Politik

DIE ÜBER DEN TISCH ZIEHEN

Taschenspielereien zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Erinnern wir uns nicht noch alle lebhaft an die große Flut, die Deutschland und insbesondere die neuen Bundesländer im vergangenen Jahr heimsuchte? Sie überspülte entlang der Flußläufe die Städte und Gemeinden und trug auf ihren Wogen die gegenwärtige rot-grüne Bundesregierung in der Wählergunst um das entscheidende Quentchen nach oben.
Nun ist das Wasser längst wieder abgelaufen, und das Wasser steht uns im übertragenen Sinne in ganz Deutschland bis zum Hals. Jedenfalls mußte das Hochwasser als Begründung dafür herhalten, die dritte Stufe der Steuerreform zu vertagen, um eben die Folgen der Flut zumindest finanziell abfedern zu können.
Die Schäden welche die Flut hinterließ, erreichten in ihrer Höhe jedoch nicht das Ausmaß an Schäden, welche die Steuerreform letztendlich durch Einnahmeverluste für den Fiskus ausgemacht hätte. Insofern profitierte die rot-grüne Bundesregierung von der Flut nicht nur dadurch, daß sie im Wahlkampf 2002 das Blatt zu ihren Gunsten wenden konnte, sondern daß sie zudem noch zusätzlichen finanziellen Spielraum gewinnen konnte.

Wahre Falschmeldungen

Nachdem jedoch weder die Reform der Bundesanstalt für Arbeit noch die vielgepriesene Hartz-Reform, die ja bekanntlich eins zu eins umgesetzt werden sollte, den gewünschten Erfolg brachten, soll nun wieder die Steuerreform herhalten, den lang beschworenen Aufschwung in Deutschland einzuleiten.
Dabei ist gerade das Thema Steuerreform symptomatisch für das Handeln dieser Bundesregierung. Denn noch am 6. Juni dieses Jahres dementierte Bundeskanzler Gerhard Schröder ein Vorziehen der Steuerreform 2005 auf das Jahr 2004 mit den Worten "Das ist eine Falschmeldung." Nachdem sein Finanzminister Hans Eichel am 22. Februar 2003 bereits feststellte: "Es wird nichts vorgezogen. Dafür ist kein Geld da. Zusätzliche Ausgaben können wir uns nicht leisten."
Aber Not kennt bekanntlich kein Gebot. So lautete die Botschaft der Klausur des Bundeskabinetts auf dem brandenburgischen Schloß Neuhardenberg Ende Juni: Die beiden noch ausstehenden Steuerreformstufen sollen auf den 1. Januar 2004 vorgezogen werden. Mit einer um zehn Prozent sinkenden Einkommensteuerlast soll der Konsum in Deutschland kräftig angekurbelt werden. Über die notwendige Gegenfinanzierung ließ man die bundesdeutsche Öffentlichkeit jedoch weitestgehend im Dunkeln, mögliche Vorschläge solle doch bitte schön die Opposition einbringen.
Lediglich die bereits einmal zur Diskussion stehende Streichung der Eigenheimzulage sowie die Entfernungspauschale für Pendler wurden als mögliche Einsparungen zur Finanzierung der Steuerreform ins Feld geführt. Dabei schreckte die rot-grüne Bundesregierung nicht einmal davor zurück, die Entfernungspauschale als eine Steuersubvention zu bezeichnen. Gerade so, als ob diejenigen, welche gegebenenfalls nach einer Phase der Arbeitslosigkeit im Rahmen von Zumutbarkeitsregeln einen weiter entfernten Arbeitsplatz annehmen (müssen), sich auch noch des Vorwurfs der Erschleichung von Subventionen schuldig machen würden. Das auch noch aus dem Munde ausgerechnet derjenigen, die Jahr für Jahr mit der sogenannten Ökosteuer die Preise an den Zapfsäulen kontinuierlich in die Höhe getrieben haben.

Unsozial und grotesk

Konsequenterweise könnte man dann auch gleich alle beruflich bedingten Werbungskosten abhängig beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Disposition stellen. Die Streichung der Entfernungspauschale kostet einem durchschnittlichen Arbeitnehmer im Jahr rund vierhundert bis fünfhundert Euro, während ihm die vorgezogene Steuerreform monatlich eine Entlastung von zwanzig bis dreißig Euro verschafft.
Dabei soll er die einmalige um ein Jahr vorgezogene Entlastung, die ja bereits beschlossen wurde, mit der dauerhaften Preisgabe der Entfernungskostenpauschale honorieren. Hier wird der viel zitierte Otto Normalverbraucher in einer Art und Weise über den Tisch gezogen, indem man ihm das Geld mit der einen Hand gibt und mit beiden anderen wieder aus der Tasche zieht.