Satire

Nach dem Erdrutsch

Berlin, Kanzleramt. Die Spitze der Koalition, bestehend aus Schröder, Joschka Fischer, Müntefering, Trittin, Eichel und Clement, trifft sich, um die Folgen der Wahlen in Hessen und Niedersachsen zu analysieren. Die Stimmung ist - entgegen dem verheerenden Ergebnis - fröhlich und ausgelassen.

Schröder: ... und ihr faßt es nicht: Doris war ganz erschüttert, als sie die Wahlergebnisse hörte. Sie wollte mich sogar (prustet) . . . trösten!

Alle (lachen hemmungslos)

Trittin: Und das Schönste dabei: Während ihr verloren habt, haben wir gewonnen - und müssen doch nicht in die Regierung. Schade nur um die vielen schönen Posten.

Eichel (mit glänzenden Augen): Besser hätte es gar nicht laufen können. Wir sind im Bund noch 4 Jahre am Drücker und können die Initiativen der Opposition im Bundestag blockieren. Der Schwarze Peter wird letztlich immer bei den Schwarzen bleiben. Wo er ja auch hingehört.

Clement: Und wenn wir wirklich etwas durchsetzen wollen, verlangen wir das Gegenteil, und die Union bringt genau das in den Bundesrat ein, was wir wollen.

Fischer: Und danach ziehen wir eine tolle Show im Vermittlungsausschuß ab - und mit etwas Glück haben wir die gute Presse und die CDU die Wut der Bürger über die Belastungen.

Alle: Geil!

***

Berlin, Adenauerhaus. Zwei Straßen weiter. Die Spitzen der Union haben sich zu einer Krisensitzung nach dem katastrophalen Wahlsieg getroffen. Angela Merkel, Friedrich Merz, Roland Koch, Christian Wulff, Michael Glos und CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer blasen Trübsal.

Merkel: 16 Jahre und ein Spendenskandal hat es gebraucht, um die Macht ziemlich endgültig loszuwerden. Und jetzt haben wir sie wieder. Roland, sag was!

Koch: Es sah doch alles gar nicht so schlecht aus. Wir haben brutalstmäßig aufgeklärt (übertönt das allgemein einsetzende Husten), und daß die FDP unter 5% kommen würde, schien ausgemacht. Die Opposition war generalstabsmäßig geplant. Edmund hat mir viele gute Tips gegeben, wie man Wahlen in letzter Sekunde vergeigt. Es hat nur nicht geholfen.

Wulff: Und auch ich bin unschuldig! Noch zwei Wochen vor der Wahl hielten 46% der Wähler den Wulff für ein fast ausgestorbenes Raubtier. Wir haben gar nichts gemacht -

Glos: Eben. Um eine Wahl punktgenau zu verlieren, wie das Edmund hingekriegt hat, muß man etwas mehr als nichts tun. Schaut euch die SPD an: Sie haben nach der Wahl einen Bock nach dem anderen geschossen, Gabriel und Schröder haben sich gestritten wie die Kesselflicker, und jetzt sitzen wir hier mit der ganzen Verantwortung.

Allgemeines mißmutiges Schweigen.

Merz: Frust hilft nicht weiter. Wenn wir langfristig wieder Landtagswahlen verlieren wollen, müssen wir heute schon anfangen, den Wählern die Folterwerkzeuge zu zeigen.

Meyer: Und wenn die SPD uns überbietet ....?

***

Schröder: Die CDU könnte uns allerdings zuvorkommen und so harte Vorschläge machen, daß unsere Popularität wieder steigt. Um das größere Übel zu bleiben, müssen wir uns schon noch etwas anstrengen.

Eichel: Zur Not müssen wir die Union überbieten. Auf jeden Fall sollten wir aber schon einmal Vorschläge sammeln.

Müntefering: Ich hab' einen!

Alle: Du?

Müntefering: Ja! Wir verlängern die Metrorapid-Trasse durch alle Bundesländer auf einer so langen und ungeschickten Trasse, daß sie langsamer fährt als die Kölner Straßenbahn.

Eichel: Und wie soll das finanziert werden - ah, ich verstehe! Genial!

Schröder (etwas verdutzt): Könnte mir einer bitte euren geistigen Höhenflug erklären?

Eichel: Die Sache ist doch ganz klar! Wir erhöhen die Ökosteuer -

Fischer/Trittin: Cool!

Eichel: -, und wir haben nicht nur die Autofahrer, sondern auch die Metrorapidfahrer gegen uns aufgebracht.

Clement: Die Idee ist zwar sehr schlecht, aber trotzdem nicht von mir. Gratulation. Nur - die CDU könnte ja plötzlich verlangen, den Metrorapid an die Transsibirische Eisenbahn anzuschließen. Oder sie könnte verlangen, die Krankenkassenbeiträge drastisch zu erhöhen. Dies hätte einige Vorteile: Die Leute wären aufgebracht, . . .

***

Glos: . . . und wir könnten die daniederliegende Pharmaindustrie und die darbenden Zahnärzte aufpäppeln.

Koch: Und die Zahnärzte werden uns zwar wählen, aber die Patienten sind in der Mehrheit.

Wulff: Am Ende werden sich eine Zahnarztbehandlung nur noch Zahnärzte leisten können.

Merkel: Und Politiker, bitteschön! Wir brauchen eine Sonderregelung im Gesetz.

Meyer: Aber trotzdem bleibt das Problem, daß die SPD uns mit irgendeiner verrückten Idee übertrumpft, so wie sie es in den letzten Wochen praktiziert hat. Nehmen wir nur den Metrorapid -

Merz: Au weia. Da tun sich Abgründe auf!

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Fischer: Also: Wir müssen sicherstellen, daß wir der Union immer einen Schritt voraus sind.

Clement: Wie denn? Ich sehe da keine Chance. Allerdings habe ich eine andere Idee: Wir sollten uns mit Grausamkeiten überbieten, und zwar ganz offiziell.

Schröder: Häää?

Clement: Wir machen unseren Wonneproppen Thierse zum Kahlschlag-Auktionator und den Reichstag zum Auktionshaus. Wir bieten ganz offen gegen die Union. Dann wollen wir doch mal sehen, wer sich in offener Feldschlacht unbeliebter machen kann!

Schröder: Die Idee ist gar nicht übel ... mal sehen, was denn Frau Merkel davon hält ...

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Merkel: ..., nur schade, daß wir nicht den Auktionator stellen. Ich rufe mal den Kanzler an, damit er Farbe bekennt. (Greift zum Telefon und wählt) Seltsam ...

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Schröder: ... besetzt.

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Drei Wochen später im Bundestag. Die Auktion der Grausamkeiten ist vollen Gange.

Thierse: Und als nächstes habe ich hier eine noch relativ neue Ökosteuer, zuletzt erhöht am 1. Januar 2003. Das Mindestgebot für die Erhöhung beträgt 10%. Wer bietet mehr?

Müntefering: 11%!

Merkel (leise zu Merz): Dieser Anfänger! (laut) Wir bieten 20% und den Anschluß des Metrorapid an die Transsibirische Eisenbahn dazu!

Trittin: 50% und Benzin nur noch auf Rationierungsschein!

Thierse: 50% zum ersten, 50% zum zweiten - und zum dritten. Die Ökograusamkeit geht an Trittin. So ... (kramt auf seinem Tisch) ... als nächstes haben wir hier eine vom vielen Dementieren schon etwas abgenutzte Mehrwertsteuererhöhung ...

Drei Stunden später. Deutschland ist nicht wiederzuerkennen. Thierse kommt zur letzten Grausamkeit, eine wahre Kuriosität.

Thierse: Und hier biete ich ihnen eine Grausamkeit im Doppelpack, die nur schwer zu überbieten ist. Man nennt sie auch "die rechte und die linke Hand des Teufels". Mit ihnen kann sich keine Partei mehr sehen lassen. Wer bietet 18% für Jürgen W. Möllemann und Oskar Lafontaine?

Bleierne Stille.