„Sexy ist was anderes“

Gespräch mit der Kabarettistin Anka Zink über ihr aktuelles Programm

Archivmeldung aus dem Jahr 2012
Veröffentlicht: 18.04.2012 // Quelle: Konstantin Grosse

Frau Zink, Sie gastieren am 12.05.2012 in Leverkusen in der Scala. Ihr aktuelles Kabarettprogramm „Sexy ist was anderes“, was auch der Titel ihres aktuellen Buches ist, beschäftigt sich mit dem Phänomen der neuen Medien, der computergestützten Apparaturen und den sozialen Netzwerken.

1. Benutzen Sie daheim oft elektronische Medien?
Natürlich, man kommt ja gar nicht daran vorbei! Die digitale Welt ist in alle Lebensbereiche eingedrungen. Es geht nicht nur um den PC, vor dessen Bildschirm man hockt.
Fast jedes Haushaltsgerät hat einen Chip! Und wenn wir nicht so spuren, wie der Chip das will, dann piept es! Das Navi Piept, das Auto piept, der Akku piept. Nur der Kanarienvogel piept nicht mehr, der imitiert den Nokia Klingelton. Ich nenne das gerne die „Diktatur der Dinge“! Und dagegen protestiere ich!

2. Wie beurteilen Sie als studierte Soziologin die sozialen Netzwerke?
Soziales Netzwerken kann die Arbeit erleichtern, Verbindungen herstellen, sogar emotionale Kontakte knüpfen und erhalten. Der Mensch gibt auf diesen Plattformen so viel preis, wie er preisgeben will. Niemand wird gezwungen seine intimsten Dinge zu offenbaren. Wenn er es trotzdem macht …. bitteschön, das hat auch etwas mit Freiheit zu tun. Da gilt die alte Regel: „Wer nackt ist, hat sich ausgezogen“.

3. Was bedeutet für Sie Kommunikation im beruflichen Sinne?
Sie können sich gar nicht vorstellen, was es für mich als Künstlerin, die auch mal jung und unbekannt war, bedeutet, über E-Mail verfügen zu können. Damals, vor E-Mail, da lief man bei Regen und Schnee mit den tonnenschweren, handeingetüteten Korrespondenzen und Werbeschriften im Rucksack persönlich zur Post. Ja, das können sich die jungen Leute heute gar nicht mehr vorstellen, was wir damals rumgeschleppt haben…☺ Auf E-Mail verzichten können heute nur noch privilegierte ältere Menschen, zum Beispiel unsere Oma: „Ich brauch kein email, ich habe Enkel“

4. KGB, Stasi und auch der BND hätten mindestens die Hälfte ihrer Schlapphüte entlassen können, wenn Sie damals bereits auf Facebook und Co. hätten zurückgreifen können. Was bedeutet für Sie der Begriff Privatheit?
Der Unterschied war, ist und bleibt die Freiwilligkeit der Informationspreisgabe.
Neu ist, dass der Mensch sich aktiv um den Schutz seiner Privatsphäre bemühen muss. Man muss gewissen Anfeindungen trotzen. Menschen, die sich bestimmten medien-modischen Entwicklungen verweigern, werden als unmoderne alte Affen diskriminiert. Oder als „Privat Primat“ Wenn die Leute dein Zuhause besichtigen und zu ihren Kindern sagen: “Sieh mal Kevin, so lebten die Leute früher“ dann nehmen sie doch einfach Eintritt. Das schreckt ab, denn: Die meisten Menschen bevorzugen alle Anwendungen als Free-Ware! Insgesamt muss ich sagen: „Ich bin ganz gern Privat-Primat!“

5. Sie gelten als Powerfrau, als rheinische Frohnatur. Worüber weint denn Anka Zink wenn sie alleine und privat sein darf?
Aha, eine private Frage zwischendurch: Ich habe eine weiche Seite in allen Liebes und Familiendingen. Es bedrückt mich, wenn da etwas nicht rund läuft. Ja, ich habe Familiensinn, Belastung und Freude zugleich.
Darf das genügen?

6. Für viele Kabarettisten dient die „Dummheit“ oder „Naivität“ mancher in der Öffentlichkeit handelnden Personen als Steilvorlage, Stichworte sind Guttenberg oder Wulff. Haben Sie eigentlich Mitleid mit ihren potentiellen Opfern?
Bei jedem, der heute durch den Dreck des öffentlichen Dorfes geschleift wird, regt sich irgendwann das Mitleid, auch wenn der oder die es „selber schuld“ sind.
Mir tun allerdings ebenso die Menschen leid, die von eben jenen enttäuscht wurden.
Wenn vermeintliche „Hoffnungsträger“ versagen oder den an Sie gestellten Anspruch einfach nicht erfüllen können, tut es mir auch um die Sache leid.
„Wenn Hoffnungsträger versagen, ist es auch schade um die Sache“

7. Was war für Sie ein einschneidendes Erlebnis in 2011?
Fukushima, die Dreifachkatastrophe mit Erdbeben, Seebeben und Kernschmelze, die uns fast in den Untergang gerissen hätte. Insbesondere aber dabei ein persönlich erschütterndes Erlebnis mit einem attraktiven Herrn, den ich in der Bahn kennenlernte und mit dem ich – gestehen wir es offen – geflirtet habe. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als die Sprache auf die Katastrophe in Japan kam und er mir sachlich fachlich erläuterte, dass es sich hierbei um eine Bagatelle handele.
Es stellte sich heraus, dass dieser Mann als Jurist Lobbyarbeit für die Atomindustrie machte. Also „Augen auf beim Flirten!“

8. Ihre Managerin spricht von Ihnen als eine visionäre und in die Zukunft blickende Frau? Was meint sie damit genau?
Wahrscheinlich will sie damit sagen, dass ich ihr viel Arbeit mache…
Ja, mir fällt öfters mal etwas Neues ein und das soll gerne schnell umgesetzt werden.
Es ist wahr, dass ich immer ein Tütchen an neuen Ideen, Projektvisionen oder in die Zukunft gerichteten Gedanken mit mir herum trage. Dabei – und das ist mir schon wichtig – bin ich nicht abgehoben. Das Leben besteht nun einmal darin, vornehmlich das gegenwärtige Dasein zu bewältigen.
„Um von Zukunft zu träumen muss man zunächst die Gegenwart regeln“

9. Daran anschließend die berühmte Frage: Wollen Sie als Kabarettistin etwas bewirken oder verändern? Glauben Sie, Kabarett kann das?
Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tsunami auslösen kann, wird auch Kabarett etwas bewegen können. Allerdings möchte ich die Sache nicht überhöhen. Etwas „wissen“ bedeutet noch lange nicht: “etwas erkennen“ und es funktioniert nur, wenn ein Mensch etwas lernen oder erkennen will.
Selbsterkenntnis führt nur dann zum Handeln oder zur Veränderung, wenn der Erkenntnisrahmen stimmt. Ein einfaches Beispiel: In der Berufsschule wurde die Auszubildende zum Thema Klimawandel gefragt: „Was kannst du uns zu den beiden Polen sagen?“
“ Die haben die Küche gestrichen, dann waren die wieder weg.“

10. Was bedeutet für Sie, die Sie vom Improvisationstheater kommen, das Zurückdrängen des politischen Ensemblekabaretts?
Eine Zeitlang gab es praktisch keine Ensembles mehr. Das ändert sich seit einigen Jahren, Kom(m)ödchen, Lach und Schieß haben eigene Ensembles, es gibt das Deutsche Zwangsensemble, Pfeffermühle, Herkuleskeule und einige mehr. Schwer haben es neue Ensembles, z.B. das Bundeskabarett.

11. Bei Comedy geht es vornehmlich um Beschreibung menschlicher Schwächen!
Sie sprechen von Social Comedy. Eine Chance für das Genre?
Oder schade, dass das Politische mehr im Hintergrund steht?
Ich mache es mal kurz:
Bei Comedy lachen wir über Situationskomik, aus Schadenfreude und anderen niedrigen Motiven und haben sehr viel Spaß dabei, weil nicht wir betroffen sind, sondern die anderen.
Beim Politischen Kabarett: lachen wir über die sprachlich überhöhte Darstellung von Kritik- (z.B. bei einem Gefühl wie „Ärger“ oder einer allgemeinen zeitgeistigen Befindlichkeit wie in unseren Tagen, Unsicherheit oder grundsätzlich als „Opfer“) – und befestigen dies an realen Personen, die zufällig häufig Politiker sind. Wir lachen - zum Teil verzweifelt - über die da oben.
Bei Social Comedy, die Art von Humor, den die Amerikaner gerne verwenden und den ich betreibe, lachen wir über den Depp, der mit den Sachzwänge, die das moderne Leben ausmachen, kämpfen muss und zwar aus seiner speziellen Sicht auf die Dinge: Als Arzt, als Physiker, oder wie ich als Frau, um nur einmal die bekanntesten und besten zu benennen.
Wenn sie so wollen ist Social Comedy „Lustig mit Thema“
Auf jeden Fall lachen wir über Sachen, die unser Leben bestimmen und ausmachen.
Es lässt sich nicht vermeiden: manchmal lachen wir sogar über uns selber.
Das ist nach wie vor in Deutschland unüblich, aber wir haben in den vergangenen Jahren schon ganz andere Neuerungen verdaut!

12. Sind Sie gerne Rheinländerin? Sagen Sie, es hätte schlimmer kommen können oder haben Sie viel am rheinischen Menschschlag auszusetzen?
Ich bin gerne Rheinländerin und stehe zu meiner Herkunft. Der Rheinländer ist ein Produkt aus jahrhundertelanger Kreuzung vieler Völker. Deswegen ist der Rheinländer so tolerant „Laut Tucholsky ist Toleranz das Gefühl , das der andere Recht haben könnte“

13. Wen würden Sie gerne auf einen langen Urlaub mitnehmen, wo es nichts zu lesen gibt und man die Zeit damit verbringen müsste, sich viel zu unterhalten!
Helmut Karasek – denn dann brauch man kein Radio und auch nichts zu lesen.

14. Was halten Sie von der Mann – Frau Welle, mit der unter anderem Mario Barth so viel Erfolg hat?
Vor Jahren als Dozentin in der Kölner Comedy Schule war Mario in der Master Class.
Er war damals schon einer meiner Favoriten, der andere war Eckart von Hirschhausen. Beide befassen sich mit demselben Thema, wenn auch auf unterschiedlichen Ebenen, manche sagen sogar auf unterschiedlichem Niveau ☺.
Aber darum geht es gar nicht Die Leute heute sind so durcheinander, dass sie immer glücklich sind, wenn es einmal um eine Sache geht, bei der sie 100% kompetent mitreden können. Mit irgendwelchen Formen von Beziehung kennt sich halt jeder aus.

15. Wie sehen Sie die Rolle der Frau heute? Wieso gibt es eigentlich so wenige Kabarettistinnen und Komödiantinnen.
Warum es so wenige Frauen in unserer Branche gibt? Weil eine Frau immer zuerst als Frau angesehen wird und dann erst als Person. Zusätzlich soll man immerzu authentisch sein. Furchtbar! Als wenn heute noch irgendetwas – irgendeine Doku im Fernsehen beispielsweise - authentisch wäre.
Wenn eine Frau nicht über sich spricht, finden es die Leute unglaubwürdig, wenn eine Frau aber über sich spricht, ist es langweilig. Es ist also schwierig.
Dadurch ist die Lage der Frau in der Comedy ist wie im wirklichen Leben: Meist unten! Nur ich bin manchmal obenauf! Sowie einige andere auch.

16. Wie probieren Sie Gags aus. Wann wissen Sie, ob ein Gag funktioniert? Kommt ihr Partner oder ihre Freunde als Versuchskaninchen in den Genuss Anka Zink Gags beurteilen zu dürfen.
Meine Oneliner, also die kleinen Scherze mit weniger als zehn Worten, probiere ich gerne im persönlichen Gespräch aus. Für größere Gags sollte man textsicher sein und daher probiere ich diese Sachen lieber vor kleinem, aber zahlendem Publikum.

17. Sie haben neben vielen andern mit Harald Schmidt im Kom(m)ödchen im Ensemble gespielt. Was halten Sie vom Late Night Format? Sie wären doch prädestiniert für dieses Format. Keine Lust?
Sehr große Lust sogar! Ich war sogar mal gefragt für ein Late Night Format in einem öffentlich-rechtlichen Sender.
Leider scheiterte zeitgleich eine geschätzte Kollegin beim Versuch dieses Format zu entern und somit wurde die Idee von meinem Sender nicht weiter verfolgt.
Daraus lernen wir mal wieder: Wenn eine Frau einmal etwas falsch macht, können das alle Frauen nicht!
Aber wenn ein Mann einmal etwas richtig macht, können es alle Männer! Ich möchte das nicht beurteilen, geschweige denn verurteilen! Ich lebe damit.

18. Was war das lustigste Bühnenerlebnis, das Sie je hatten?
Oha, mich hat lange niemand nach etwas Lustigem im Kabarett gefragt…
Vor Jahren bei einem Auftritt in Hessen habe ich mich hocherotisch auf einer Chaiselongue gewälzt, weil dies zum politischen Programm gehörte. Es klappte ganz gut, bis zu dem Moment wo die „ Dienstkatze“ des Hauses (Arbeitsbereich Mäuse etc.) es sich mitten in meiner Nummer ebenfalls auf dem Sofa bequem machte und blieb! Sie können sich vorstellen, welche Wandlung meine Darstellung nach diesem „Zwischenfall“ erfuhr. Sicher, ein Lacherfolg war es …aber: Humor und Sex sind eben doch Todfeinde!


Anschriften aus dem Artikel: Albert-Einstein-Str 58, Alte Landstr 129

Kategorie: Kultur
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