Politik

AUF DER ANDEREN SEITE DES BAHNDAMMS

Welche Blüten die Bahnreform mitunter so treibt

Normalerweise verbindet man mit dem Unternehmen Deutsche Bahn AG die Abwicklung von Personen- und Güterverkehr auf den bundesdeutschen Schienennetz. Wenn irgend möglich, sogar fahrplanmäßig. Aber als Kunde der Bahn ist man es ohnehin gewohnt, seine Ansprüche nicht allzusehr in die Höhe zu schrauben. Auf dem Weg zum börsennotierten Unternehmen, der mit der Bahnreform am 1. Januar 1994 eingeschlagen wurde, änderte sich für den Fahrgast und die bei der ehemals Deutschen Bundesbahn beschäftigten Eisenbahner so einiges.
Ab sofort war mehr der betriebswirtschaftliche als der eisenbahnspezifische Sachverstand gefragt. Vielleicht ist dies eine der Ursachen, weshalb die Bahn von diesem Zeitpunkt vermehrt in die Schlagzeilen geriet, wobei diese Schlagzeilen allerdings überwiegend negativ waren.
Zudem war es der Bahn AG fortan möglich, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Also auch mit solchen Geschäftsfeldern, die eben ganz und gar nichts mit dem Schienenverkehr zu tun haben - Hauptsache, es kommt dabei Geld am Ende heraus. Soweit, so schlecht.

Behinderung der Konkurrenz

Anstatt sich um den Ausbau von Schienverkehrsleistungen zu bemühen und unrentable Angebote so zu gestalten, daß sich diese vielleicht unter Umständen rechnen könnten, zog man sich gerade in der Fläche lieber ganz zurück. Dort überließ man das Geschäft nur zu gerne den neuen kleinen Eisenbahngesellschaften, welche sich mit der Liberalisierung des Schienenverkehrs auf dem Markt tummeln. Sobald sich diese Gesellschaften jedoch anschickten, ihre Züge auch auf den Hauptabfuhrstrecken über weite Entfernungen beziehungsweise in den Ballungsgebieten auf die Gleise zu setzen, hörte bei den Verantwortlichen der Spaß auf. Um die unliebsame Konkurrenz zu blockieren, wird nicht mehr benötigtes Fahrzeugmaterial lieber unter nahezu konspirativen Umständen zerlegt oder vorhandene Infrastruktur gezielt vernichtet. Verwertung durch Verkauf und damit die weitere Nutzung soll unter allen Umständen verhindert werden.

Vernichtete Steuermillionen

Dabei spielt keine Rolle, dass es sich bei den dabei vernichteten Werten um Vermögen handelt, was in früheren Jahren vom Steuerzahler in nicht unerheblichem Umfang mitfinanziert wurde.
Gewissermaßen betreibt die Deutsche Bahn AG das, was man unter einer Politik der verbrannten Erde versteht. Dies wird zwar energisch bestritten, ist aber anhand von vielen Beispielen belegbar. Man werfe nur einmal einen Blick in die einschlägige Fachpresse. Das harte Brot des täglichen Geschäfts auf dem Gebiet des Schienenverkehrs läßt in der Tat den Spaßfaktor für die Bahn AG denkbar gering ausfallen. Sieht man sich doch ständig der Kritik der Fahrgäste, der Medien und auch der Politik ausgesetzt. Da kann einem wirklich jeglicher Spaß an der Freud? vergehen.
So gesehen erscheint es nur zu verständlich, dass man sich dann lieber anderen Geschäftsfeldern zuwendet und mit Dienstleistungen anderer Art sein Glück versucht. Vielleicht kann man ja so eine andere Klientel glücklich und zufriedenstellen, wenn dies schon nicht auf der Schiene gelingen möchte. Ein solches Versuchsfeld hat die Deutsche Bahn AG nunmehr im Bereich der ehemaligen Güterabfertigung in Opladen gefunden, die dort unmittelbar an den Personenbahnhof angrenzt.

Events und Überlebenskampf

So ist in dem Hallenkomplex, wo ehemals Express- und Stückgut umgeschlagen wurde, künftig Party angesagt. Unmittelbar gegenüber, auf der anderen Seite des Bahndamms, kämpft derweil das Ausbesserungswerk der Bahn AG um sein Überleben. Hier zieht sich die Bahn zurück und gibt bis zum Jahr 2003 die schwere Instandsetzung von Triebfahrzeugen auf.
Findet sich hierfür kein Investor mit einem tragfähigen Konzept, bieten die dortigen Fahrzeughallen demnächst dann noch einen weitaus größeren Rahmen für Feten und Events, als dies zur Zeit in der alten Güterhalle möglich ist.
Aber zunächst einmal beschränkt sich der Geschäftsbereich Kommunikation mit seinen Aktivitäten auf die Gebäude entlang der alten Ladestraße, deren andienende Gleise ebenfalls schon lange zu einem erheblichen Teil demontiert beziehungsweise rückgebaut wurden, wie es in der Sprachregelung der Bahn heißt. Nun ist es der interessierten Klientel möglich, sich dort vom Kindergeburtstag bis hin zur Präsentation alle möglichen Feierlichkeiten und Veranstaltungen ausrichten zu lassen: Von der bloßen Überlassung der Räumlichkeiten bis hin zur Bereitstellung von Speis und Trank.

Hungrige Passagiere

Nichts scheint unmöglich. Gar von einem "Rundum-Sorglos-Paket", was immer man darunter verstehen mag, ist die Rede. Derweil muß sich der Fahrgast in den Zügen der Deutschen Bahn AG mit dem Problem herumschlagen, während der Fahrt überhaupt etwas Eßbares aufzutreiben. Denn genau in dem Moment, in dem die Bahn in Opladen ihre gastronomische Einrichtung eröffnet, werden auf der Schiene die letzten Speisewagen aus dem Verkehr gezogen.
Damit bleibt ein weiteres Stück Reisekultur auf der Strecke. Und ob einen in den Zügen der stattdessen angebotene Service am Platz immer erreicht, darf getrost angezweifelt werden. Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) führen derzeit übrigens wieder den guten alten Speisewagen ein, da andere Formen des gastronomischen Service in den Zügen kläglich scheiterten.
Aber auch diese Erfahrung will man bei der Bahn AG anscheinend erst selber machen, anstatt von praktischen Erkenntnissen in der Schweiz zu lernen.
Einstweilen jedoch versucht sich nun der Geschäftsbereich Kommunikation, zu dessen Aufgaben unter anderem auch die Wartung der Lautsprecheranlagen und der Fahrkartenautomaten auf den Bahnhöfen gehört, in Sachen Partyservice. Wer schließlich jederzeit irgendwelche Events organisieren und ausrichten muß, kann sich jedoch nicht noch gleichzeitig um die Reparatur ständig defekter Fahrkartenautomaten kümmern. Dies wäre vielleicht auch ein bißchen zuviel verlangt.

Lautsprecher bleiben kaputt

So lange aber die Deutsche Bahn AG bei der Abwicklung fahrplanmäßiger Zugverkehr noch erhebliche Defizite erkennen läßt, sollte sie sich zunächst erst mal um ihre eigenen Hausaufgaben kümmern. Nicht nur beim Eiskunstlauf kommt die Pflicht vor der Kür. Ihr Geld sollte die Bahn schon noch in erster Linie auf der Schiene verdienen. Die Rückbesinnung auf das Kerngeschäft käme dem Fahrgast zugute und würde auch dem Unternehmen Bahn gut bekommen. Schließlich hat sich ja bislang auch noch kein Metzger um den Betrieb einer ausgeschriebenen Bahnlinie beworben, nur weil seine Fleisch- und Wurstwaren bei der eigenen Kundschaft nicht mehr ankommen.