Politik

Kriegsverbrecher vor Gericht

Den Haag muss sich beweisen

Nach langer Vorbereitungszeit steht zum ersten Mal in der Geschichte der Welt mit Slobodan Milosevic ein ehemaliges Staatsoberhaupt vor einem internationalen Gericht, um sich für Taten während seiner Regierungszeit zu verantworten.
Der im Mai 1995 ins Leben gerufene internationale Gerichtshof zur Verfolgung von Kriegsverbrechen in Den Haag arbeitet unter dem Dach der vereinten Nationen. Er wurde im Angesicht der offensichtlichen Verbrechen auf dem Balkan durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates geschaffen.
Den Haag soll, anders als der kaum vergleichbare Gerichtshof von Nürnberg, in dem ausschließlich Sieger über Besiegte richteten, "neutral" und weit gefächert sein, d.h. es arbeiten dort mehr als 1000 Menschen aus knapp 80 Staaten.

Milosevic nicht alleine

Schon vor Milosevics Auslieferung durch die neue Jugoslawische Regierung beschäftigten sich die Richter und Staatsanwälte mit diversen Generälen und Truppenführern aller ethnischen Gruppen auf dem Balkan, die sich des Massenmordes und der Folter von Gefangenen schuldig gemacht haben sollen. Neben Karadzic und General Mladic, den Serbenführern in Bosnien, stand der Serbische Präsident Milosevic ganz oben auf der Fahndungsliste des Gerichtshofes.

Berechtigung des Tribunals

Milosevic nutzt nun die internationale Medienpräsenz als Propagandaplattform. Der Gerichtshof ist nach Ansicht Milosevics ein illegales Strafverfolgungsorgan. Für ihn zuständig sei ausschließlich die serbische Justiz. Darüber hinaus messe das Gericht mit zweierlei Maß, da angebliche Kriegsverbrechen der NATO-Staaten gar nicht verfolgt würden. Ist dies alles wirklich nur aus der Luft gegriffen?
Schon früh wurde Kritik an der Strategie der NATO-Luftangriffe, an denen sich auch die Deutsche Luftwaffe beteiligte laut. Mangels militärisch greifbarer Ziele, verlagerte die NATO ihre Angriffe auch auf diverse zivile Ziele, darunter Kraftwerke, Fabriken und Fernsehsender. Forderungen, dass Den Haag auch hierüber Untersuchungen anstellen müsse, verliefen im Sande.

Internationale Anerkennung?

Erstaunlich ist darüber hinaus auch, dass die jetzige US-Regierung, die immer wieder fordert, dass ausländische Verbrecher vor das Den Haager Tribunal gehören, eigene, amerikanische Angeklagte niemals an dieses Tribunal ausliefern würde. Ein verabschiedetes Gesetz sieht sogar die "Befreiung" amerikanischer Gefangener vor. Amerikanische Verdächtige würden ausschließlich vor amerikanische Gerichte gestellt werden - wenn überhaupt.
Leider würde dies wieder dazu führen, dass eine an sich gut gemeinte Idee, den schalen Beigeschmack von Siegerjustiz bekommen würde. Noch heute verteidigen die USA die Vernichtungsangriffe auf die japanischen und militärisch völlig bedeutungslosen Städte Hiroshima und Nagasaki mit Nuklearwaffen als militärische Notwendigkeit. Auch diverse fragwürdige Praktiken amerikanischer Truppen in Vietnam (u.a. "Agent Orange") sind bis heute nicht juristisch aufgearbeitet.
Auch die Art und Weise der Inhaftierung von Taliban-Angehörigen, die als Soldaten ihres Landes, somit nicht als Terroristen gelten und damit auch dem Schutz der Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen unterliegen, ist bedenklich. Hier offenbart sich auch, dass die "Spielregeln" des Krieges (Haager Landkriegsordnung, Genfer Konvention) in Zeiten von Bürgerkriegen und Konflikten, die nicht zwischen Staaten, sondern von multinationalen Organisationen gegen Staaten stattfinden, nicht mehr ausreichen.

Ausblick

So muss der Den Haager Kriegsverbrechergerichtshof wegen der oben genannten Zustände erst noch beweisen, ob er tatsächlich neutral alle Verbrechen von Staatsführern und Militärangehörigen und sonstigen Personen verfolgt - ungeachtet der Nationalität - oder ob er Personen wie Milosevic Munition liefert, dass hier tatsächlich nur Besiegte abgeurteilt werden, wie in Nürnberg und Tokio. Dies bleibt abzuwarten.

MiWi