Button

In dubio pro libertate

Im Zweifel für Menschenhändler und Schwarzarbeiter?

Im Zweifel für die Freiheit. Das steht (in lateinischer Übersetzung) in dem so genannten Volmer-Erlass zur Visapolitik, für den Außenminister Joschka Fischer und der Namensgebende Staatsminister Volmer verantwortlich sind.
Und in dieser Phrase offenbart sich der Kern des Skandals. Dennoch muss man viel tiefer graben um das gesamte Übel zu erfassen. Denn der Skandal zieht sich derweil durch 5 Jahre Rot-Grüne Regierungszeit und gewann immer mehr an Tragweite.

Anfänge

Es begann am 15.10.1999. Das Auswärtige Amt forderte die Konsulate per Erlass auf in der Regel die Prüfung von Reisezweck, Reisemittel und Rückkehrbereitschaft bei Beantragung eines Kurzzeitvisums, z.B. einem Touristenvisum, zu unterlassen, sofern der Beantragende ein ?CdT? (?Carnet de Touriste?) vorweisen könne.

Widerstand

Trotzdem kündigte die Deutsche Botschaft in Kiew an, weiterhin auch bei Vorlage eines solchen CdT andere Nachweise prüfen zu wollen. Darauf reagiert das Auswärtige Amt mit einem Erlass, der die Botschaft auffordert sich an den vorhergehenden Erlass vom 15.10.1999 zu halten. Außerdem folgt am 03.03.2000 der Volmer-Erlass. Dieser fordert auf, im Zweifelsfall für die Reisefreiheit zu entscheiden, also das Visum zu gewähren. Noch im selben Monat warnt Schily, dass der Erlass dem Schengenabkommen widerspricht. Das Auswärtige Amt jedoch diese Warnung zu ignorieren, denn am 2. Mai 2001 werden die Botschaften aufgefordert, den derweil zu trauriger Berühmtheit gelangten Reiseschutzpass (RSP) genauso zu behandeln wie den CdT. In Folge steigt die Zahl der jährlich erteilten Visa auf 297.000, mehr als das doppelte des Wertes der 1998 ?erreicht? wurde, so dass sich die Botschaft in Kiew an das BKA wendet, da sie massiven Missbrauch der RSP befürchtet, woraufhin das BKA eine Untersuchungskommission einrichtet. Dies alles scheint aber das Auswärtige Amt und den Herrn Bundesminister recht wenig interessiert zu haben, denn die erklären am 19. Januar 2002 in einer Weisung, dass Zweifel an der Integrität des örtlichen RSP-Vertriebspartners keine Ablehnung des Antrags auf Gewährung des Visums rechtfertigt.

Falsche Sichtweise

10 Tage später folgt ein Runderlass des Auswärtigen Amtes: CdT und RSP können dank der bisherigen guten Erfahrungen in Zukunft frei im Ausland vertrieben werden. Am 4. März des gleichen Jahres informierte die Kiewer Botschaft das Joschka Fischers Ministerium noch einmal über die katastrophalen Zustände, die die Anerkennung des RSP mit sich gebracht haben. Aber immer noch bleibt eine Reaktion aus dem Ministerium aus. Erst Ende Juni, als die Ermittlungen des BKA im Amt bekannt werden, wird die Anerkennung des RSP gestoppt. Am 28. März 2003 folgte dann endlich, 9 Tage nachdem das Referat 508 zur Problematik der Reiseschutzpässe beim AA eingereicht wurde, der Anerkennungsstopp des CdT und anderer Reiseschutzversicherungen.
Joschka Fischers Amt revidierte also erst über drei Jahre nach dem bekannt werden qualifizierter Zweifel und rechtlicher Bedenken seine Visavergabepraxis.
Da fragt man sich, ob keine Absicht bei Joschka Fischer zu finden ist, sich der Außenminister also wie in den guten alten Frankfurter Sponti-Zeiten daran erfreute, den Behörden das Leben so schwer wie möglich zu machen, wenn man sie schon nicht ganz abschaffen kann. Doch einem Mann, der seine Prinzipien in den letzten 20 Jahren haufenweise über Bord geschmissen hat um sich der Macht im Herzen des ach so verhassten Systems zu nähern, kann man dies kaum mehr vorwerfen. Vor allem nicht wo er doch theoretisch vierter und praktisch zweiter Mann dieses Systems ist. Des Weiteren wollen wir ja niemandem fragwürdige, wenn nicht kriminelle Motive unterstellen.

Realität

Also liegt eine andere, bei genauerer Überlegung noch unangenehmere, Vermutung nahe: Der sehr geehrte Vize-Kanzler hat seinen Sinn für die Realität verloren, sollte er diesen jemals besessen haben und der Herr Außenminister weiß folglich nicht mehr so genau was er tut.
Dies wird umso wahrscheinlicher, wenn man bedenkt, dass Fischer zwar sehr beliebt war und ist, er dabei aber auf einem Feld der Politik tätig ist, von dem viele Bürger nur sehr wage Vorstellungen haben. Manch ein Wähler hält eine Außenpolitik schon für gelungen, wenn er seinen Golf IV voll tanken kann, ohne dafür einen Kredit aufnehmen zu müssen und die USA wider erwarten davon absehen die Bundesrepublik zu Okkupieren. Wäre Fischers Außenpolitik darüber hinaus sehr erfolgreich würde sich Gerhard Schröder wohl kaum genötigt sehen, überall auf der Welt persönlich für die deutsche Wirtschaft und den Standort Deutschland Werbung zu machen.
Fischers Realitätsferne, zeigt sich auch, wenn er nun anmahnt, man dürfe nicht alle Ukrainer über denselben Kamm scheren. Genau das hat er doch getan.
Und dabei ist offensichtlich, dass man es gerade den rechtschaffenden Ukrainern schuldet, jeden der einen Antrag auf ein Visum stellt genau zu überprüfen, denn dann könnte man sicher sein, dass Ukrainer die ein Visum erhalten haben die Gastfreundschaft Deutschlands nicht ausnutzen und würde sie gerne willkommen heißen, ohne dabei an Menschenhandel und Schwarzarbeit zu denken.

Fazit

Herr Fischer hat zu der ganzen Affäre angemerkt, dass das Problem seit 2003 gelöst sei, er also im Rahmen der Gesamtsituation keinen Grund sehe zurück zu treten. Nach diesem Absturz in die Welt der Realpolitik schwebt er vielleicht schon wieder in einem Bundeswehr-Airbus über den Wolken und fragt sich, warum seine wunderschöne Floskel ?In dubio pro libertate? nicht alle Probleme vermieden hat.
Vielleicht weil in dieser Welt leider nicht alles nur wunderschön ist, Herr Fischer?

K.H.