Leverkusen

FUNDSACHE

Unser Mann für diffizile Aufgaben

Mitunter fördert das Studium alter Akten erstaunliche Dinge zu Tage. Erledigte Vorgänge, denen die damals Beteiligten kaum eine besondere Bedeutung beimaßen, werfen im Licht neuer Erkenntnisse zuweilen lange Schatten.
Im April des Jahres 1971 stand eine Person als Referent im Dienste des damaligen Oberbürgermeisters der Stadt Leverkusen, die gegenwärtig noch als Mitglied des Deutschen Bundestages die Interessen der Menschen im alten Wahlkreis 68 (Leverkusen, Leichlingen, Burscheid) vertreten soll. Dieser Referent bekleidete zudem auch noch das Amt des Geschäftsführers des Ortskuratoriums Unteilbares Deutschland.
In diesen beiden Funktionen richtete er unter dem Datum des 6. April 1971 ein Schreiben an den damaligen Vorsitzenden des Rings Politischer Jugend (RPJ), in dem es um die Gestaltung einer Veranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit ging. Dieser gesetzliche Feiertag wurde alljährlich zum 17. Juni eines jeden Jahres begangen. Heute, nach Vollendung der Deutschen Einheit, wird diesem Ereignis an jedem 3. Oktober eines Jahres gedacht.
In dem Jahr, wo sich der Bau der Berliner Mauer und die Errichtung der innerdeutschen Demarkationslinie zum zehnten Mal jährte, ging es dem Verfasser dieses Schreibens darum, eine Veranstaltung an jenem 17. Juni 1971 unter Beteiligung des RPJ so auszurichten, um damit ein vermeintlich "weithin verzerrtes DDR-Bild zu korrigieren".
Inwieweit dieses damalige Bild der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik als verzerrt anzusehen war, bewies sich spätestens mit dem Jahr 1989, als die Mauer fiel. Bereits heute wieder versucht man, die Wirklichkeit der DDR zu verklären, zu verharmlosen und zu verleugnen. Aber schon damals gab es offensichtlich Leute, die sich hier im Westen etabliert hatten und die Verhältnisse in der DDR sozusagen als rosa rote Alternative auf die westliche Seite der Mauer projizierten. Heute ist man sich auch nicht zu schade, Koalitionen mit den Nachfolgern jener zu schließen, die als Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in der DDR die Macht ausübten. Was nicht zuletzt ausgerechnet in der Bundeshauptstadt Berlin erneut unter Beweis gestellt wurde.
Am 22. September 2002 besteht die nächste Gelegenheit, daß der Bundestagsabgeordnete Ernst Küchler, eben jener Verfasser des zitierten Schreibens, von der Wahrnehmung der diffizilen Aufgaben für die Menschen im neuen Bundestagswahlkreis 102 (Leverkusen-Mülheim) entbunden wird.
STADT LEVERKUSEN
DER BÜRGERMEISTER

Leverkusen, den 6.4.1971
Referent: Ernst Küchler


An den
Vorsitzenden des
Ringes Politischer Jugend


Sehr geehrter Herr...,

als Geschäftsführer des Ortskuratoriums Unteilbares Deutschland verbleibt mir die etwas diffizile Aufgabe, für 1971 Vorschläge zur Gestaltung des "17. Juni" zu machen. Die Intention einer solchen Veranstaltung sollte sich entscheidend von jener der sechziger Jahre unterscheiden.
Es wäre zu prüfen, inwieweit die Möglichkeit besteht, diesen Anlaß dazu zu benutzen, das weithin verzerrte DDR-Bild zu korrigieren. Dazu würde sich eine objektive Gegenüberstellung von Daten und Fakten aus der Bundesrepublik und der DDR anbieten. Diese könnte in Ausstellungen, Diskussionen, Film- oder Tonkollagen vermittelt werden.

Um diese Anregung, aber auch weitere Vorschläge von seiten der politischen Jugendverbände zu diskutieren, würde ich vorschlagen, ein gemeinsames Gespräch anzuberaumen, an dem Vertreter der im RPJ vertretenen politischen Jugendverbände teilnehmen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Anregung an die Mitglieder des RPJ weiterleiten und mir einen entsprechenden Termin nennen könnten.

Ich hoffe, daß Sie diese Anregung aufgreifen und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Küchler