Satire

Guido Größenwahn

Die FDP auf dem Weg zur 18

Präsidiumssitzung der FDP. Westerwelle, Otto Graf Lambsdorff, Cornelia Piper, Brüderle, Döring, Solms und Genscher treffen sich im Guidomobil, das über die B18 rast. Die Diskussion ist laut und putzmunter.

Lambsdorff (schnarrt): Das mit der Tour übers platte Land laß ich mir ja noch gefallen, aber wer ist auf diese "grandiose" Idee gekommen, ausgerechnet über die B18 zu fahren?

Westerwelle: Lieber Otto. Du magst ja einiges auf dem Kasten haben, aber wie man die Massen für die Liberalen begeistert, davon hast du keine Ahnung. 18 bedeutet ja nicht ein Wahlergebnis - es ist ein Symbol! (Augen beginnen zu leuchten, besteigt bei voller Fahrt den Tisch) 18, das ist Leben, das ist Jugend, Spannkraft, Zukunft!

Döring: Und 19?

Westerwelle: Ist eine Primzahl und für uns völlig uninteressant.

Fahrer weicht einem Reh aus und muß dabei auf 18 km/h abbremsen; Westerwelle stürzt vom Tisch und landet mit einem lauten Krachen im vorderen Teil des Guidomobils.

Westerwelle: (rappelt sich wieder auf, zählt die blauen Flecken an seinem Körper): Achtzehn Prellungen! Das ist ein Omen!

Solms (leise zu Lambsdorff): Was aus seinen 18 Hirnzellen geworden ist, würde mich viel mehr interessieren! (lauter) 18, 18, 18: Warum, bitte sehr, sollen uns 18% wählen und nicht 19 oder 50?

Westerwelle: 50%! Heiße ich Stoiber? Nein: Wir sind keine Volkspartei und wollen es auch nicht sein. Die Marke FDP muß eine Premiummarke sein.

Döring: Also doch wieder die Partei der Besserverdienenden.

Westerwelle: Nein, nicht die Partei der Besserverdienenden, sondern die Partei derjenigen, die Besseres verdienen. Eine Premiumpartei für Premiumwähler. Und Premiumwähler haben auch einen eigenen Premium-Kanzlerkandidaten verdient.

Piper: Kurz: Wer uns wählt, muß es sich leisten können. Warum sollen die Leute ihre Nachbarn immer nur mit Autos neidisch machen? Oder ihren 18 Gästezimmern?

Lambsdorff (störrisch): Aber wieso 18?

Es kracht und splittert. Eine Gestalt in blau-gelbem Supermann-Kostüm mit einer fetten 18 auf der Brust und Palästinensertuch um den Kopf als Splitterschutz kracht durch das Oberlicht des Guidomobils.

Möllemann (wickelt sich das Tuch vom Kopf): Ha, das war eine Punktlandung! Die 18 Monate bei den Fallschirmjägern haben sich gelohnt! Diese Light-Soldaten mit ihren 9 Monaten schaffen das heutzutage nicht mehr!

Solms (leise zu Lambsdorff): Jetzt wissen wir wenigstens genau, warum er sich diesen Schwachsinn ausgedacht hat. Gottseidank ist er nicht 21 Monate zum Bund gegangen. Oder gar 4 Jahre!

Westerwelle: Die 18 ist die perfekte Zahl. Denke nur an 18 Bundesligavereine. Als wir mehr hatten, nach der deutschen Einheit, ging es mit Deutschland bergab. Oder die 18 Bundesländer!

Genscher: 18? Wir haben doch damals den Artikel 23 aus dem Grundgesetz gestrichen. Es kann also niemand beigetreten sein.

Westerwelle (beleidigt): Das ist der Grund, warum der Beitritt der Dominikanischen Republik und Mallorcas auf ewig nur ein Sommerlochthema bleiben wird. Und überhaupt: 2 + 4! Was ist das für eine Zahl! Da hast du damals keinen Weitblick bewiesen!

Genscher: 2 + 4 mal 3 gibt 18, oder etwa nicht?

Brüderle: Das gibt aber nur 14, Punkt- vor Strichrechnung -

Piper (ungeduldig): Dann hätte man eben Klammern setzen sollen -

Genscher: Ich wollte doch, aber die Russen haben sich gesträubt.

Lambsdorff: Alles schön und gut. Ich bin auch ein alter Zahlenfetischist. Aber das kann doch wohl nicht alles sein, was die Liberalen anzubieten haben. Die Wähler wählen uns doch nicht, weil wir ein bestimmtes Wahlergebnis so schön finden.

Westerwelle: Laßt mich doch mal ausreden. 18, das steht doch für viel mehr: Für Volljährigkeit, für Erstwähler, für Jugend -

Lambsdorff: Mein Nachbarsjunge ist 18 und ein Schafskopf.

Möllemann: Na und? Hauptsache, er setzt sein Kreuz an die richtige Stelle. Wir wollen zwar Premiumwähler, können das aber nicht garantieren. Diese Videoclip-Generation interessiert sich sowieso nicht mehr für Wahlprogramme. Symbole sind gefordert.

Piper: Wo wir gerade beim Thema sind: Wir wollten heute eigentlich auf dieser Fahrt, die schon viel zu lange dauert, unser Wahlprogramm schreiben. Um in der Symbolik zu bleiben, würde ich ein 18seitiges Programm vorschlagen -

Müllemann: Aber 18 ist doch kein Wahlprogramm, es ist eine Weltanschauung.

Lambsdorff: Bleib bei der Sache! Wenn wir nach der nächsten Wahl der größte Premium-Schwanz sein wollen, der jemals mit einem Hund gewedelt hat, müssen wir uns mehr als 18 Gedanken machen, um die 18 Seiten zu füllen.

Westerwelle: Laß es uns auf 18 Zeilen verkürzen, mehr kann sich die hyperaktive Generation 18 -

Solms (sarkastisch): - die Premiumwähler -

Westerwelle: - sowieso nicht mehr merken. Erster Grundsatz: Senkung des Spitzensteuersatzes auf ...

Alle: 18%!

Westerwelle: Niemand wird uns Unseriosität vorwerfen, denn wir werden dies solide gegenfinanzieren, indem wir das Kindergeld nur noch Familien mit besonders vielen Kindern auszahlen. Ich dachte an -

Solms (entnervt): Bitte sag es nicht!

Westerwelle (zum Fahrer): Falls wir denn jemals irgendwo ankommen. Mensch, gib Gas!

Lambsdorff: Das mit dem Kindergeld könnte verfassungswidrig sein.

Westerwelle: Alternativ könnten wir die Mehrwertsteuer auf 18% erhöhen. Die daraus resultierende Preiserhöhung schiebt sowieso jeder dem Euro zu. Die 82% der Wähler, die sich das nicht leisten können, sind sowieso nicht unsere Premiumwähler.

Möllemann: Mir schweben da einige Änderungen bei der Bundeswehr vor.

Brüderle: Laß mich raten ... auch andere Wehrpflichtige sollen wieder Punktlandungen schaffen können.

Möllemann: Genau.

Die Beratung geht weiter. Plötzlich ein Lichtblitz. Das Guidomobil fährt noch ein Stück, bremst und hält.

Piper: ... und ich finde, daß auch Jüngere ab 18 die Chance haben sollten, zum Bundespräsidenten gewählt zu werden.

Westerwelle (selbstzufrieden): Ha! Wahlprogramm geschafft. Runde Sache. Wer soll uns da noch aufhalten?

Fahrer (betritt betreten den Konferenzraum): Die Polizei. Geblitzt. Lappen weg. 18 Punkte in Flensburg.

G.D./M.P./MiWi