Erweitern um jeden Preis

Wird die Türkei bald Mitglied der EU?

Seit Jahren wird schon über einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union diskutiert. Mit der kommenden Aufnahme der Beitrittsverhandlungen ist nun ein weiterer Schritt gemacht die Türkei an die EU heranzuführen. Die Frage ist allerdings ob dieser Schritt sinnvoll und gut für die EU ist oder der Türkei alleine Vorteile bringt?

Geopolitische Lage

Seit Jahren sprechen sich die USA vehement für einen Beitritt der Türkei zur EU aus. Spätestens seit dem Krieg im Irak kann sich jeder denken warum. Die Lage der Türkei ist für möglich militärische Interventionen ideal. Die Nähe zum Iran, Irak und anderen Krisenregionen dieser Gegend ist zumindest aus militärischer Sicht ein Pluspunkt. Eine Integration der Türkei in die Europäische Union kann aber auch nicht durch diesen Vorteil erleichtert werden.
Die geografische Lage mag zwar aus militärischen Gesichtspunkten gut sein, allerdings stellt sich die Frage: Zählt die Türkei denn überhaupt noch zu dem, was man als Europa bezeichnet? Ein Großteil des Landes liegt bei weitem nicht mehr in Europa. Wo zieht man da die Grenze? Will man Gerechtigkeit walten lassen, müsste man auch bald dazu übergehen mit einigen nordafrikanischen Staaten Verhandlungen aufzunehmen, schließlich stellt die Straße von Gibraltar doch auch keine klare Abgrenzung dar.

Verschiedene Werte

Die relativ große räumliche Trennung zwischen dem klassischen Europa und der Türkei bringt viele andere Punkte mit sich, die gegen einen EU-Beitritt sprechen.
In der Geschichte gab es zwar immer wieder Überschneidungen zwischen Türkei oder dem osmanischen Reich und den europäischen Ländern, allerdings hat sich die Türkei doch in eine gänzlich andere Richtung entwickelt. Unterschiedliche Werte und gesellschaftliche Formen sind entstanden, die kaum mittelfristig mit der EU vereinbar sind. Die Religion ist hierbei für ein tolerantes Europa ein kleines Problem, aber gerade beim Thema Menschenrechte klaffen große Lücken zwischen den Vorstellungen beider Seiten.
Zwar mag es in den letzten Jahren Fortschritte gegeben haben bei den Bemühungen die Menschenrechte in der Türkei voranzutreiben, aber das reicht bei weitem nicht aus. Zustände in Gefängnissen, Folter von politisch Andersdenkenden und zu weitreichende Einflüsse der Polizei und des Militärs auf das gesellschaftliche Leben und die Politik sind Hindernisse für einen Beitritt, die nicht ignoriert werden dürfen.
Die Situation der Kurden im Irak ist eine weitaus schwierigere Frage, sie genießen nicht den Schutz einer Minderheit, den EU-Staaten solchen Volksgruppen gewähren würden, vielmehr bestehen ernste Zweifel daran, ob die Kurden irgendeinen Schutz durch Menschenrechte genießen. Es war schließlich die amtierende Bundesregierung, die aufgrund dieser Frage in den letzten Jahren die Lieferung von Kampf- und Transportpanzern in die Türkei nicht zugelassen hat.

Frage Wirtschaft

Lässt man die gravierenden Menschenrechtsverletzungen außer Acht, was für jemanden, der an die Werte Europas glaubt, schwer ist, dann sollte doch zumindest wie wirtschaftliche Lage der Türkei gegen einen Beitritt sprechen.
Ein Beitritt der Türkei zur EU kostet die Europäer nach Hochrechnungen jährlich bis zu 27,5 Mio. EURO, was das für Deutschland als größten Nettoeinzahler bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen.
Die Türkei mit ihren rund 80 Mio. Einwohnern und einer Wirtschaftskraft, die lediglich ein sechstel der deutschen beträgt würde der EU schwer im Magen liegen. Die Europäischen Staaten haben jetzt schon damit zu kämpfen ihre Haushalte aufzustellen, was durch die schwierige demografische Lage in den meisten Staaten nicht erleichtert wird, sondern in den kommenden Jahren noch wesentlich schwieriger wird.
Die EU-Osterweiterung hat schon aus wirtschaftlicher Sicht große Fragen aufgeworfen, jedoch haben diese Staaten in den letzten Jahren wirtschaftlich stark aufgeholt und können nun als Handelspartner auch ihren Beitrag zur EU leisten, was bei der Türkei schwer sein wird.
Wenn nicht einmal sicher ist, wie die Osterweiterung finanziell zu bewältigen sein wird, wie will man dann ein Land, wie die Türkei, wirtschaftlich erfolgreich in die EU integrieren.

Aufnehmen oder nicht?

Die Türkei ist noch weit davon entfernt Mitglied in der EU zu werden, aber auch noch nicht weit genug, dass ernsthafte Verhandlungen aufgenommen werden könnten.
Zumindest das Thema Menschenrechte muss endgültig geklärt werden und es darf nicht nur angegangen werden, weil die Aussicht auf eine Mitgliedschaft besteht, sondern weil das der Wille des Volkes und der Politik in der Türkei sein muss. In der Wirtschaft kann die EU zumindest Hilfe durch eine privilegierte Partnerschaft geben, aber Menschenrechte und gesellschaftliche Prozesse müssen und können nur durch die Türkei selber vorangetrieben werden und Menschenrechtsverletzungen dürfen nicht noch durch Aufnahmegespräche belohnt werden.