Küchenmeister Schmalhans

Sparszenen im Kanzleramt

Kabinettssitzung. Bundeskanzler Schröder, Finanzminister Eichel, Außenminister Fischer sowie der ganze unwichtige, austauschbare Rest des Kabinetts versuchen verzweifelt, die plötzlich am Tag nach der Bundestagswahl aufgetretenen Haushaltslöcher zu stopfen.

Schröder (die lauten Buh-Rufe der Tausenden von Demonstranten vor dem Kanzleramt mühsam übertönend): Gut, ich habe vor der Wahl gesagt, daß nur das Wahlergebnis selbst wichtig ist. Aber die Hessen-Wahl steht vor der Tür, und meine Popularität ist unter der von Jürgen W. Möllemann angelangt. Hans, wir brauchen Geld.

Eichel: Aber wenn wir die Steuern erhöhen, werden wir noch unbeliebter.

Fischer: Immerhin fallen mir zwei Regierungen ein, die noch unbeliebter sind: die irakische und die amerikanische.

Trittin: Da bin ich anderer Meinung: Saddam Hussein hat gerade 100% der Stimmen bekommen -

Fischer: Das war doch getürkt!

Trittin: ... und wir sollten uns an ihm ein Vorbild nehmen. Er hat auch keine Probleme mit der Opposition. Bewundernswert.

Justizministerin Zypries: Die ganze Opposition einsperren? Da habe ich aber verfassungsrechtliche Bedenken, abgesehen davon, daß Angela Merkel und ich beim selben Friseur sind.

Trittin (gelangweilt): Man sieht's.

Eichel (zückt Taschenrechner): Mal abgesehen davon, daß auch nur 1000 zusätzliche Gefangene uns - äh - 100.000 Euro pro Tag, das macht 36,5 Millionen Euro im Jahr kosten.

Schröder: Also an sich ne gute Idee, aber ich hatte nicht um Haushaltslöcher gebeten, sondern um frisches Geld! (Knallt mit der ruhigen Hand auf den Tisch) Laßt euch was einfallen, was, ist mir egal, und wenn ich wiederkomme, will ich Ergebnisse sehen! (Verläßt den Raum, leise zu sich) Gerhard, das war ein starker Abgang!

Einige Tage später. Schröder kehrt von einem Staatsbesuch aus den USA zurück. Kurz vor der Landung zieht er sich sein Büßerhemd aus, kühlt das blaue Auge, mit dem er davongekommen ist, mit einem gut abgehangenen Schnitzel und bürstet sich die Asche vom Haupt.

Schröder (zu sich selbst): Wie bringe ich dem Eichel das mit dem deutschen Flugzeugträger bei? Die "Willy Brandt" wird so viel kosten wie der letzte Besuch von Doris beim Zahnarzt. (lacht köstlich über seinen eigenen Witz, bevor mit einem Klatschen sein Kopf zur Seite fliegt. Ein Luftwaffenmajor reicht dem Kanzler wortlos ein Schnitzel für das zweite blaue Auge; die Kanzlergattin verläßt wutschnaubend das Kanzlerbüro des Luftwaffenairbus)

Nach der Ankunft sinkt das Kanzlerehepaar todmüde in das bereitstehende Auto, von dem der Kanzler durch seine geschwollenen Augen nicht bemerkt, daß es sich nicht um den gewohnten VW Phaeton handelt.

Schröder: Seltsam - der Fahrkomfort läßt etwas zu wünschen übrig. (rümpft die Nase) Noch seltsamer, daß es mitten in der Großstadt nach Künast und Bioschweinen riecht! (Macht sich gedanklich eine Notiz, den Fahrzeugwart am nächsten Tag zum Scharping zu machen, und geht mit seiner Ehefrau nach der Ankunft ziemlich entnervt in den Kanzler-Privatgemächern zu Bett.

Am nächsten Morgen. Schröder hört beim Aufwachen aus dem Nebel des Schlafes eine ihm unbekannte Stimme.

Fremdenführer: - wurde diese Kanzlerwohnung nach den Vorstellungen des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl entworfen und verwirklicht. Die monumentale prästrukturalistische Architektur ist in ihrer Wucht und Eleganz nicht jedermanns Sache, auch nicht die des derzeitigen Bundeskanzlers Gerhard Schröder, den Sie dort mit seiner Frau im Bett sehen.

Schröder (reißt die Augen auf und blickt entsetzt in die neugierigen Augen von 20 Touristen aus aller Welt)

Doris (verkriecht sich wiehernd unter der Bettdecke)

Fremdenführer: Dieses Haarersatzstück, das Sie dort an einem Haken hängen sehen, im deutschen Volksmund auch "Mützchen" genannt, war bereits Objekt zahlreicher Gerichtsprozesse. (Anwesende Japaner verursachen ein Blitzlichtgewitter)

Schröder (mit maximaler Lautstärke, einen Rest Würde bewahrend, ein Bettuch um die Hüfte windend): RAUUUUUUUUUUUUS!!!

Besucher (ungerührt): Na das ist ja'n Ding! Der ist ja viel kleiner als im Fernsehen! Und den hab ich gewählt!

Zweiter Besucher: Kann ich haben ein Autoglamm?

Dritter Besucher: Ich finde, er sollte etwas toleranter sein. Schließlich füllen wir ihm die Staatskasse.

Vierter Besucher: Immer dasselbe: Kaum sind sie gewählt, glauben die Herren Politiker, sie könnten sich alles herausnehmen. (Zündet sich eine von Schröders Cohiba-Zigarren an, die am Eingang als Willkommensgeschenk verteilt wurden, und verläßt mit den anderen schmollend den Raum.)

Schröder (verdattert): Was war denn das? Ich kam mir vor wie ein Affe im Zoo und ein Pferd auf der Weide! (weicht dem tieffliegenden Pantoffel geübt aus. Schaut überrascht aus dem großen Panoramafenster) Was ist denn da draußen los?

Doris (tritt neben ihn): Na was schon. Ein Trödelmarkt. Wir sind in Berlin, mein Schlaffi, Kreuzberg ist nicht weit.

Schröder: Aber doch nicht in meinem Garten! Was sollen da die Nachbarn denken! (Beobachtet mit wachsendem Entsetzen einen Grenzschutzbeamten, der lautstark die letzten Krawatten des Kaschmir-Kanzlers feilbietet.)

Schröder: Ich glaub's einfach nicht. Doris, zieh dich an und schau mal an, was da los ist.

Doris (eingeschnappt): Kommandier nicht so rum! Wo ist das Wort mit doppel-"t"?

Schröder: Flott, flott!

Doris (zieht wutschnaubend ab)

Zehn Minuten später. Doris kommt zurück, in der Hand ein dickes Heft.

Schröder: Also, was ist los?

Doris: Tatsächlich ein Trödelmarkt. Stell dir vor, die verkaufen unser Zeugs! Hier, mein Tagebuch konnte ich gerade noch vor einem Reporter der Bild-Zeitung für teures Geld auslösen!

Schröder: Und was soll das?

Doris: Nun, es heißt, du selbst hättest Hans Eichel für die Geldbeschaffung freie Hand gelassen.

Schröder (gibt seine berühmte Ampeleinlage Rot-Gelb-Grün in schneller Gesichtsfarbfolge, greift zum Haustelefon und brüllt nach seinem persönlichen Referenten) Bringt mir den sparsamen Hans, tot oder lebendig, flambiert oder heil! Es ist mir egal, was ihr dafür tun mußt, brandschatzen oder morden, nur schafft ihn her!

Gesprächspartner legt auf. Schröder läßt sich erschöpft und entnervt auf einen Sessel fallen und springt mit einem Urschrei wieder auf. Aus der Sitzfläche ragt ein fingerlanger Stahldorn. Erst jetzt bemerkt der Kanzler eine rote Aufschrift "Vorsicht! Erst zahlen, dann setzen!" und einen Münzeinwurf, der nur Zwei-Euro-Stücke akzeptiert. Schröder wirft den verlangten Betrag ein und beobachtet mißtrauisch, wie der Dorn verschwindet.

Doris (torkelt vollkommen eingeseift und halbblind aus dem Bad): Gerd, hast du noch Kleingeld für die Dusche? Wie konntest du diesem @+*#'0&$! -Eichel nur freie Hand geben?

Nach raschem, teuren Ankleiden (25 Euro) macht sich der Bundeskanzler auf den Weg in sein Büro. An den Wänden sind die Gemälde zugunsten von Sponsorenaufdrucken verschwunden.

Schröder (murmelt): Na ja, vielleicht gar nicht so schlecht im Vergleich mit diesem modernen Zeugs ... Hab ich eh nie kapiert ... (liest eine Werbung) "Für die einen ist es der Phaeton, für die anderen der längste Bora der Welt" - oh Mann, zu meiner Zeit als Aufsichtsrat hatten die Jungs irgendwie zündendere Ideen ...

Nach einer Aufzugfahrt (15 Euro) steuert der Kanzler sein Arbeitszimmer an. Vor der Tür bleibt er betroffen stehen.

Schröder: "W.C."! Die haben es doch wohl nicht etwa gewagt, hier einen Lokus einzubauen ... ! (Reißt die Tür auf und erstarrt) Wolfgang! Was machst du denn hier?

Superminister Clement: Ich spare. Es wäre sehr unwirtschaftlich gewesen, dieses fußballfeldgroße Zimmer leer stehen zu lassen. Klimaanlage, Heizung, Raumpflege, du weißt schon. Also bin ich umgezogen.

Schröder: Und dein eigenes Zimmer?

Clement: War zu klein für einen Superminister. Klar ist es lästig, bei den Führungen alle Viertelstunde fotografiert und gefüttert zu werden, aber man gewöhnt sich dran.

Schröder (kollert): Soll das etwa heißen, daß du hier bleiben willst?

Clement (überrascht): Selbstverständlich. Wir machen eine Bürogemeinschaft. (Mit leichter Selbstironie) Zu meinen Initialen können wir dann ja eine Doppel-Null anbringen.

Schröder: Das ist doch wohl nicht zu fassen! Ich bin der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland -

Clement: Und ich der Superminister der Bundesrepublik Deutschland. Frag mal die Leute, wer wichtiger ist. Die Touristen sind jedenfalls sehr erfreut, wenn sie mich sehen. Wenn ich nicht mehr super bin, bist du nicht mehr Kanzler. Also reg' dich ab.

Schröder: Ich werde dieses Land nicht in Bürogemeinschaft mit einem Minister von meinen Gnaden regieren! Wo bleibt Hans? Ich habe mit ihm ein Hühnchen - ah, da ist er ja. (Gefährlich freundlich) Hans, das sind ja erstaunliche Neuerungen, die du hier eingeführt hast.

Eichel: Nicht ich. Wir können hier gar nichts mehr entscheiden.

Schröder: Wer denn dann?

Eichel: Wir haben das Kanzleramt verkauft und zurückgemietet.

Schröder: Wie bitte? Ich bin nicht mehr Herr im eigenen Haus?

Eichel: Beruhige dich. Der Käufer ist ein ganz seriöser Kaufmann. Aber wir mußten ihm natürlich entgegenkommen, damit sich die Sache für ihn rechnet.

Schröder: Und wer ist der Kerl?

Clement: Ein Prachtbursche, erfahrener Makler, mit einer starken, kompetenten Bank im Rücken -

Schröder: Doch nicht Jürgen Schneider?

Clement (empört): Wo denkst du hin. Nein, ich kenne ihn gut; er ist zufällig einer meiner Schwiegersöhne und wird unterstützt von der WestLB.

Schröder: Egal, wie seriös er ist: Ich will hier ungestört arbeiten -

Eichel (unterbricht): Gerhard, sag uns lieber mal, was die Amis von uns wollen. Ich hoffe, es wird nicht zu teuer.

Schröder (plötzlich sehr verlegen): Äh, ja, also - also auf jeden Fall schafft er Arbeitsplätze.

Eichel (alarmiert): Wer?

Schröder: Die "Willy Brandt", unser neuer Flugzeugträger. (Eichel wird bleich) Wirklich, Hans, 11 Milliarden sind dafür heutzutage geschenkt -

Fremdenführer (mit der nächsten Gruppe): Und in diesem Zimmer wird die Republik regiert. Auf dem Schreibtisch sind unschwer Fotografien der fünf Töchter des Superministers Wolfgang Clement zu erkennen. - Bitte stehenlassen! - Der Boden wird von einen erlesenen Perserteppich bedeckt, dessen raffinierte Muster gerade vom Finanzminister verdeckt werden, der aufgrund neuer Haushaltslöcher von einer Ohnmacht ereilt wurde. Im Hintergrund sehen Sie eine deutsche Fahne und daneben das Vereinswimpel des TuS Talle, wo unser Bundeskanzler früher Fußball spielte. Beachten Sie die raffinierte Beleuchtung ... (Stimme wird wegen Satire-Ende immer leiser)

G.D./M.P./MiWi