Bericht aus Berlin

Praktikum bei einem MdB

Liebe Politeia-Leser,
Hier der ultimative Praktikanten-Insider-Bericht aus dem Deutschen Bundestag:
Erster Tag: Nachdem ich den gesamten Inhalt meiner Handtasche zum öffentlichen Ereignis habe machen dürfen, weil das Gerät an der Sicherheitsschleuse am Besuchereingang meinen pinken Lippenstift nicht scharf und eindeutig erkenntlich gezeigt hatte, werden mir von einem meiner beiden zukünftigen Kollegen im Büro des MdB Hans-Peter Repnik unsere Büroräume gezeigt.
Dann werde ich zur Zentralen Ausweisstelle geschickt, um mir einen Hausausweis anfertigen zu lassen. Als ich dort ankomme, ist der Warteraum hoffnungslos überfüllt; ich scheine wahrlich nicht die einzige zu sein, die heute mit einem Praktikum beginnt.
Die Frau, die mir später meinen Hausausweis ausstellt, erzählt mir, dass pro Jahr über 10.000 Praktikanten-Ausweise ausgestellt würden. Liebe Freunde, wer von Euch war eigentlich noch nicht für ein paar Wochen hier? Ich finde diese Zahl einfach unglaublich.
Als ich endlich wieder zurück im Büro bin, gehen wir zum Mittagessen in die Kantine. Das Essen ist für eine Kantine sehr gut, die Preise günstiger als in der Uni-Mensa: bin sehr zufrieden. Die Lage ist dafür anfangs gewöhnungsbedürftig. Die Kantine befindet sich im Paul-Löbe Haus direkt am Spree-Ufer und hat eine komplett verglaste Front. Der Clou dabei ist die Terrasse zwischen Ufer und Gebäude, auf der sich tagtäglich die Touristen tummeln, immer in der Hoffnung, Thierse, Merkel, Fischer oder sonst einen Promi dabei erwischen zu könne, wie ihnen ein Möhrchen von der Gabel plumpst. Als ich mich etwas irritiert über diese architektonische Interpretation von transparenter Politik zeige, bekomme ich allerdings auch angeblich wahre Geschichten über prominente Abgeordnete zu hören, die sich schon so manchen Scherz mit zu penetrant gaffenden Touris erlaubt haben.
Anschließend werde ich noch kurz in meine Arbeit eingeführt. Ich soll Antwortbriefe, Redemanuskripte, etc. für Herrn Repnik schreiben, dann bekomme ich für den Rest des Tages frei.

Der ganz normale Wahnsinn - Einblicke in das Arbeitsleben eines MdB

Die Sitzungswoche des Deutschen Bundestags in Berlin hat für Herrn Repnik - von vielfältigen kurzfristigen Änderungen der Tagesordnung abgesehen - regelmäßig den gleichen Verlauf: Montags trifft sich die Landesgruppe Baden-Württemberg. Dienstags finden die Tagungen der Landesgruppe Baden-Württemberg sowie sie Sitzungen der CDU/CSU Fraktion statt. Mittwochs tagen erst die Bundesausschüsse, dann gibt es eine Regierungsbefragung im Plenum. Donnerstags und Freitags finden von morgens früh bis spät in die Nacht die Plenumssitzungen statt.
Zusätzlich finden an den einzelnen Tagen weitere Ausschusssitzungen, Sachverständigenanhörungen, Arbeitskreise und Arbeitsgruppensitzungen (z.B. Arbeitsgruppe Kommunalpolitik, Parlamentskreis Mittelstand) statt.
Herr Repnik fliegt also in Sitzungswochen Montags morgens von Zürich nach Köln, verbringt den halben Tag in seinem Büro beim Dualen System in Köln (Er ist dort Vorstandsvorsitzender) und fliegt nachmittags nach Berlin, so dass er rechtzeitig zum Treffen der Landesgruppe dort ist. Bis Donnerstag Nachmittag bleibt er meist in Berlin. Während dieser Zeit ist sein häufigster Aufenthaltsort das "Hauptstadtbüro" des Dualen Systems. Und so rast er dann mehrmals täglich hin und her zwischen diversen Regierungsgebäuden, "Hauptstadtbüro" und seinem Bundestagsbüro. Donnerstags verbringt er dann die zweite Hälfte des Tages wieder in Köln und Freitags ist Herr Repnik in seinem Wahlkreisbüro am Bodensee. Zwischendurch ist er zusätzlich noch zu diversen Veranstaltungen kreuz und quer durch Deutschland unterwegs.
In sitzungsfreien Wochen verbringt er die meiste Zeit entweder beim Dualen System in Köln oder in seinem Wahlkreisbüro am Bodensee; nach Berlin kommt er dann nur unregelmäßig wenn etwas Dringendes anliegt.

Plenarsitzungen und Abstimmungen

Man kennt ja die ewigen Diskussionen über die mangelnde Anwesenheit der Abgeordneten im Plenum. Und jeder, der schon einmal beim durchzappen durch die TV-Kanäle zufällig bei einer Ausstrahlung einer normalen Plenarsitzung gelandet ist, wird sich gefragt haben, wofür der Steuerzahler die Abgeordneten eigentlich bezahlt, wenn bei den Sitzungen immer nur ein trauriges Häuflein in Schulklassengröße anwesend ist. Ich kann es euch sagen: Die meisten Abgeordneten haben so viel zu tun, dass es die reinste Verschwendung wäre, wenn sie bei Debatten anwesend wären, zu denen sie selbst gar nichts beitragen können.
Aber wie läuft dann eine Abstimmung ab?
Besonders bei inhaltlich wichtigen Abstimmungen und den Namensabstimmungen, bei denen später nachvollzogen werden kann, wer seine Stimme abgegeben hat, ist den Abgeordneten viel daran gelegen, teilzunehmen. Deswegen gibt es immer schon im voraus einen Tagesplan, in dem auch Uhrzeiten für Abstimmungen festgelegt sind. Diese werden aber selten eingehalten, sondern verschieben sich meist nach hinten.
Für die Abgeordneten, die sich nicht im Plenarsaal, aber im Haus befinden und an der Abstimmung teilnehmen wollen, wird eine Viertelstunde vor der Abstimmung in allen Gebäuden ein furchtbar penetrantes sirenenartiges akustisches Signal gegeben und es blinken Warnlampen in allen Gängen und Treppenhäusern. Für diejenigen, die sich außer Haus aufhalten (bei Herrn Repnik zumeist der Fall), aber trotzdem abstimmen möchten gibt es nur die Möglichkeit, ihre Angestellten damit zu beauftragen, die hausinterne Life-Übertragung der Sitzung zu verfolgen und sie rechtzeitig telefonisch zu informieren. Und so sitzen wir im Büro Repnik also in Sitzungswochen immer neben dem eingeschalteten Fernseher, damit wir unserem Chef ja nicht zu früh und nicht zu spät ein Taxi zum Bundestag organisieren.
Diese Abstimmungen bieten dann ein lustiges Bild: War bis fünf Minuten vorher der Plenarsaal noch so gut wie leer, so füllt er sich in diesen fünf Minuten rapide. Für weitere fünf Minuten herrscht dann dort ein wildes Getümmel, weil jeder so schnell wie möglich zur Urne möchte um dann sofort wieder dort hin zurückgehen zu können, wo er herkam. Aber genau so schnell, wie der Saal sich gefüllt hat, leert er sich auch wieder, bis die zwanzig Leutchen, die sich schon vorher auf den ersten Sitzreihen verteilten, wieder in Ruhe und Abgeschiedenheit ihren Debatten nachgehen können.

C.F.