Halber Sprung ist ein verlorener Sprung!

Das Reformtempo in Deutschland nimmt zu - wichtig ist aber, was passiert. Reformen der Reform wegen und die Tatsache, an allen Schrauben gedreht zu haben, bringen unser Land oft nicht voran! Es darf nicht gelten: der macht was. Vielmehr muss die Devise sein: der macht das richtig!
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt legt nun die Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung den Gremien vor und prophezeit: das ist der große Wurf. Die macht was. Doch was macht sie da?
Im Kurzen sieht das so aus: Ulla ersetzt ein altes System mit 24 Doppelstrukturen durch ein neues, das auch einige Doppelstrukturen hat; gibt dem Kind einen anderen Namen und fertig. Klingt wie bei der Reform des Arbeitsamtes zur Agentur für Arbeit; ist es auch.

Worum geht's?

In Deutschland gibt es seit 1891 eine gesetzliche Rentenversicherung, fast genau so alt sind ihre Strukturen. Derzeit sind 26 von einander unabhängige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung für die Durchführung der gesetzlichen Rentenversicherung in unserem Staat zuständig.
Angestellte sind bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in Berlin versichert, Arbeiter je nach Wohnort bei einer der 22 Landesversicherungsanstalten (LVA'en). Darüber hinaus gibt es Sonderträger für Beschäftigte im Bergbau, bei der Bahn oder in der Seefahrt.
War diese Differenzierung auf Grund des verschiedenen Leistungsrechtes zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchaus geboten, so fehlt ihr spätestens seit der formellen Vereinheitlichung des Leistungsrechts durch Einführung des SGB VI im Jahre 1992 jede vernünftige Begründung.
Dieser Erkenntnis folgend, wird seit 1994 über eine Reform der Organisation der gesetzlichen Rentenversicherung diskutiert. Ihren Abschluss fand diese durch die Gesetzesvorlage der Bundesregierung vom 28.05.2004. Ziel der Reform ist es, die Rentenversicherung leistungsstärker und kundenorientierter zu machen. Es sollen jährlich ca. 350 Mio. Euro bei den Verwaltungs- und Verfahrenskosten eingespart werden; es sollen die Arbeitsplätze in den einzelnen Regionen erhalten bleiben.

Was soll passieren?

Demnach soll es ab dem 01.01.2005 keine Unterscheidung mehr nach Arbeiter oder Angestellten geben, sondern nur noch den Begriff des "Versicherten".
Statt LVA'en und BfA wird zukünftig die "Deutsche Rentenversicherung" für die Betreuung der Versicherten und Rentner zuständig sein. Hierbei handelt es sich jedoch um die bisher bestehenden Rentenversicherungsträger.
Aus der BfA wird die "Deutsche Rentenversicherung Bund", aus LVA Rheinprovinz und LVA Oldenburg - Bremen werden "Deutsche Rentenversicherung Rheinprovinz" und "Deutsche Rentenversicherung Oldenburg - Bremen".
Bundesknappschaft, Seekasse und Bahnversicherungsanstalt werden zur "Deutschen Rentenversicherung Knappschaft - Bahn - See" zusammengefasst, so dass es ab dem 01.01.2005 "nur" noch 24 Träger geben wird.
Fusionen oder Kooperationen einzelner Träger sind zwar laut Gesetzesvorlage durchaus erwünscht, werden aber nicht erzwungen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund erhält durch die Fusion von BfA und Verband deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) zwar die Funktion eines Dachverbandes, der Querschnittsaufgaben wahrnimmt und für die gesamte Rentenversicherung verbindliche Richtlinien erlässt. Diese werden jedoch durch Vertreter aller Träger erlassen, so dass jeder Träger seine Unabhängigkeit wahrt.
Diese Reform greift zu kurz!
Die alte Struktur wird uns mit neuem Namen als "großer Wurf" verkauft. Es wurde versäumt, die Organisation grundlegend zu reformieren. Wieder einmal zeigt sich, dass Reformen von Verwaltungen nicht an der Lebenswirklichkeit, sondern an der Anzahl der benötigten Spitzenpositionen für verdiente Beamte und Parteigänger ausgerichtet werden.

Besser machen

Deshalb fordert die Junge Union NRW Bundestag (der die Reform mit SPD/Grünen-Mehrheit beschlossen hat) und Bundesrat auf, den Gesetzesentwurf abzulehnen und eine weiterhin dringend erforderliche Organisationsreform mit den sinnvollen Maßnahmen durchzusetzen:
Abschaffung der Selbstverwaltung der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Selbstverwaltung der gesetzlichen Rentenversicherung macht keinen Sinn. Anders als bei den Kommunen werden Einnahmen und Ausgaben ausschließlich durch Bundesgesetz geregelt. Hierauf haben, abgesehen von Ausgaben für Gebäudewirtschaft, Personal und Materialbewirtschaftung, die Selbstvertretungsgremien der Rentenversicherung keinerlei Einfluss. Die Selbstverwaltung kostet den Beitragszahler daher nur unnötiges Geld.
Darüber hinaus fehlt der Selbstverwaltung an echter demokratische Legitimation, da seit Jahrzehnten zumeist Friedenswahlen stattfinden. Kommt es dennoch mal zu Urnenwahlen, so ist die Wahlbeteilung oft im einstelligen Bereich.

Schaffung eines einheitlichen Rentenversicherungsträgers

Es ist nicht verständlich, warum die Deutsche Rentenversicherung 24 Geschäftsführungen, 24 Pressestellen oder 24 Fachabteilungen für Versicherung, Rente und Rehabilitation benötigt, obwohl eine Geschäftsführung, eine Pressestelle oder eine Fachabteilung auch ausreichen würden.
Die Schaffung eines einheitlichen Trägers muss nicht zwangsläufig die Verlagerung der gesamten Sachbearbeitung an eine Stelle bedeuten. Auch wird die Arbeitsmenge durch die Schaffung eines einheitlichen Trägers nicht weniger. In den einzelnen Regionen würden daher keine Arbeitsplätze im mittleren oder gehobenen Dienst verloren gehen. Arbeitsplätze würden lediglich im höheren und hohen Dienst eingespart werden.
Sollte diese Organisationsreform dennoch beschlossen werden, so soll die Fusion von LVA Rheinprovinz und LVA Westfalen, die zusammen nur das Gebiet von NRW abdecken, kommen.
Das Reformtempo kann in Deutschland weiter zunehmen - wichtig ist aber nach wie vor, was passiert. Halbe Schritte bringen dem Gesundungsprozess der Bundesrepublik wenig; die Reform der Reform folgt automatisch. 2 in 1 (two in one) heißt es für den Konsumenten, also für Deutschland: das richtig machen!