Politik

Kooperation von Jugendhilfe und Schule nach PISA

Handlungsperspektiven in der Kommune

34. Jugendhilfetagung des Erzbistums Köln, Abteilung Jugendseelsorge in Zusammenarbeit mit dem Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e. V. und dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend am 4. Juni 2002 im Maternushaus Köln

Die alljährliche Jugendhilfetagung der Abteilung Jugendseelsorge des Erzbistums Köln stellt aufgrund ihrer stets aktuellen Themen und der durchweg ebenso kompetenten wie hochkarätigen Referenten schon längst eine Art Pflichtveranstaltung dar, die dementsprechend ihr festes Publikum findet. Dieses Publikum setzt sich im wesentlichen aus Vorsitzenden und Mitgliedern in Jugendhilfeausschüssen, politisch Verantwortlichen sowie leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der freien und öffentlichen Jugendhilfe zusammen.
Dabei bedient man sich auch gerne unterschiedlicher Veranstaltungsformen, von reinen Vorträgen über Diskussionen bis hin zur Aufteilung der Tagungsteilnehmer auf verschiedenen Foren oder Arbeitskreise, wozu das Maternushaus mit seinen räumlichen Möglichkeiten und einem angenehmen Ambiente einen hervorragenden Tagungsort abgibt.
In diesem Jahr entschied man sich, das gewählte Thema auf der Bühne im Rahmen einer Talkshow abzuhandeln, wozu die jeweiligen Referenten von einem Moderator an Stehtische gebeten wurden. Die professionelle Moderation lag in der Hand des WDR-Journalisten Andreas Vollmert, der dieser Aufgabe in einem auf jugendlich gestylten Outfit sehr gut gerecht wurde.
Zunächst wurden die Teilnehmer mit einem kurzen Ausschnitt aus dem Film "Die Feuerzangenbowle" mit Heinz Rühmann und einer kurzen Begrüßung durch den Diözesanjugendseelsorger Pfarrer Ulrich Hennes auf das Thema eingestimmt. Danach fasste Prof. Dr. Wolfgang Gernert, inzwischen im Ruhestand befindlicher ehemaliger Leiter des Jugendamtes Westfalen-Lippe, das Ergebnis der viel zitierten PISA-Studie zusammen. PISA (Programme for International Student Assessment) steht für den bislang weltweit größten Schulleistungstest, in dem zweiunddreißig Industrienationen miteinander verglichen wurden.

Einbeziehung von Jugendhilfe in Schulbetrieb?

Über das mäßige Abschneiden der Bundesrepublik Deutschland (Rang 21 bis 25) ist seit dem sehr viel berichtet und geredet worden. Sofort wurde der Ruf nach entsprechenden Konsequenzen und grundlegenden Reformen laut. Spätestens nach den Vorfällen von Erfurt wurde zudem nicht nur die offensichtlichen Defizite in der schulischen Wissensvermittlung, sondern vielmehr die gesamte Erziehung und Wertevermittlung in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert.
Erklärtes Ziel der Jugendhilfetagung war es dann auch, mögliche Handlungsperspektiven in der Kommune aufzuzeigen. Ein schwieriges Unterfangen, zumal in Zeiten, wo Städte und Kommunen kaum noch über einen finanziellen Handlungsspielraum verfügen. Inwiefern heute bereits eine Kooperation von Jugendhilfe und Schule erfolgt, wurde anhand beispielhafter Projekte und Maßnahmen aus der Region erläutert.
Unter der Überschrift "Talk & more" stellten jeweils vor Ort verantwortliche Akteure ihre Kooperationsmodelle vor. Dabei sprachen sich nahezu alle Teilnehmer auf dem Podium für die weitere Einbeziehung von Jugendhilfe in den Schulbetrieb aus.
Schließlich war die Diskussion so weit, das man das Heil letztendlich nur in einer Schule mit Ganztagsbetreuung zu sehen schien. Dem widersprach nur einer der geladenen Referenten, P. Friedhelm Knapp von der Katholischen Studierenden Jugend (KSJ), Region Bonn. Er stellte schlicht die Forderung auf, Schule nicht zu verlängern, sondern zu qualifizieren, was unter anderem den Einsatz von mehr Lehrern erfordere.

Verlängerung des Problems auf den Nachmittag

Damit schien er dann auch die Ansichten vieler Zuhörer im Plenum zu treffen. Denn bei der Auswertung von schriftlichen Meinungsbekundungen, die während der gesamten Veranstaltung über eingesammelt wurden, überwogen die Ansichten, die sich gegen eine vereinnahmende Institutionalisierung der Jugendhilfe durch die Schule aussprachen. Darunter waren dann auch durchaus provokante und pointierte Äußerungen, wie etwa die, was eine Ganztagsschule wohl brächte, wenn das Dilemma des Vormittags nur auf den Nachmittag ausgedehnt würde.
Als wesentliche Bedenken sah man das Schwinden von Freiwilligkeit und Pluralität an, wenn die Schule letztendlich die ganze Verantwortung an sich reißen würde. Mittel- bis langfristig würden das die Schüler auch als Zwang ansehen und die Akzeptanz drohe dadurch verloren zu gegen. Zweifellos bildet die Schule eine wichtige Schnittstelle zur Jugendhilfe, deren Nutzung auch niemand ernsthaft in Abrede stellte.
Jedoch würde die Mitwirkung von Vereinen, Kirchen und Trägern an den Schulen über ein gewisses Maß hinaus die Jugendhilfelandschaft grundlegend verändern, wo andererseits durch die Einführung der sozialraumorientierten Steuerung gerade diesen Einrichtungen künftig ein mehr an Verantwortung und Selbständigkeit eingeräumt werden soll.

Versagen der Eltern belohnen?

Schließlich würde die Politik mit der Einführung von schulischen Ganztagesangeboten vor allen Dingen das Versagen der Eltern honorieren, die ihrer Verantwortung gegenüber ihren Kindern schon lange nicht mehr gerecht werden. Die Ursachen würden nicht an der Wurzel angegangen, sondern die Schule dürfte sich künftig voll und ganz als Zielscheibe von Hohn und Spott ansehen, wenn es denn nicht nur an der Wissensvermittlung, sondern auch an der Erziehung mangele.
Um dies letztendlich auch finanzieren zu können, würde man zudem die eigentlich für die freie und öffentliche Jugendhilfe vorgesehenen Gelder mit dem Verweis, Jugendarbeit und Jugendhilfe fände ja nunmehr nur noch dort statt, in den schulischen Bereich umschichten.
Dabei erfordert sowohl Jugend als auch Schule künftig nicht eine Bündelung, sondern ein Mehr an finanziellen Aufwendungen. Bei der Bewertung der Rolle, die Schule künftig in unserer Gesellschaft einnehmen soll, darf ebenso nicht vergessen werden, das es noch Raum dafür geben muß, wo Kinder eben Kinder sein dürfen. Nicht zuletzt bei ihren Eltern.