Politik

TYPISCH DEUTSCH?

Von wegen "Paradepferd" Transrapid

In der Ausgabe Nr. 194, September/Oktober 1999 der POLITEIA, war die Magnetschwebebahn Transrapid zum wiederholten Mal Thema und damit Gegenstand einer mitunter leidenschaftlich geführten Auseinandersetzung.
Dies hält den Verfasser dieses Beitrages jedoch nicht davon ab, zu den Ausführungen von Martin Wingender abermals Stellung zu nehmen.
Über die verkehrspolitische Sinnhaftigkeit einer Magnetschwebebahn-Verbindung zwischen Hamburg und Berlin, mit Zwischenstop in Schwerin, möchte ich mich dabei nicht weiter auslassen. Schließlich sollte man sich nicht wiederholen, und der Beitrag von Martin Wingender zielte ohnehin mehr auf den industrie- und wirtschaftspolitischen Aspekt des Transrapid-Projektes ab.
Mit der Deckelung des Bundesanteils auf 6,1 Milliarden DM durch die rot-grüne Koalition und der damit verbundenen Reduzierung von bislang zwei auf nunmehr nur noch eine Fahrspur ist das bislang angestrebte Betriebskonzept ohnehin nur noch Makulatur. Im Grunde genommen handelt es sich bei dem als vermeintliches Paradepferd und angebliches Symbol der Innovationsfähigkeit der deutschen Industrie gepriesenen Transrapid mittlerweile nur noch um einen nahezu totgeprüften und totbegutachteten Gaul, für den sich bislang lediglich keiner erbarmen konnte, ihm den inzwischen längst fälligen Gnadenschuß zu geben. Wohl kaum ein auch nur annähernd vergleichbares Vorhaben in der Geschichte des Industriestaates Deutschland kann auf eine derartige Vorgeschichte bei gleichzeitiger Ungewissheit hinsichtlich seiner Umsetzung zurückblicken.
Nun kann man dies natürlich getrost als "typisch deutsch" betrachten. Frei nach Heinrich Heine, wonach bekanntlich des Deutschen liebste Zeit die Bedenkzeit sei. Dem ist aber nicht so. Denn die Vehemenz, mit der die Befürworter des Transrapid diesen mit dem Begriff der Zukunftsfähigkeit für den Standort Bundesrepublik verbanden, verstellte mitunter den Blick auf das, was die Referenzstrecke Hamburg-Berlin im Grunde genommen darstellt: Eine Subventionsmaßnahme für die ersten Adressen der Großindustrie, bei der das als beträchtlich anzusehende wirtschaftliche Betriebsrisiko zudem noch auf die Deutsche Bahn AG als Betriebsgesellschaft abgewälzt wird.


"Referenzstrecke"?

Überhaupt ist allein schon die Bezeichnung Referenzstrecke irreführend. Als Referenzstrecke beziehungsweise Prototyp kann man die schon längst bestehende Teststrecke für den Transrapid im Emsland bezeichnen, welche die technische Funktion des Systems Magnetschwebebahn unter Beweis stellt. Wobei gegen die Förderung von Vorserien oder Probeanlagen, etwa durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie, nichts einzuwenden ist. Dabei handelt es sich vielmehr und einen gewöhnlichen Vorgang.
Die praktische Durchführung und Abwicklung der Personenbeförderung zwischen den Metropolen Hamburg und Berlin geht jedoch bei weitem über das hinaus, was mit Referenz, Versuch oder Test zu tun hat. Denn zumindest formal hat man sich ja auf die Fahnen geschrieben, diesen Betrieb letztendlich mit der Absicht der Gewinnerzielung zu führen. Wozu hat man dann vor Jahren die Umwandlung der Deutschen Bundesbahn in die Unternehmensform einer Aktiengesellschaft betrieben, wenn man jetzt, zumal in Zeiten, wo das Geld knapper denn je ist, ein Faß für ein vollkommen neues Verkehrssystem aufmacht. Selbst die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit wurden von der neuen Bundesregierung gestutzt und gestreckt. Die Durchbindung der ICE-Trasse Nürnberg-Erfurt, die in Teilen bereits in Angriff genommen wurde, wäre volkswirtschaftlich sinnvoller und für die Infrastruktur insbesondere in den neuen Bundesländern wichtiger. Nicht zuletzt was den Erhalt und die Schaffung neuer Arbeitsplätze anbelangt.
Das Scheitern verschiedener Auslandsgeschäfte mit dem längst eingeführten und trotz des Unfalls von Eschede bewährten InterCityExpress macht deutlich, daß auch eine wie immer geartete Referenzstrecke keine Garantie für einen Exportschlager darstellen kann. Anders als bei der Atomtechnologie sind die Vorbehalte gegen Verkehrsträger Magnetschwebebahn in einem Land wie der Bundesrepublik nicht durch ideologische Vorbehalte geprägt, sondern durch eine Gemengelage verschiedenster Argumente, die in sich für eine Ablehnung sprechen.
Nicht gegen das System Transrapid, sondern gegen das vermeintliche Versuchsfeld, was Deutschland als eines der dichtbesiedeltsten Länder überhaupt dafür abgeben soll, wofür eigentlich jedoch kein geeigneter Raum zur Verfügung steht. Gesunde Skepsis ist nicht unbedingt eine typisch deutsche Eigenschaft, wohl aber die sich entgegen aller Zeichen der Zeit weiter verbreitete Subventions- und Vollkaskomentalität, von der sich auch Unternehmen nicht frei sprechen können.
Wenn Wirtschaft und Industrie ernsthaft Absatzmöglichkeiten für den Transrapid sehen, sollten sie sich in den Flächenstaaten danach umsehen, wo dieses System Sinn hat. Es kann aber nicht angehen, daß ausgerechnet die Firmen, die in den vergangenen Jahren in der Bundesrepublik die meisten Arbeitsplätze abgebaut haben, trotz großer Gewinne teilweise keine Steuern abführten, Nutznießer eine nie dagewesenen Subventionierung werden.
Wobei noch nicht mal die Daseinsfürsorge für die Bürger dafür spricht, denn Hamburg und Berlin sind längst auf mannigfache Weise für jedermann erreichbar, nicht zuletzt auf dem konventionellen Schienenweg in durchaus akzeptablen und zumutbaren Zeiten.


Nicht der letzte Schrei

Im übrigen ist die Magnetschwebetechnik nicht der letzte Schrei von Innovation, wenngleich das Design der Transrapidbahn auch recht futuristisch anmutet. Das Prinzip der Nutzung von Magnetschwebetechnik zu Transport- und Beförderungszwecken stammt noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.