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Bundestagswahl 2005 - Deutschland hat gewählt?

?und nichts ist entschieden

Nach dem das Volk dem Aufruf der Politik gefolgt ist und sich am 18. September an die Urnen begeben hat, um zu bestimmen wer es in Zukunft regieren soll, ist wenig wie es war und noch weit weniger wie es erwartet wurde. Union und FDP, die vor Monatsfrist noch als sichere zukünftige Regierung galten, die mit neuem Tatendrang und lange schon nötigen Reformen die Republik auf Zukunftskurs bringen würde, wurden genauso wenig mit einer Mehrheit ausgestattet wie Rot-Grün.

Was Neues muss her?!

Zum einen zeigt ein kurzer Blick auf das doppelt vorläufige Endergebnis (Im Wahlkreis 160/ Dresden I wird ja noch gewählt), dass die Rot-Grüne Koalition um Herrn Schröder abgewählt ist. Sie bringt es kaum mehr auf 273 Mandate im neuen Bundestag. Für eine Mehrheit nötig wären dagegen 307, die mit nur 42,4%, die Rot-Grün errang in weiter Ferne sind. Aber auch das bürgerliche Lager wurde nicht an die Macht gewählt. Es errang zwar 45% der Zweitstimmen und 286 Mandate, doch auch hier gibt es keine Regierungsmehrheit.

Veränderte Rahmenbedingungen

Nach der Etablierung ihres Westablegers "WASG" durch Genossen Lafontaine hat die alte PDS mit mal wieder neuer Fassade den Einzug in den Bundestag geschafft. Diesmal in Fraktionsstärke und schon als "vierte Kraft" die Grünen überflügelt. Mit 8,7% zieht das Wahlbündnis in den Bundestag ein. Im Osten nahezu so stark wie die CDU überwand die Partei aber auch im Westen vielerorts die 5%, so zum Beispiel auch im Bevölkerungsreichsten Land NRW, oder in Lafontaines Stammland dem Saarland, wo ganze 18,5% raus sprangen? Und das auch noch ohne zu behaupten man kenne die Lösungen für die Probleme des Staates. Man würde, wenn man überhaupt Verantwortung übernehmen wollte, es aber in jedem Fall anders machen, dass weiß man bei den Linken ganz sicher.

Koalitionspoker

So haben wir nun im Bundestag zwar weiterhin eine linke Mehrheit, doch eine Rot-Rot-Grüne, bzw. Violett-Rot-Grüne Koalition bleibt dem Land auch dank der besonderen persönlichen Neigungen der Genossen Schröder und Lafontaine zueinander vorerst erspart, Später jedoch ist ein solches Bündnis auch im Bund eine nicht zu vergessende Option, denn die SPD-Linke könnte, vielleicht vom unzweifelhaft begnadeten Rhetoriker Lafontaine aus ihrem Dornröschenschlaf wach geküsst, gegen den der Mitte entgegenstrebenden Machtblock um Schröder, Müntefering und Clement rebellieren und eine weitere Annäherung von Sozialdemokraten und Sozialisten herbeiführen.
In der Rolle als Einiger der deutschen Sozialdemokratie gefiele sich Lafontaine sicher sehr gut, doch das ist noch Zukunftsmusik.

Die Große Koalition

Unter den realistischeren Koalitionen mit zumindest einer zu erwartenden minimalen Stabilität wäre zunächst einmal die Große Koalition, bestehend aus den beiden großen Volksparteien, zu nennen. Diese könnte 447 Mandate auf sich vereinen, was auch die für Verfassungsänderungen benötigte 2/3-Mehrheit mit einschließt. Dennoch bleibt zu beachten, dass nicht mehr 1966 ist und Union und SPD allenfalls noch den Anspruch gemein haben das Land zu führen. Da enden die Gemeinsamkeiten jedoch schon, denn das auch nur mit dem Kanzler / der Kanzlerin aus den eigenen Reihen und wenn möglich ohne den jeweils anderen. Sollte aber Schröder zurückstecken (Die SPD wäre nach den Gewohnheitsregeln der bundesrepublikanischen Parlamentarier nun einmal als kleinere Fraktion nur "Juniorpartner" einer großen Koalition) spräche viel für diese Verbindung, darunter die schon angesprochene 2/3-Mehrheit im Bundestag. Aus ihr resultiert eine ungeheure Tatkraft was Verfassungsfragen angeht. So könnte eine solche Koalition die Föderalismusreform ohne Rücksicht auf die parlamentarische Opposition durchaus angehen, wobei doch zu befürchten bleibt, daß die stärkste Opposition innerhalb der Fraktionen von Union und SPD aufkeimen würde, da die Mehrheit wie schon gesagt sehr, wenn nicht gar zu, komfortabel ist. Ein weiterer Gärkeller der Opposition wäre der Bundesrat, denn über diesen hätten die kleinen Parteien, insbesondere die FDP die in vielen Ländern mit der Union regiert, weiterhin ein Einspruchsrecht. Folglich könnte eine Große Koalition zurzeit wahrscheinlich daran scheitern, dass ihr alle Wege offen stehen, die Regierung aber unfähig wäre einen einzuschlagen.

Ampel und Jamaika-Koalition

Die Ampel, also eine Rot-Gelb-Grüne Koalition, sowie die Schwarze Ampel, hier ersetzt die Union die SPD, kurz "Schwampel" oder, in Anlehnung an die Nationalflagge des Inselstaates, Jamaika-Koalition genannt. Hier würde man jeweils versuchen den vor der Wahl eigentlich der anderen großen Partei zugerechneten Koalitionspartner, nach zähen Verhandlungen und wohl auch mit weitgehenden Zugeständnissen an sich zu binden, während man den eigenen Juniorpartner nicht zu verschrecken sucht. Dabei weicht man immerhin dem Konflikt um die Kanzlerschaft aus, aber der ideologische Graben, gerade zwischen den Grünen und der FDP, will erst einmal überwunden werden. Die Ampel scheint dabei auf den ersten Blick die vielleicht wahrscheinlichere der beiden Lösungen zu sein. Immerhin gab es ja schon einmal eine Sozialliberale Koalition im Bund, nämlich nach der Großen Koalition, beginnend Ende der 60er Jahre. Sie endete dann 1982 als sich die FDP ab- und erneut der CDU zuwandte. Dazu ist der Graben zwischen FDP und SPD seit '82 sicher nicht flacher geworden, was dazu führte, daß Guido Westerwelle eine Ampel kategorisch ausschloss. Außerdem haben viele Wähler ihre Stimmen gesplittet und Schwarz-Gelb, also den Wechsel, gewählt. Diese haben die FDP zur 3.-stärksten Partei im Plenum gemacht und würden sich, sollte sich die FDP doch auf eine Ampel einlassen, vor den Kopf gestoßen fühlen.
Dagegen ist bei den Grünen die Problematik der Jamaika-Koalition weniger programmatischer als ideologischer Natur, auch wenn z.B. in den Fragen wie EU-Erweiterung und Atomausstieg eine Einigung mit der Union nur schwer vorstellbar ist. Aber gerade der Ausstieg Fischers, der als bisher einziger Grüner die Schwarze Ampel kategorisch ausschloss, weckt bei Union und FDP die Hoffnung, dass eine solche Koalition zustande kommen könnte.
Doch solche Verhandlungen, ob nun mit ernsten Einigungsabsichten geführt oder von vorneherein als Finte angelegt, könnten in jedem Fall als solche nutzen, damit die jeweils andere der großen Parteien den Anspruch auf das Kanzleramt aufgibt um Regierungsmacht und Einfluss auf den Reformprozess nicht zu gefährden. Die Union, durch die Stärke im Bundesrat zur Regierungsarbeit prädestiniert hat dabei die besten Chancen auf das Kanzleramt. Es sei denn Gerhard Schröder übertrifft noch einmal seine unerklärlichen Erfolge, die er immer dann errang, wenn es um den persönlichen Machterhalt ging. Oder vielleicht, nur ganz vielleicht, dürfen wir alle ja an einem anderen Sonntag noch einmal wählen.

K.H.