quelle: Klinikum

Resistenzen gegenüber Antibiotika nehmen weltweit deutlich zu. Die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) bezeichnet Antibiotikaresistenzen als die größte Bedrohung für unsere Gesundheit, denn ohne wirksame Antibiotika ist die Behandlung von Infektionskrankheiten nicht mehr möglich. Vom 12. - 18. November 2018 rufen deshalb internationale Organisationen wie die Word Health Organisation WHO zur «World Antibiotic Awareness Week» auf, um das Bewusstsein für Antibiotikaresistenz in der Öffentlichkeit, bei Fachpersonen und bei politischen Entscheidungsträgern weltweit zu stärken.

Erfreulicherweise liegen die Resistenzraten im Klinikum Leverkusen für alle relevanten Keime deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt. Damit dies auch so bleibt, wird von der Klinik für Infektiologie unter Klinikdirektor Prof. Dr. Stefan Reuter bereits seit Jahren der Antibiotikaeinsatz in Team-Arbeit gesteuert. Hierbei legen Infektionsmediziner, infektiologisch geschulte Apotheker und klinische Mikrobiologen gemeinsam mit den behandelnden Ärzten die bestmögliche Therapie für Patienten mit Infektionserkrankungen fest. „Unsere Aufgabe ist es, in allen Abteilungen des Klinikums einen bestmöglichen Antibiotikaeinsatz zu gewährleisten. Mit höchster fachlicher Kompetenz wird entschieden, ob ein Antibiotikum notwendig ist, welches Mittel zum Einsatz kommt und wie lange die Therapie notwendig ist“, so Prof. Reuter.

Das Team kommuniziert sowohl innerhalb als auch außerhalb der Klinik, denn Informationen über Antibiotika und über resistente Keime müssen bei Verlegung des Patienten auch an andere Krankenhäuser, an Pflegeeinrichtungen und an den Hausarzt weitergegeben werden. In vielen Leverkusener Praxen wird traditionell großes Augenmerk auf eine rationale Verschreibungspraxis gelegt, wie der Allgemeinmediziner Dr. Peter Travnik als Sprecher der niedergelassenen Ärzte in Leverkusen schildert. Dies bestätigen auch Prof. Reuter und Dr. Lukas Eberwein, Oberarzt der Klinik für Infektiologie. Beide hatten im Oktober zu einer Fortbildungsveranstaltung für Leverkusener Ärzte zum Thema der Antibiotikaresistenzen geladen. Hundert Personen kamen dieser Einladung nach, was die große Entschlossenheit der Leverkusener Ärzteschaft zur Bekämpfung dieser globalen Bedrohung widerspiegelt.

Wie helfen Antibiotika?
Antibiotika sind Substanzen, welche Bakterien unschädlich machen. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung wirken Antibiotika nicht bei Virus-Erkrankungen. Antibiotika gibt es in der Medizin erst seit etwa 80 Jahren. Es gibt verschiedene Substanzen, welche auf unterschiedliche Weise und gegen unterschiedliche Bakterien wirken.

Was sind Antibiotikaresistenzen?
Antibiotikaresistenzen sind Mechanismen der Bakterien, durch welche sie unempfindlich gegenüber Antibiotika werden. Wenn Bakterien gleich gegenüber mehreren Antibiotika resistent geworden sind, sprechen wir von „multiresistenten“ Bakterien. Der bekannteste Vertreter der multiresistenten Bakterien ist MRSA. In den vergangenen Jahren haben sich noch eine ganze Reihe anderer resistenter Bakterien entwickelt, die besonders gefährlich sind. Ärzte kämpfen gegen eine stark zunehmende Zahl multiresistenter Bakterien, die schwere Krankheitsverläufe verursachen können.

Warum sind Antibiotikaresistenzen eine große Gefahr?
Die jüngsten großen Fortschritte in der Medizin waren nur mit Hilfe von Antibiotika möglich, sei es in der Intensivmedizin, bei Transplantationen, im Rahmen einer Chemotherapie oder bei rheumatischen Erkrankungen. Bei all diesen Behandlungen müssen Komplikationen durch Infektionen als Begleiterscheinung in Kauf genommen werden. Bislang konnten wir uns darauf verlassen, dass Antibiotika bei diesen Komplikationen zuverlässig helfen. Wenn Bakterien nun aber unempfindlich gegenüber Antibiotika werden, ist die gesamte moderne Medizin in der gewohnten Form in Gefahr. Es sterben also wieder Menschen an Infektionen, die wir eigentlich besiegen konnten.

Warum werden Antibiotika wirkungslos?
Weltweit werden Antibiotika in hoher Zahl sowohl bei Menschen als auch bei Tieren eingesetzt. Einige Bakterien haben Mechanismen entwickelt, um der Wirkung von Antibiotika zu entgehen. Durch übermäßigen Antibiotikaeinsatz in der Human- und Veterinärmedizin vermehren sich gerade solche resistenten Bakterien sehr rasch. Resistenzen können hierbei auch leicht von Tieren auf den Menschen übertragen werden, etwa über Fleisch, das mit resistenten Bakterien belastet ist.

Wie sieht die Resistenzsituation weltweit aus?
Das alarmierende Szenario steigender Resistenzen gilt für alle Länder. Weltweit ist das Resistenzproblem derzeit unterschiedlich groß. Insbesondere in Asien, aber auch in Süd- und Osteuropa gibt es Länder, in denen bestimmte Infektionskrankheiten schon jetzt nicht mehr behandelbar sind. Durch die Globalisierung mit weltweitem Tourismus und Handel landwirtschaftlicher Produkte gelangen resistente Keime auch immer öfter nach Deutschland.

Wäre das Problem durch neue Antibiotika zu lösen?
Ja, das Problem zunehmender Resistenzen gegen Antibiotika wäre gut beherrschbar, wenn in absehbarer Zeit neue Substanzen gegen resistente Keime verfügbar wären. Aufgrund der großen Erfolge durch Antibiotika in den vergangenen Jahrzehnten glaubte man, Infektionskrankheiten auf Dauer im Griff zu haben. Daher wurde nicht mehr in die Entwicklung neuer Antibiotika investiert. Gleichzeitig dauert es aber über 10 Jahre, bis ein Antibiotikum mit neuem Wirkmechanismus überhaupt marktreif werden kann. Dies ist der Grund, weshalb uns in den kommenden Jahren keine neuen Antibiotika zur Verfügung stehen werden. Wir müssen daher alle Möglichkeiten ergreifen, damit die derzeit verfügbaren Substanzen so lange wie möglich wirksam bleiben.

Was können wir tun, um die Resistenzentwicklung aufzuhalten?
Es ist besonders wichtig, Antibiotika mit Bedacht zu verwenden. Sie sollten nur eingesetzt werden, wenn Bakterien die Ursache einer Infektion sind. Zahlreiche Infektionen, z.B. viele Erkältungskrankheiten werden aber durch Viren verursacht und hier helfen keine Antibiotika. Werden sie dennoch eingesetzt, fördert dies die Resistenzentwicklung. Es ist wichtig, dass Ärzte und Patienten bei einer Infektion vorab besprechen, ob der Einsatz von Antibiotika überhaupt sinnvoll ist.
Wichtig ist auch ein möglichst kurzer Einsatz von Antibiotika, denn mit jedem zusätzlichen Tag steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich resistente Keime im Körper festsetzen. Wenn der gleiche Patient dann beim nächsten Mal eine Infektion erleidet, wirkt das Antibiotikum möglicherweise nicht mehr, weil der resistente Keim die Infektion verursacht hat. Durch gezielten und sparsamen Einsatz bleiben die Substanzen länger wirksam, vor allem für Patienten, die sie bei schweren Infektionen wirklich brauchen.
Durch zurückhaltenden Einsatz von Antibiotika verhelfen wir gleichzeitig vielen Patienten zu besserer Gesundheit. Denn neben der Resistenzentwicklung können unter Antibiotika ernsthafte Nebenwirkungen wie schwere Durchfälle auftreten.

Was wünschen sich Antibiotikaexperten für die Zukunft?
Um das zunehmende Problem der resistenten Keime auch künftig beherrschen zu können wird es darauf ankommen, die Erreger mit neuen Methoden noch schneller und zuverlässiger zu erfassen. Außerdem brauchen wir möglichst schnell neue Antibiotika.
Durch die Globalisierung betrifft uns die Resistenzlage in anderen Ländern in zunehmendem Ausmaß. Daher ist das vorrangige Ziel, dass möglichst viele Menschen auf der ganzen Welt bessere Hygienebedingungen und Zugang zu moderner Medizin erhalten.

Weitere Informationen:
http://www.who.int/who-campaigns/world-antibiotic-awareness-week


Anschriften aus dem Artikel: Alte Landstr 129, Albert-Einstein-Str 58

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