Fachtage für Lehrkräfte der Primarstufe und Sekundarstufe: Inklusion braucht Struktur


Archivmeldung aus dem Jahr 2015
Veröffentlicht: 11.12.2015 // Quelle: Stadtverwaltung

Inklusion braucht Struktur, so die zentrale Botschaft von Professor Christian Huber, (Bergische Universität Wuppertal, Institut für Bildungsforschung) und Peter Schütterle (Pestalozzischule Leverkusen), die in zwei Fachtagen am 18. November und am 9. Dezember über 100 Leverkusener Lehrkräften aus Primarstufe und Sekundarstufe 1 sowie Schulsozialarbeiterinnen wichtige Impulse für die Gestaltung einer inklusiven Unterrichtspraxis gaben. Die Veranstaltung wurde bewusst zweigeteilt angeboten, um den unterschiedlichen Bedürfnissen in der pädagogischen Praxis von Primar- und Sekundarstufe entsprechend Rechnung tragen zu können, wie Schulrat Thomas Wieners, der die Teilnehmer beider Fachtage in der Schlebuscher Villa Wuppermann begrüßte, in einer kurzen Einführung hervorhob.

Professor Huber vom Wuppertaler Lehrstuhl für Rehabilitationspädagogik mit dem Forschungsschwerpunkt emotional-soziale Entwicklung setzte seine Schwerpunkte dabei auf Erfahrungen aus der internationalen Schullandschaft, während Peter Schütterle, Konrektor an der städtischen Leverkusener Förderschule Pestalozzischule, Beispiele aus gemeinsam durchgeführten Projekten in der Unterrichtspraxis beisteuerte. Ziel beider Fachtage war es, Informationen und Impulse zum Inklusionsprozess zu vermitteln sowie darüber zu diskutieren und auch die eigene Praxis reflektieren zu können.

Professor Huber machte gleich zu Beginn deutlich, dass die Bundesrepublik in Sachen inklusiver Beschulung an Regelschulen im europäischen Vergleich im Grunde noch Entwicklungsland ist. Aktuell liege die inklusive Beschulung an Regelschulen in der Bundesrepublik bei etwa 25 % (in Grundschulen etwas höher), während diese Anteile im übrigen Europa zwischen 50% und 90 % schwanken. Er machte auch deutlich, dass man die Erfolgsfaktoren nicht nur von den Lehrerinnen und Lehrern abhängig machen dürfe, sondern dies auch viel stärker als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen müsse. Neben Lehrkraftfaktoren und Unterrichtsfaktoren sei zudem die Schaffung von inklusiven Strukturen in den Schulen erfolgsentscheidend. Er plädierte nachdrücklich dafür, den Fokus mehr auf Prävention statt auf Intervention zu legen („Von der Feuerwehr zum Brandschutz“). Dazu gelte es, in der Praxis mehr offene Lernformen und kooperatives Lernen einzuführen. Förderung könne zudem auch in flexiblen homogenen Kleingruppen, durchaus klassenübergreifend, organisiert werden.

Für die präventive Ausrichtung erhofft sich Huber zukünftig hohe Effekte auf die Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf. Ferner soll durch die Schaffung multiprofessioneller Teams an denRegelschulen auch die Lehrkräfte im Hintergrund gestärkt und unterstützt werden. Diese Teams, in einer denkbaren Zusammensetzung z.B. aus Schulpsychologen, Lehrkräften, Therapeuten, Schulsozialarbeiten, sollen anhand datenbasierter Entscheidungen zu einer verbesserten individuellen Förderung der Schüler beitragen. Grundsätzlich plädierte Huber mittel- bis langfristig bei der Beurteilung von Lern- Leistungsentwicklungen für einen Paradigmenwechsel von der sozialen zur individuellen Bezugsnorm, verbunden mit einer Prozessdiagnostik, die individuelle Lern- und Verhaltensentwicklungsprofile für die Schüler erstellt.

Für die Realisierung ist aus Hubers Sicht eine Abkehr von der bislang praktizierten Pro-Kopf Zuweisung von Ressourcen und stattdessen ein System, das Zuständigkeiten und Abläufe pauschal bedarfsgerecht organisiert, notwendig. Dazu gehöre zu Beginn der Schullaufbahn, dass im regulären Unterricht der Regelschule mindestens zweimal jährlich überprüft werde, ob alle Schülerinnen und Schüler auch mitkommen. Schülerinnen und Schüler, bei denen sich im Rahmen einer so engmaschigen Diagnostik Probleme zeigen, könnten durch gezielte Kleingruppenförderungen oder mit Hilfe von multiprofessionellen Teams präventiv gefördert werden und so weiterhin am regulären Unterricht teilnehmen.

Peter Schütterle unterstützte die Darstellung von Prof. Huber nach klarer Struktur bei der inklusiven Beschulung und untermauerte dies anhand von Praxisbeispielen in der Regelschulen in den Förderbereichen „Erstlernen“ und „Verhalten“. Zu Beginn des 2. Halbjahres eines ersten Schuljahres wurde beispielsweise in einer Grundschule die Lesekompetenz aller Schüler einer Klasse systematisch mit einem sogenannten Screening erfasst. Eine Steuerungsgruppe sichtete die Ergebnisse und traf die Auswahl der zu fördernden Schüler nach Test und Einschätzungen. Es folgte eine zielgenaue tägliche Intensivförderung von einer halben Stunde über ca. 20 Wochen durch einen speziellen Leselehrgang. Die Wirksamkeit wurde bei den Schülern 14-tägig durch eine Kurztestung überprüft. Die Entwicklung wurde graphisch in einer Verlaufskurve festgehalten und von einem schulinternen multiprofessionellen Team, ausgewertet. Mit Erfolg, wie Peter Schütterle nachdrücklich betonte. Keiner der geförderten Schüler wechselte an die Förderschule.

Die anschließende, sehr lebhafte Diskussion und die damit sehr konkret am Alltag orientierte Gruppenarbeit unter den Pädagogen zeigte einmal mehr deutlich, dass das Thema Inklusion die Lehrkräfte nach wie vor bewegt und die Impulse von Professor Huber und Peter Schütterle in der Praxis noch durchaus nachwirken könnten. Zahlreiche Lehrkräfte fühlten sich mit den erhaltenen Anregungen gestärkt für die Umsetzung von Veränderungen in der eigenen pädagogischen Tagesarbeit.


Anschriften aus dem Artikel: Alte Landstr 129, Albert-Einstein-Str 58

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