Politik

Ein typisch deutscher Flop

Das "Paradepferd" der deutschen Industrie steht vor dem Aus

Das war's dann wohl! Mit dem Wechsel im Bundesverkehrsministerium (Amtsinhaber Müntefering soll als Generalsekretär die SPD vor dem Untergang retten, der als saarländischer Ministerpräsident abgewählte Reinhard Klimmt wird zum Bundesminister befördert) scheint das Schicksal der Magnetschnellbahn-Strecke Hamburg-Berlin besiegelt zu sein. In Industriekreisen wird davon ausgegangen, daß der künftige Minister Klimmt mit einer Ablehnung des ohnehin in der Koalition umstrittenen Transrapid-Projekts versuchen wird, sich gegenüber dem als wirtschaftsfreundlich geltenden Bundeskanzler Gerhard Schröder zu profilieren.

Rückblick

Das Magnetschnellbahnkonzept wurde von einem aus den Firmen Thyssen, Siemens und Adtranz bestehenden Konsortium entwickelt. Die hohe Geschwindigkeit des Transrapid soll diesen sowohl für die "normale" Eisenbahn als auch (zumindest auf kürzeren Strecken) für den Flugverkehr zu einer energiesparenden Alternative machen. Nachdem die Technik auf einer Teststrecke im Emsland entwickelt wurde, suchte das Firmen-Konsortium nach einer Strecke, auf der die Tauglichkeit des Systems im praktischen Einsatz demonstriert werden könnte.
Dazu war zunächst vor über zehn Jahren eine Verbindung der Flughäfen Köln-Bonn und Düsseldorf im Gespräch. Dieser Vorschlag stieß aber nicht nur in den von der Streckenführung betroffenen Städten auf Ablehnung. Die Strecke war einfach zu kurz, um die hohe Geschwindigkeit des neuen Verkehrsmittels ausnutzen zu können.
Mit dem Zusammenbruch der DDR und der daraus folgenden deutschen Einheit tat sich dann eine wesentlich vernünftigere Alternative auf: Die Verbindung der Millionenstädte Hamburg und Berlin. Neben den beteiligten Firmen zeigte auch die damalige Bundesregierung ein Interesse an der Verwirklichung dieser Strecke. Sollte sich der Transrapid als praxistauglich erweisen, könnte er sich nämlich zum Exportschlager entwickeln. Damit würden in Deutschland viele zukunftssichere Arbeitsplätze entstehen. Deshalb entschloß sich der Bund für eine Beteiligung an der Finanzierung der Trasse.


Ständig steigende Kosten

Wer gedacht hatte, damit sei der Transrapid in trockenen Tüchern, sah sich aber bald getäuscht. Immer wieder drangen Meldungen an die Öffentlichkeit, daß die Trasse wesentlich teurer werden würde als ursprünglich geplant. Außerdem seien die in der Planung angesetzten Fahrgastzahlen für diese Städteverbindung viel zu hoch. Mit der Abwahl der Kohl-Regierung im vergangenen Jahr wurde die Verwirklichung des Projekts immer fraglicher.
Die Grünen, die der Schnellbahn sehr skeptisch gegenüberstehen, setzten in den Koalitionsverhandlungen im vergangenen Jahr eine Obergrenze von 6,1 Milliarden Mark für den Bundesanteil an der Strecke durch. Doch auch diese Grenze drohte bald überschritten zu werden. Eine letzte Hoffnung für die Magnetbahn-Befürworter war noch die Äußerung von Verkehrsminister Müntefering im Juni diesen Jahres, daß "er persönlich" den Transrapid nicht an der vereinbarten Finanzierungsschwelle scheitern lassen würde. Diese Äußerungen sind nach der Abberufung des Sauerländers ins Willy-Brandt-Haus nun Makulatur.
Verschiedene Aspekte des Transrapid-Desasters würden im Ausland wohl den Stempel "typisch deutsch" aufgedrückt bekommen. Da ist zum einen die sich immer schneller drehende Kostenspirale. Nur mit der Inflation, die ja ohnehin auf einem historischen Tiefstand ist, kann man die ständig steigenden Voraussagen für die Kosten der Trasse kaum erklären. Hat man die Kosten anfangs bewußt schöngerechnet, oder versucht jemand, sich eine goldene Nase an diesem Projekt zu verdienen?


Verschenkte Zeit

Weiter verwunderlich ist, wieviel Zeit schon vergangenen ist, seitdem das erste Mal der Bedarf nach einer Transrapid-Referenzstrecke geäußert wurde. Mit jedem Jahr, um welches der Trassenbau verzögert wird, verzögert sich auch die Markteinführung der Schnellbahn. Damit wird der kostbare Zeitvorsprung des deutschen Konsortiums gegenüber der Konkurrenz verschenkt, womit auch die potentiellen Arbeitsplätze immer weiter gefährdet werden. Als ob der Rückstand, den die Entwicklung des ICE in Deutschland gegenüber seinem französischen Pendant TGV hatte, nicht schon abschreckendes Beispiel genug wäre!
Geradezu peinlich bei der Planung des Trassenverlaufs war, als Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern forderten, für den Transrapid solle auf der Fahrt von Hamburg nach Berlin ein Zwischenstop in Schwerin eingeplant werden. Mit dem Halt in der Landeshauptstadt würde die Schnellbahn ihren hohe Geschwindigkeit kaum richtig ausnutzen können. Da mit Klimmts Amtsantritt das Aus für die Magnetschnellbahn-Strecke praktisch besiegelt sein wird, sind die Forderungen der Kirchturm-Politiker Schnee von gestern.


Schlechte Reklame

Ob mit der geplatzten Referenzstrecke nun auch das System Transrapid selbst
aufgegeben wird, ist nicht klar. Für eine Vorführ-Strecke wird sich das Thyssen-Siemens-Adtranz-Konsortium außerhalb Deutschlands umsehen müssen. Da die Firmen finanziell nicht so gut ausgestattet sind, daß sie Trassen-, Fahrzeugbau und Betrieb der Strecke aus der eigenen Schatulle bezahlen könnten, müssen sie sich nach einem Investor umsehen. Ob das Hickhack in Deutschland dafür eine gute Werbung sein wird, ist aber höchst fraglich.

M.W.


Leserbrief von Ulrich Müller in der Folgeausgabe 195