Politik

Hauptsache, irgendwie dagegen!

Alle Jahre wieder: Uni-"Streik" in Wuppertal

Ach, wie aufregend doch das Studentenleben sein kann! Es ist Mai und somit allerorten die Zeit, um zu streiken; das dachten sich wohl auch die ewigen Berufsstudenten von der AStA der Bergischen Universität Wuppertal. Offizieller Aufhänger war dabei die geplante Einführung von Studiengebühren im Land Nordrhein-Westfalen. Was allerdings praktisch dabei herauskam, endete wie gewohnt mit chaotisch-linkem Aktionismus à la "Hauptsache, irgendwie dagegen - und das möglichst spektakulär!".

SPD enttäuscht Linke

Wurde sich jahrelang über die armen Schweine in Süddeutschland kaputtgelacht, die an den dortigen Hochschulen bereits Gebühren abdrücken müssen, so war man natürlich entsprechend sauer, daß man plötzlich unter einer sozialdemokratisch geführten Landes- bzw. Bundesregierung ebenfalls zur Kasse gebeten werden soll. So hatte man sich das Schröder-Paradies auf Erden dann doch nicht vorgestellt. Der "Dicke" ist nun zwar weg, damit aber auch die Zeiten, in denen einige Neunmalkluge lustig Semester für Semester vor sich hinschieben können, ohne irgendetwas Konkretes in ihrer Studentenkarriere zu erreichen.

Konfuse Streikpläne

Das Unheil nahm bereits am Donnerstag, 23. Mai seinen Lauf, als rund 1000 Studenten unter Aufstachelung und polemischer Desinformation seitens des AstA (jene Leute, die statt der korrekten Bezeichnung "Bergische Universität Wuppertal" den selbst gewählten Namen "Friedrich-Engels-Gesamthochschule" bevorzugen) in der Hauptmensa den Streik "beschlossen". Die Versammlung, welche übrigens in bester Partystimmung verlief, hinterließ; nicht nur einen diffusen Beschluß (Dichtmachen des gesamten Uni-Komplexes vom 24. bis zum 31. Mai), sondern in ganz und gar unsolidarischer Weise Unmengen an Bierdosen und sonstigem Müll, den die wahrlich zu bemitleidenden Putzfrauen den Herr- und Damenschaften "StudentInnen" hinterherr&quml;umen durften. Klasse!

Bloße Stimmungsmache

Im Vorfeld verteilten AstA und andere linke Hochschulgruppen seit Wochen Flugblätter, in denen mit "1350 Euro Gebühren pro Semester" geschockt werden sollte; auf der Rückseite des Papiers war jedoch die Sprache von bis zu 600 Euro pro Semester plus nochmals 50 Euro - macht nach meinem Rechenverständnis maximal 650 Euro und nicht 1350; derartige Verwirrungen sind wohl das Ergebnis der Tatsache, daß einige selbsternannte Streiter der sozialen Gerechtigkeit seit mehreren Semestern keinen Hörsaal mehr von innen gesehen haben! Nebenbei: Überhaupt gestaltet sich die Politik der Studentenvertretungen an der Uni Wuppertal als sehr effektiv und realitätsnah: Klosprüche wie "Freiheit für Kurdistan", "Nazis raus", "Moslemschweine raus" oder "Scheiß RCDS" und das nur aus linken Gruppen bestehende Studentenparlament (StuPa) mit tollen Bildungsforderungen wie "Stoppt den Krieg in Afghanistan!" lassen jeden halbwegs vernünftigen, ernsthaft motivierten Studenten zur Einsicht gelangen, sein Studium so schnell wie möglich abzuschließen, um von derartigem Kindergartenquatsch auf Dauer verschont zu werden!

Extreme politische Ideologien

Wer sich in Wuppertal offen zur Mitgliedschaft in kirchlichen Studentenverbindungen oder auch dem RCDS (die Hochschulverbindung der CDU/CSU) bekennt, muß fast schon Angst um seine Gesundheit haben. Auf der anderen Seite findet man wiederum das Extrem der (rechts-) konservativen Wuppertaler Burschenschaft "Unitas", die für viele angehende Akademiker auch nicht gerade einladend wirkt. Die im Zuge der Vollversammlung hervorgebrachte Forderung eines radikalen Atomkraftgegners, sogar die Autobahnabfahrten im Bereich der Wuppertaler A46 zu blockieren fand übrigens doch tatsächlich keine Mehrheit. "Klar", denk' ich mir, "setzt du dich mal morgens um 5 auf die Autobahn, Ist nur eine Frage der Zeit, bis dich ein übermüdeter Lkw-Fahrer aus der Ukraine zu Brei fährt ...". "Wie ging's weiter?" Auf meinem Stundenplan stand für den darauffolgenden Freitag bzw. Samstag ein Blockseminar meines Hauptfaches Psychologie, an welchem ich unbedingt teilnehmen wollte und welches mir zudem einen Schein für das Hauptstudium einbringen sollte. Als ich nach meinem Anreiseweg aus dem fernen Leverkusen unsere Uni-"Burg" auf dem Elberfelder Grifflenberg erreichte, machte ich schon gar nicht den Versuch, meinen Wagen in einem der Parkhäuser abzustellen, da deren Einfahrten natürlich auch mit einer Blockierung durch den Pöbel bedacht worden waren. Am Eingang zum Gebäude meines Fachbereiches erläuterte mir dann eine ca. 19jährige Studentin im 1. Semester SoWi (wie süß!), warum ich nicht zu meiner Veranstaltung "dürfte" (!) und daß heute eh nichts stattfinden würde, was eine glatte Lüge darstellte! Schließlich hatte der Dozent meines Seminars extra den weiten Weg aus Bielefeld auf sich genommen, um seine Veranstaltung durchzuziehen. So kämpfte ich mich immer weiter durch die mich "belehrende" Meute durch, um vor einem quergestellten Tisch stehen zu bleiben, der nicht nur den Eingangsbereich, sondern zugleich den Fluchtweg dieses Gebäudes blockierte. Meine Aussage, daß es sich hierbei um den Tatbestand der Nötigung handelte, wurde mit konfusen Beschimpfungen und dem Festhalten meiner Arme quittiert. Besonders hervor tat sich eine Mitstudentin aus meinem Semester, die bis heute noch nicht ihre Vordiplomsprüfungen abgelegt hat. "Du stehst hier genau richtig!" kommt es mir in den Kopf. Schließlich wurde irgendwas von "Passierscheinen" gefaselt. Das war zuviel! Am besten kriege ich jetzt noch ein Kainsmal auf mein Hemd gepappt, oder wie? Ein solches Verhalten kennt man nur aus Diktaruren, wo eine radikale Minderheit der Mehrheit ihren Willen aufzwingen will. Meine "Passierberechtigung" bestand letztlich aus einer KörpergröS&zlig;e von 1,83 m sowie einem Lebendgewicht von 86 Kilo! Damit war für mich jegliches postpubertäre, sozial-faschistoide Gelaber beendet und ich konnte mit physischen Einsatz mein Recht auf Bildung endlich durchsetzen. Anfeindungen übelster Art waren die Folge. Die "Streiker" ärgerten sich, daß sie nicht noch Gegenstände zur Hand hatten, um die Form meines Schädels zu korrigieren. Ebenfalls außer Kraft gesetzt hatten die Weltverbesserer sämtliche Aufzüge; wie nun Gehbehinderte beispielweise ins Prüfungsamt gelangen sollten, darüber hat sich also niemand Gedanken gemacht.

Streik = Faullenzen?

Auf Ebene 12 zu Fuß angekommen, wunderte sich zunächst einmal eine Sekretärin (die sich wie die Professoren innerlich wohl über die gesamte "Streik"-Aktion freute, da nun eine Woche Ferien angesagt waren), wie ich denn überhaupt in den vollends studentenleeren Trakt gelangt sei. Erneut führte ich mein Recht auf Bildung an, wovon diese Trottel da unten, die man seltsamerweise im Studienalltag noch nie gesehen hatte, vielleicht auch mal konkret Gebrauch machen sollten, anstatt einen derartigen Firlefanz aufzuführen. Als Dank wurde ich als "unsolidarisch" bezeichnet; in die gleiche Kerbe schlug eine ältere Seminarorganisatorin, die im Berlin der 70er studiert hatte und mich süffisant fragte, wie ich mich denn als "Streikbrecher" so fühlen würde - F... you!

Falsche Mittel

Unsere Veranstaltung konnte schließlich dank einer Außenstelle der Uni in der Wuppertaler Innenstadt vollzogen werden, da sowohl der Dozent wie auch meine Psychologie-Studienkollegen ebenso beherzt Charakter zeigten! Das ganze Theater bzw. die Art der Umsetzung der Forderung, die Finger von Studiengebühren zu lassen, war im Ansatz gut gedacht, aber schlecht gemacht. Vielmehr leistet man sämtlichen Vorurteilen Hilfestellung: "Studenten machen doch eh schon nix! Und jetzt streiken die auch noch, unglaublich!". Uni-Rektor Volker Ronge hatte streikbedingt nun ein paar Tage mehr (Frei)zeit, um mit dem Expertenrat über die weitere Beschneidung des Bildungsangebotes an der Universität Wuppertal zu beraten " ein Erfolg auf ganzer Linie also!

Oliver Dahm