Leverkusen

Aus dem Rahmen gefallen

Groß geplant - nie gebaut

Ausstellung der Stadtgeschichtlichen Vereinigung e. V. Leverkusen in Zusammenarbeit mit KulturStadtLev und dem Fachbereich Stadtplanung der Stadt Leverkusen in der Villa Römer - Haus der Stadtgeschichte - , Haus-Vorster Straße 6 in Opladen vom 24. März bis 28. Juli 2002

Die Ausstellungen der Stadtgeschichtlichen Vereinigung e. V. in der Villa Römer als dem Haus der Stadtgeschichte sind eigentlich immer einen Besuch wert. Fundiert und stets mit viel Aufwand in mühevoller Kleinarbeit liebevoll präsentiert, bieten sie dem geneigten Besucher Einblicke in die unterschiedlichsten Epochen und Bereiche regionaler und lokaler Geschichte.

Mit der Geschichte ist es aber mitunter so eine Sache, wie man es zuweilen noch aus seiner eigenen Schulzeit kennt. Die alten Römer, so bedeutend sie für die Entwicklung der Menschheit auch sein mögen, zumal hier im unmittelbaren Einzugsbereich von Köln, dem vormaligen Colonia Agrippina, können je nach dem wie sie dargestellt werden, eine recht trockene und im wahrsten Sinne des Wortes tote Angelegenheit sein. Liegt ihre Ära doch scheinbar so unendlich weit zurück.

Blick ins Fotoalbum

Anders verhält es sich jedoch, wenn man aus der jüngeren Vergangenheit und damit noch aus eigener, wenn auch zuweilen bruchstückhaften Erinnerung, an persönliche Fixpunkte ankn6uuml;pfen kann. Ähnlich wie es einem ergeht, wenn man gelegentlich in alten Fotoalben blättert.
Dies kann man derzeit bei der Besichtigung der Ausstellung "groß geplant - nie gebaut" nachempfinden, die noch bis zum 28. Juli diesen Jahres geöffnet ist. Wer kann mit dem Kunstwort Wuppermünde etwas anfangen, was verbindet der eine oder andere mit dem Projekt, welches seinerzeit unter der Bezeichnung Lindwurm diskutiert wurde?

Froh über Unterlassungen

Aus dem Fundus des Leverkusener Journalisten Matthias Bauschen, auf den auch die Idee zu dieser ebenso einmaligen wie ungewöhnlichen Ausstellung zurückgeht, mit zumeist großflächigen Modellen und Plänen des Fachbereichs Stadtplanung sowie Unterlagen aus dem Stadtarchiv werden an einer Vielzahl von Beispielen aus den vergangenen hundert Jahren Planungen vorgestellt, die nie umgesetzt oder zumindest nur in Ansätzen realisiert wurden.
Planungen aus den ehemals selbständigen Städten Opladen und Bergisch Neukirchen, aber auch aus dem Leverkusen vor der kommunalen Gebietsreform und in seinen heutigen Stadtgrenzen.
Und da gab es so einiges: Von den geplanten Versammlungsbauten der Nationalsozialisten bis hin zu den grundlegenden städtebaulichen Umwälzungen in den sechziger und siebziger Jahren, die nach der 6uuml;berstandenen Nachkriegszeit vielleicht eine Art von Aufbruch markieren sollten.
Steht man dann in der Ausstellung vor manch einer Planung, die über ein Modell nicht herausgekommen ist und betrachtet genau jenes Modell, ist man zuweilen ob der einen oder anderen vermeintlichen Unterlassungssünde geradezu froh.
Dies gilt beispielsweise für den Abbruch und geplanten Neubau der Remisen als Vorburg zum Schloß Morsbroich. Heute dürfte kaum einer bestreiten, dass die Sanierung der vorhandenen Bausubstanz doch als die bessere und authentischere Lösung gelten kann.
Architekten und Stadtplaner werden die Schau im Haus der Stadtgeschichte sicherlich aus einem anderen Blickwinkel her betrachten als diejenigen, die in dieser Stadt aufgewachsen sind, leben und arbeiten. Als einer jener Fixpunkte, mit denen sich heute noch viele Wiesdorfer identifizieren, gilt etwa das alte Rathaus.

Dessen Nachfolgeplanung, der Neubau, dessen Sanierung und mögliche Umgestaltung derzeit heftig in der Diskussion steht, verleiht der Ausstellung zudem eine besondere Aktualität. Was sich in Leverkusen in den vergangenen Jahren an den verschiedensten Stellen so alles getan hat, läßt sich hervorragend anhand der gezeigten großflächigen Luftaufnahmen nachvollziehen.

Immer neue Facetten

An diesen Darstellungen kann man sich kaum satt sehen, immer wieder gibt es neue Details zu entdecken. Überhaupt kann man die Ausstellung getrost mehrmals besuchen. Bei jedem Besuch wird man neue Eindrücke gewinnen. Vielleicht sieht man danach auch den einen oder anderen Straßenzug bei einem Gang durch Leverkusen mit anderen Augen und wird durch vor Ort gemachte Beobachtungen geradezu dazu angeregt, seine Kenntnisse nochmals mit Hilfe der ausgestellten Exponate zu vertiefen.

Bei alle dem gilt es zu bedenken, daß die gezeigten Entwicklungen und Veränderungen in der Tat nur einen Wimpernschlag in der Geschichte ausmachen, wie es Matthias Bauschen in seiner Rede anläßlich der Ausstellungseröffnung anmerkte. Dass eine riesige Verantwortung auf denjenigen lastet, die an der baulichen Gestaltung dieser Stadt beteiligt sind, rauml;umte dabei auch Oberbürgermeister Paul Hebbel ein.

Gutachterkosten in anderem Licht

Insofern mögen sich auch Planungs- und Gutachterkosten in beträchtlicher Höhe rechtfertigen, ist die Materie doch hoch sensibel, auch wenn sie später in Stahl, Beton und Glas Gestalt annehmen soll oder man aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse dann eben doch besser davon läßt.
Im Rahmen der Ausstellung werden neben offiziellen Führungen auch noch eine Reihe von Zusatzveranstaltungen geboten. So unter anderem am Samstag, dem 15. Juni 2002, eine Busfahrt zu Gebäuden, die Abrissplänen trotzen konnten.
Nähere Informationen dazu sind in der Villa Römer, Haus der Stadtgeschichte, während der Öffnungszeiten samstags von 15.00 bis 17.00 Uhr sowie sonn- und feiertags von 11.00 bis 13.00 Uhr erhältlich. Der Eintritt ist frei, Spenden erbeten. Ein Katalog zur Ausstellung mit zahlreichen Abbildungen kann für den Betrag von 2,00 Euro erworben werden.
Eine Ausstellung, die überwiegend nicht verwirklichte Visionen zum Inhalt hat und damit zugleich stadtgeschichtliche Entwicklungen nachvollziehbar macht, hebt sich deutlich ab und fällt im positiven Sinne vollkommen aus dem Rahmen.