"Pharma-Forschung 2000plus: Mit High-Tech zu neuen Medikamenten"

Pressekonferenz

Archivmeldung aus dem Jahr 2000
Veröffentlicht: 20.06.2000 // Quelle: Bayer AG

Bayer-Pharma: Spitzenstellung in modernen Schlüsseltechnologien erreicht

"Mit Forschung die Zukunft sichern: Medikamente im neuen Millennium"

Dr. David Ebsworth

"Die High-Tech-Plattform der Bayer Pharma-Forschung" von Prof Dr. Wolfgang Hartwig

"Bayer und Millennium Inc.: Auf der Spur krankheitsauslösender Gene"

Dr. Stefan Lohmer

"Hochleistungsscreening: Der schnelle Weg zur richtigen Substanz"

Dr. Martin Bechem

"Kombinatorische Chemie: Der erste Schritt zur innovativen Arznei"

Dr. Klaus Frobel

Bildmaterial

Bayer-Intranet: Unterstützung von Pharmaforschung und Rentwicklung



Die High-Tech-Plattform der Bayer Pharma-Forschung
Aus den Ausführungen von Prof. Dr. Wolfgang Hartwig, Leiter Forschung im Geschäftsbereich Pharma der Bayer AG

Meine sehr verehrten Damen und Herren,





in den Life-Sciences und der biowissenschaftlichen Forschung erleben wir beim Übergang ins 21. Jahrhundert rasante und spektakuläre Fortschritte, die einer Revolution gleichkommen. Von der automatisierten Gen-Sequenzierung über Robotersynthese und Roboterscreening, Genchips in Diagnose und Wirkstofffindung, Totalaufklärung des Genoms von Organismen bis hin zur Klonierung von Säugetieren unterschiedlicher Spezies werden wir in der Lage sein, unsere eigenen Organe aus eigenen Stammzellen zu züchten, und schon in diesem Jahr das gesamte menschliche Genom aufgeklärt haben. Es ist anzunehmen, dass dieser exponentielle Wissenszuwachs weiter anhält.





Diese Wissensexplosion in den Life-Sciences führt uns geradezu in einen Erkenntnisrausch, und wir erwarten ebenso rasante und revolutionäre Verbesserungen in der Gesundheitsfürsorge. In der Pharmaindustrie herrscht dagegen eher Ernüchterung - die Zahl der Neuausbietungen stagniert und defizitäre Forschungs- und Entwicklungs-Pipelines führen trotz rasant steigender Kosten zu keiner kurzfristigen Verbesserung. Vermehrt um sich greifende Merger- und Akquisitionsaktivitäten sind Resultat dieser Schwäche und vermögen das Problem nur kurzfristig zu bewältigen. Zur dauerhaften und langfristigen Lösung ist es nötig, das geballte Wissen rechtzeitig und zielgerecht in höhere Pharmaforschungsproduktivität umzusetzen und steigendes Wachstum im Markt zu sichern.





Dies ist die Basis unserer Pharma-Strategie. Wir haben ehrgeizige Ziele und streben zur Sicherung des Wachstums mit dem Markt für unseren Geschäftsbereich Pharma eine Vervierfachung der Produktivität auf zwei Neuausbietungen pro Jahr an. Verschiedene Initiativen wie Einlizenzierung von Produkten und eine forcierte Entwicklung haben wir eingeleitet. Da man kommerziell hochattraktive Produkte in Zukunft für Geld allein auch nicht mehr kaufen, sondern nur im Austausch mit Produkten aus der eigenen Pipeline erwerben kann, bedeutet dies langfristig für unsere Forschung, eine Produktpipeline aufzubauen, die das Ziel von zwei Neuausbietungen pro Jahr sicherstellt.





Ein Entwicklungsprodukt hat eine Chance von zehn Prozent, um auf den Markt zu gelangen. Daher muss die Forschung 20 Entwicklungskandidaten pro Jahr aufbieten: Dies ist eine enorme Herausforderung. Es bedeutete bei der Neuausrichtung der Forschung im Jahr 1996 eine Verzehnfachung der Produktivität im Vergleich zum Zeitraum 1990 - 1995, und dies so schnell wie möglich - aber nicht zu jedem Preis: Die Kosten pro Entwicklungskandidat sollten sinken, der generierte Nettoportfoliowert wachsen, ergo: die Effizienz sich deutlich steigern.





Nach unserem strategischen Konzept wollten wir ab 1997 die Produktivität durchschnittlich jährlich um ca. 30 % steigern und 20 Entwicklungs-kandidaten pro Jahr in 2004 erreichen. Die Kosten pro Entwicklungskandidat sollten sinken, d.h. die Effizienz um 300 % steigen.





Grundsätzlich sollte der von der Forschung generierte Wert, der dem kommerziellen Marktwert der Summe der erarbeiteten Entwicklungskandidaten entspricht, die eingesetzten Kosten übersteigen. Unsere Forschungsaktivitäten müssen messbar wertsteigernd zum Wertschöpfungsprozess beitragen. Daher haben wir in der Forschung eine neue Größe - den virtuellen Cash Flow Return on Research (CFRoR) - eingeführt. Virtuell - es fließt kein Cash, da die Entwicklungsprodukte weiter prozessiert und nicht verkauft werden. Diese hier gezeigte Konstellation ist mitnichten trivial, überstiegen doch in der Vergangenheit die Forschungskosten signifikant den generierten Portfoliowert.





Nach unserem strategischen Konzept sollte der Nettoportfoliowert aus dem Minus herauskommen, "Break Even" in 1999 erreichen und weiter deutlich steigen.





Zur Erlangung der kritischen Kapazität in den einzelnen Forschungsgebieten haben wir 1997 unsere Forschungsaktivitäten von 23 auf 15 Indikationen fokussiert. Diese Gebiete erstrecken sich auf die wichtigsten lebensbedrohlichen Krankheiten weltweit, mit Herzkreislauf-Erkrankungen und Krebs als Haupttodesursachen oder anderen Erkrankungen, die die Lebensqualität deutlich beeinträchtigen. Herausfordernde Ziele für Forscher: innovative Wirksubstanzen aufzufinden, die gleichzeitig gekennzeichnet sind durch ein hoch attraktives Marktpotenzial. Zur Zeit fließen 40 % unserer Forschungsausgaben von über 400 Mio € in die Herzkreislauf- und Krebsforschung. Wir haben Kernkompetenzen in allen 15 Indikationen aufgebaut und eine Organisationsstruktur etabliert, die uns erlaubt, 70 % unserer 1500 Mitarbeiter flexibel in Projekten mit hoher Priorität einzusetzen, um kontinuierlich kritische Kapazität zu garantieren.





Wie gehen wir heute bei der Auffindung eines neuen Wirkstoffes vor? Ganz wesentlich ist in der modernen Pharmaforschung die Kenntnis über krankheitsrelevante Veränderungen auf molekularer Ebene, d.h. die Kenntnis des Pathomechanismus. Dies führt zur Charakterisierung körpereigener Faktoren, so genannten molekularen Targets, die als Angriffspunkte für künftige Medikamente dienen können. Im Screening werden Inhibitoren - also Hemmer - dieser krankheitsauslösenden molekularen Targets gesucht. Es schließt sich eine strukturchemische und pharmakologische Wirkoptimierung an - im Prinzip gilt es hierbei einem Rohdiamanten den Feinschliff zu geben, bevor eine Substanz als Kandidat für die präklinische Entwicklung vorgesehen wird.
Bei der Realisierung dieser Strategien setzen wir modernste Technologien ein, die noch vor fünf bis zehn Jahren kaum jemand kannte. Heute geistern sie als Zauberformeln durch alle Medien. Die Rede ist von "Genomics"-Technologien, die die zielgerichtete Aufklärung des Pathomechanismus und der krankheitsauslösenden Gene erlauben.





Die Pharmaforschung befindet sich zur Zeit im Genrausch. Das humane Genom besteht aus 100.000 - 150.000 Genen. Beim Start des Human Genome Projekts ging man noch von einer Aufklärung irgendwann im Jahr 2005 aus. Heute wissen wir, dass nach Prognose von Celera alle Gene Ende 2000 bekannt sein werden. Man erwartet 5.000 - 10.000 für die Wirkstoffsuche nutzbare Gen-Targets. Eine große Zahl, wenn man bedenkt, dass zur Zeit der gesamte Arzneimittelschatz nur auf 500 Targets beruht.
Diese krankheitsauslösenden Gene werden schon heute patentiert und blockieren Mitbewerber. Erfolgswahrscheinlichkeit und Nutzungsrechte hängen von einem rechtzeitigen Einstieg in die Genomforschung ab. Die Menge des Goldes ist begrenzt, und das Zeitfenster für Investitionen ist eng.





Ziel unserer Genomics-Strategie war daher, eine breite Allianz mit einer Experten-Firma einzugehen, um sofortige Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Deswegen haben wir in 1998 einen Kooperationsvertrag mit Millennium Pharmaceuticals abgeschlossen. Millennium ist führend auf dem Gebiet der Genomics-Technologien, verfügt über eine breite integrierte Technologieplattform und bot die Möglichkeit eines Exklusivabkommens auf mehreren Indikationsfeldern.





Wir bearbeiten gemeinsam die sieben Forschungsgebiete Krebs, Koronare Herzkrankheit, Schmerz, Virologie, Hämatologie, Leberfibrose und Osteoporose. Die Basis für die Kooperation mit Millennium sind die Lieferung von 225 krankheitsrelevanten Gen-Targets mit exklusiven Schutzrechten für Bayer und der Transfer von Genomics-Technologien. Die Kosten belaufen sich über fünf Jahre auf 465 Millionen US-Dollar Aus diesen Gen-Targets erwarten wir nach konservativer probabilistischer Rechnung mindestens 30 innovative Entwicklungskandidaten.





Die Suche nach krankheitsauslösenden Genen ist ein komplexer Prozess bei dem, ausgehend von Gewebeproben von Patienten, Gendefekte identifiziert und krankheitsauslösende Gene isoliert werden. Diese bilden die Basis für molekulare Targets, d.h. Angriffsziele für Wirkstoffe, nach denen in speziellen Testsystemen gesucht wird. Herr Dr. Lohmer wird Ihnen später den Prozess an Beispielen näher erläutern. Zurzeit arbeiten 250 Wissenschaftler bei Millennium daran, im Rahmen unserer Kooperation neue Gene zu identifizieren. Und wir sind hier schon sehr erfolgreich.





Die Bayer-Millennium-Kooperation hat in den ersten 14 Monaten die Ziele übererfüllt. Wir haben 36 Gen-Targets identifiziert und liegen damit zwei über Plan. 25 dieser Targets befinden sich im Testaufbau oder bereits im Substanzscreening. In vier Indikationen wurde das Substanzscreening abgeschlossen und Leitstrukturen - also Rohdiamanten - identifiziert. Der erste auf Genomics basierende Entwicklungskandidat wird in diesem Jahr erwartet, fast ein Jahr früher als geplant. Wenn dies gelänge, wären wir weltweit die Ersten in der Industrie mit einem Entwicklungskandidaten aus diesen Technologien. Neben den genannten quantitativen Aspekten ist der Know-how-, der Technologie- und auch der Kultur-Transfer für die Effizienzsteigerung von großer Bedeutung.

Wir glauben, dass die Genomics-Expertise von Millennium und unsere Kernkompetenzen sich ideal ergänzen und wir die hoch gesteckten Ziele erfüllen können.





Um die enorme Datenflut aus den Genomics-Technologien zu bewältigen, wird eine leistungsfähige Informationstechnologie gebraucht, die den Bedürfnissen der modernen biologischen Forschung gerecht wird: die Bioinformatik.





"Genomics"-Technologien erzeugen ungeheure Datenmengen. In Hunderten von weltweit vernetzten Datenbanken werden 3000 Gensequenzen und 2000 genomische Einträge pro Tag vorgenommen, und jeden Monat wächst die Datenmenge um 12 Gigabyte, gleichbedeutend mit 200 Bänden einer Enzyklopädie mit je 5000 Seiten. Zur Analyse und Verknüpfung dieser Daten ist eine starke Bioinformatik-Expertise notwendig. Um in dieser Disziplin schnelle Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, war unser strategisches Ziel auch hier, eine Kooperation mit einem Informatik-Experten einzugehen.





Ausgewählt haben wir Lion Biosciences, führender Anbieter von Bioinformatik-Technologien. Grundlage des Abkommens war die Gründung einer Tochtergesellschaft durch Lion in Cambridge/Mass., das Lion Bioinformatics Research Institute "LBRI", das exklusiv für Bayer tätig ist und für alle Life-Sciences-Bereiche eine starke IT-Plattform und Software-Entwicklung etabliert. Zusätzlich werden alle weltweit verfügbaren Datenbanken kontinuierlich gescreent und wirkstoffrelevante Gen-Targetdaten am Bildschirm aufgespürt, die im Labor in die Realität umgesetzt werden.





Wir haben ein weltweites Bioinformatik-Netzwerk aufgebaut, an das alle Bayer-Life-Science-Forschungszentren angeschlossen sind und das Bayer-Wissenschaftlern weltweit eine Online-Kommunikation mit leistungsstärksten Computern im LBRI erlaubt, die kontinuierlich alle Daten analysieren, interpretieren und verteilen.

Nach sechs Monaten operativer Tätigkeit ist LBRI sehr erfolgreich und hat 103 Targets geliefert. Dies ist mehr als ursprünglich vereinbart. 66 Patentanmeldungen wurden von uns bereits eingereicht. Von der Entdeckung eines Gens bis zu seiner Patentierung vergehen nur noch drei Tage. Damit übertrifft unsere Bioinformatik-Kompetenz den Weltstandard.





Eine zentrale Disziplin, die wir als interne Kernkompetenz aufgebaut haben, ist das Hochdurchsatzscreening.





Innerhalb der letzten hundert Jahre hat sich die Testkapazität durch verschiedene Techniken stetig erhöht, erreichte aber erst zur Jahrtausendwende die magische Grenze mit heute bis zu 200.000 Tests pro Tag. Dies ist hauptsächlich auf Robotertechnologie, computerisierte Analyse und Auswertesysteme zurückzuführen.





Auf Mikrotiterplatten, die die Größe von zwei Scheckkarten haben, können simultan 1536 Substanzen geprüft werden. In Reaktionsgefäßen, halb so groß wie ein Streichholzkopf, wachsen gentechnisch veränderte Zellen, die bei Kontakt mit einer Wirksubstanz Licht aussenden, dessen Intensität mit der Wirkstärke der Substanzen korreliert.





Im Folgenden sehen Sie diesen Vorgang in Echtzeit. Es wird Reagenz zugegeben, die Zellen leuchten für eine kurze Zeit auf, es werden jetzt 60 Einzelmessungen pro Substanz vorgenommen, der zeitliche Wirkungsverlauf analysiert und vom Computer registriert und mit chemischen Strukturen korreliert. Der Test ist jetzt abgeschlossen: In dieser kurzen Zeit wurden 1536 Substanzen geprüft und insgesamt 90.000 Messungen vorgenommen. Wir glauben, dass unsere Screening-Technologie an Durchsatz und Qualität im Routinebetrieb in der Welt eine führende Position erreicht hat.





Nun muss man die Vielzahl der Verbindungen erst einmal haben, um sie prüfen zu können. Die neue Technologie, Kombinatorische Chemie, kann hier die Syntheseleistung deutlich steigern, und wir können heute pro Jahr 100 mal mehr Wirkstoffe synthetisieren als noch vor zehn Jahren.





Mit 20.000 Substanzen pro Laboreinheit im Jahr wird die Substanz- optimierung bzgl. Zeitbedarf und Qualität dramatisch verbessert. Das allein reicht jedoch noch nicht aus, um schnell Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen.





Wir sind daher Kooperationen mit externen Partnern eingegangen, die uns bis 2002 zusätzlich 500.000 Wirkstoffe sicherstellen. Bis Ende 2000 werden wir so etwa eine Million Einzelsubstanzen im Lager haben, das neu aufgebaut und geplant werden musste, um die enormen Herausforderungen an die Logistik - die vollautomatische Wiederauffindung von Substanzen - zu gewährleisten.





Nach einer Benchmark-Analyse gehört die Substanzbank von Bayer zu den besten in der Pharma Industrie, und wir liegen gleichauf mit den Topkonkurrenten. Wie Sie hier sehen, bedeutete dies eine Verzehnfachung der Zahl der Prüfsubstanzen seit 1994. Dies war nur durch starke In-house-Kapazitäten und Zukauf zu erreichen.





Neben den Kernkompetenzen zur Identifizierung von innovativen niedermolekularen Wirkstoffen haben wir in unserer integrierten High-Tech-Plattform eine wettbewerbsstarke Biotechnologie-Einheit aufgebaut, um neuartige Proteine zur Nutzung als Arzneimittel zu identifizieren. Wir fokussieren uns hier auf drei verschiedene Proteinklassen.





Zur ersten Kategorie gehören Proteine, die den Mangel an einem bestimmten Protein ausgleichen - man spricht hier von Substitutionstherapie. Ein Beispiel hierfür ist das von Bayer rein gentechnisch hergestellte Kogenate. Dieses größte Protein, das jemals großtechnisch hergestellt wurde, wird erfolgreich zur Behandlung von Blutern eingesetzt, denen der Blutgerinnungsfaktor VIII fehlt.

Eine Chance für neue Arzneimittel mit neuem oder besserem Wirkprofil als natürliche Proteine sehen wir in der Möglichkeit, Proteine maßzuschneidern, um z. B. unerwünschte Nebenwirkungen von körpereigenen Eiweißen auszuschalten.





Ein Beispiel hierfür stellt ein neues Bayer-Präparat dar, das im vergangenen Jahr in die klinische Prüfung zur Therapie von schwerem Asthma gegangen ist: ein maßgeschneidertes Interleukin-4-Derivat, in dem zwei von 129 Aminosäurebausteinen gentechnologisch ausgetauscht wurden. Dieses veränderte Interleukin blockiert vollständig die Wirkung des natürlichen Proteins Interleukin 4, das bei Asthmapatienten eine dramatische Verstärkung der Atemwegsverengung hervorruft.

Die dritte Klasse von Proteintherapeutika sind Antikörper gegen körpereigene Proteine, deren Überaktivität zu Erkrankungen führt. Diese Antikörper binden hochspezifisch an diese Proteine und inaktivieren sie.





Um in diesen Forschungsgebieten wettbewerbsfähig zu sein, haben wir ein Konsortium von Technologieexperten etabliert, die unsere eigenen Kernkompetenzen in idealer Weise ergänzen. Es sind dies Firmen, die zu den führenden in ihrer Technologiebranche gehören: Das Biotech-Unternehmen Incyte Pharmaceuticals hat auf dem Gebiet der menschlichen Genom-Datenbanken eine führende Stellung und ermöglicht uns Zugriff auf Tausende von Genen und Proteinen, die wir zu therapeutischen Proteinen weiterentwickeln. Mit Genchips der Firma Affymetrix werden wir Genexpressionsprofile in spezifischen Geweben untersuchen. Durch unsere Forschungs- und Lizenzvereinbarung mit der MorphoSys AG in Martinsried erhalten wir Zugriff auf Milliarden verschiedener menschlicher Antikörper. Mit Oxford Glycosciences stehen uns neueste Technologien zur Funktionsanalyse von Proteinen zur Verfügung.

Gemäß unserer Strategie werden wir kontinuierlich und flexibel innovative Technologiekooperationen auf dem Gebiet der Proteintherapeutika eingehen. Dieses Netzwerk bezeichnen wir als F.I.T.-Strategie: Flexible Innovations-Technologie. Wir sind sicher, dass wir hiermit auch fit sind für das Zeitalter der modernen Biotechnologie und Informationswissenschaft. Mit Gesamtforschungsinvestitionen von rund 80 Mio - jährlich gehören wir zu den führenden Firmen in der Biotechnologie und werden jeweils 2 neue Proteine pro Jahr in die Entwicklung nehmen. Damit sind wir mit den Top-Biotechnologie-Firmen mehr als konkurrenzfähig.






Im Jahr 1999 haben wir in der Bayer-Pharma-Forschung eine Spitzenstellung in Schlüsseltechnologien erreicht. Gegenüber 1995, als wir in der zweiten Liga spielten, sind wir jetzt gleichauf mit den Topkonkurrenten in der jeweiligen Disziplin. Wichtig ist hier, in allen Schlüsseltechnologien stark zu sein, da jede einzelne zum Gesamterfolg beiträgt.





Basis für Spitzentechnologien sind Spitzenfachkräfte. 60 Prozent der Mitarbeiter wurden vor der Genomics-Ära eingestellt. Wir haben daher verschiedene Initiativen ergriffen, Trainingsprogramme etabliert und "Visiting-Scientist-Programme" bei unseren Kooperationspartnern implementiert.
Für Laboranten haben wir - einzigartig in Deutschland - ein Laborantenstudium ins Leben gerufen, ein von uns finanziertes Fernstudienprogramm in der Freizeit, das die Aneignung von Vordiplomwissen in Biologie und Chemie zum Ziel hat und von verschiedenen Universitäten anerkannt wird. Zusätzlich nutzen wir auf Intranet basierende Infosysteme und Know-how-Datenbanken, so dass weltweit internes Expertenwissen per Mausklick direkt abgerufen werden kann.

Natürlich ist die 900-prozentige Produktivitätserhöhung bis 2004 ohne zusätzliche Mitarbeiter nicht möglich. Wir haben daher in unserer Planung einen Anstieg von 1100 auf 1800 Mitarbeiter über acht Jahre vorgesehen und hierfür Programme laufen, um die fähigsten Mitarbeiter in den neuen Technologien zu gewinnen.





Mit unseren internen Kernkompetenzen und der Integration der externen Technologieexperten haben wir eine wettbewerbsstarke High-Tech-Plattform aufgebaut: In Genomics mit Millennium und anderen Partnern, in Bioinformatik mit Lion, im Screening mit Apparateexperten, in Kombinatorischer Chemie mit starker In-house-Expertise und Partnern, die Substanzbanken liefern. Auf dem Gebiet der Biotherapeutika nutzen wir ein Konsortium von externen Experten auf dem Gebiet der Proteindatenbanken und Proteinfunktionsanalyse und molekularer Antikörper. Wir glauben, dass diese High-Tech-Plattform eine führende Position in der Industrie erreicht hat und sehr wettbewerbsstark ist. Dies wird auch von bedeutenden Analysten so gesehen.





Was sind die Zwischenergebnisse der neuen Forschungsstrategie? Gegenüber dem Plan haben wir die Produktivität im Vergleich zum Zeitraum von 1990 - 1995 um 350 % gesteigert. Wir haben die Planziele in 1998 und 1999 um 17 bzw. 29 % übererfüllt und in 1999 bereits die Vorstellung von neun Entwicklungskandidaten erreicht. Wir haben daher unsere Ziele nach oben korrigiert: auf 10 Entwicklungskandidaten im Jahr 2000 und weiterhin auf einen jährlich 30-prozentigen Anstieg.





Der generierte Portfoliowert - unserer CFRoR - überstieg ein Jahr früher als geplant in 1998 die Forschungsausgaben und nahm 1999 weiter zu. In 2000 und den folgenden Jahren rechnen wir weiterhin mit einem deutlichen Zuwachs.





Von 1996 bis heute haben wir 26 Entwicklungsprodukte aus allen therapeutischen Forschungsfeldern vorgestellt. Mit den ersten Ausbietungen ist 2002 zu rechnen. 80 Prozent dieser neuen Wirkstoffe sind "first in class", d. h. innovative Produkte mit neuen therapeutischen Prinzipien.

Für die Herzkreislauf-Erkrankungen haben wir sieben Entwicklungskandidaten präsentiert und uns dabei auf neuartige Wirkprinzipien für die koronare Herzkrankheit konzentriert, wie z.B. den Guanylat-Cyclase-Stimulator, der einen neuen Standard in der Therapie der Angina Pectoris und des Bluthochdrucks setzen wird.

Das Gebiet Krebs wächst kräftig mit ein bis zwei Entwicklungskandidaten pro Jahr. Hier konzentrieren wir uns auf neue tumorspezifische Mechanismen. Zu nennen ist hier ein hochinnovativer Raf-Kinase-Hemmer, der die Tumor-Zellteilung bremst.

Im Bereich der Antiinfektiva haben wir eine völlig neue Klasse von Antibiotika entdeckt und neue antivirale Substanzen gefunden, die hochwirksam gegen therapieresistente Viren sind.

Bei neurologischen Erkrankungen verfügen wir über Entwicklungsprodukte für die Behandlung des Schlaganfalls und des Schädel-Hirn-Traumas mit neuartiger Wirkung.

Bei den Atemwegserkrankungen ist unsere Pipeline gut gefüllt mit innovativen Arzneimittelkandidaten zur Behandlung von Asthma. Unser neuestes Forschungsergebnis ist ein Wirkstoff zur Behandlung der Mukoviszidose, der zu einer langdauernden Verbesserung der Schleimsekretion in der Lunge führt. Dies könnte ein echter Durchbruch in dieser bisher nicht behandelbaren Krankheit sein.

Für Osteoporose haben wir erstmals Wirkstoffe, die die Knochenbildung stimulieren, und auch für Diabetes haben wir zwei neue Arzneimittelkandidaten zur Blutzuckersenkung identifiziert.

Zusammengenommen decken diese 26 neuen Entwicklungskandidaten alle unsere therapeutischen Forschungsfelder ab, und wir haben in fast allen Fällen innovative neue Produkte mit Produktprofilen, die den therapeutischen Standard signifikant verbessern werden.





Die neue Forschungsstrategie trägt bereits ab 2002 maßgeblich zu den Neuausbietungen bei. So werden wir ab 2002 jährlich ein innovatives Medikament und ab 2006 mehr als einen Wirkstoff ausbieten.





Zusammenfassend kann man sagen, dass wir in der Pharma Forschung
  • einen Spitzenrang in allen Schlüsseltechnologien einnehmen, durch strategische Allianzen und Weiterentwicklung von Kernkompetenzen,
  • eine deutliche Verbesserung von Produktivität und Effizienz erreicht haben, den Output kontinuierlich um 25 - 30 % pro Jahr steigern,
  • zehn Entwicklungskandidaten im Jahr 2000 eingeplant haben, zum ersten Mal also eine zweistellige Zahl, und wir hoffen, den ersten Kandidaten aus dem Genomics-Programm vorstellen zu können, womit wir die Ersten in der Industrie sein werden.
  • Erste Ausbietungen als Resultat der neuen Strategie erwarten wir ab 2002.

Ich glaube, unsere internationale Forschungsfamilie steht jetzt auf einer soliden High-Tech-Plattform und ist für die kommenden Herausforderungen gut gerüstet.





Prof Dr. Wolfgang Hartwig
Biografie Leiter der Forschung im Geschäftsbereich Pharma der Bayer AG

Prof. Dr. Wolfgang Hartwig leitet seit dem 01. Dezember 1996 die weltweite Forschung im Geschäftsbereich Pharma der Bayer AG.

Hartwig, der am 01. Juli 1951 in Duderstadt geboren wurde, studierte an der Universität Göttingen und promovierte 1979 in organischer Chemie. Danach war er zwei Jahre Post-doctoral fellow am Institut de Chimie des Substances Naturelles in Gif-sur-Yvette in Frankreich.

1982 trat er in die Bayer AG ein und übernahm ein Labor innerhalb des Chemisch-Wissenschaftlichen Hauptlaboratoriums. 1988 wurde er zum Abteilungsleiter und drei Jahre darauf zum Leiter des Chemisch-Wissenschaftlichen Labors ernannt. 1993 wechselte er als Senior Vice President und Leiter der Pharmaforschung zur Bayer Corp. in die USA.

Hartwig ist seit dem 01. Juli 1999 Honorarprofessor an der Universität Münster.

Anschriften aus dem Artikel: Albert-Einstein-Str 58, Alte Landstr 129

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