Satire

Der alltägliche Wahnsinn

Deutschland, deine Fettnäpfchen

Deutschland, 2002. Bundespräsident Johannes Rau hat beschlossen, die Probleme der heutigen Zeit zu lösen, wie zum Beispiel Benachteiligung von Frauen, Unterdrückung religiöser Minderheiten, Diffamierung von sozial Schwachen, Ächtung von Lehrern (PISA) und Beamten aller Art. Vor allen Dingen aber soll das multikulturell-ethisch-sittliche Klima mitteleuropäisch-deutsch korrekt auf ein höheres Niveau gehoben werden, damit die Welt nie wieder am deutschen Wesen genesen soll. Vorschläge zu diesem anspruchsvollen Ziel soll eine Deutschlandverbesserungskommission erarbeiten.

Mitglieder: Richard von Weizsäcker, Marcel Reich-Ranicki, Cem Özdemir, Klaus Wowereit, Alice Schwarzer, Metin Kaplan (Kalif von Köln - aus der Justizvollzugsanstalt zugeschaltet), Paul Spiegel, Sarah Wagenknecht, Rita Süssmuth und Bischöfin Jepsen. Nach monatelanger Diskussion wurde die folgende Empfehlungsliste zusammengestellt, die dem Bundestag zum Abnicken vorgelegt wurde.


Benachteiligung von Frauen. Umbenennung diverser Dienstgrade: Hauptmann in "Hauptperson", fakultativ "Hauptfrau", und Feuerwehrmann in "Feuerwehrperson". Ausbau des vorderen Torpedoraums in U-Booten und Einbau von Frauennaßzellen mit Schminktisch, um diese letzte Männerbastion der Bundeswehr zum Einsturz zu bringen. Auf den Zerstörerinnen und Zerstörern der Bundesmarine wird eine Shopping-Meile eingerichtet.
Eine Expertenkommission wird eingesetzt, um das Bundeskanzleramt zu untersuchen. Sie kam zu dem schockierenden Ergebnis, daß das dem Arbeitszimmer des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin nächstgelegene Frauenklo 100 Meter entfernt ist, das nächste Männerklo nur 5 Meter. "Diese 95 Meter könnten im Ernstfall das Schicksal einer Nation entscheiden", meinte Rita Süssmuth. Wowereit meinte allerdings, ihm sei das ziemlich egal.

Vergangenheitsbewältigung. Das Wort "Führer" muß endlich eliminiert werden. Hierbei galt die DDR als Vorbild ("Reisebilderstatter" statt "Reiseführer"). Besonders anstößig ist der Führerschein, der im Ausland falsch verstanden werden könnte. Die Geburt am 20. April wird gesetzlich untersagt. Dies ist als Kompromiß zu werten, da der Rest der Welt viele andere Vorschläge hatte (Stalin, Usama bin Laden, Haider, Bednarz) und dies zu einer unverantwortlichen Kürzung des Kalenderjahres geführt hätte. Die Buchstabenkombinationen SA, SS, HH (Widerspruch von Frau Jepsen), FH, NS sollen verboten werden. Reich-Ranicki weigert sich allerdings, den ersten Teil seines Nachnamens in "Bund" zu ändern.

Ausländer/Minderheiten: Das Wort "Zigeuner" verschwindet endgültig aus dem deutschen Wortschatz. Es heißt demnächst nur noch "das Mobile Ethnische Minderheiten (MEM)-Schnitzel". Der Weltbestseller "Zehn kleine Negerlein" wird in "Zehn kleine Afrikanerinnen und Afrikaner" umbenannt, vorhandene Exemplare eingezogen. Der Begriff "Schwarzer Mann" darf sich nur noch auf CSU-Kanzlerkandidaten beziehen.
Auch die bekannte amerikanische Serie STAR TREK mußte sich Kritik gefallen lassen. So ist das Motto der Sternenflotte "Mutig dahin zu gehen, wo noch kein Mensch zuvor gewesen ist", als rassistisches Gedankengut enttarnt worden, da verfolgte Minderheiten wie Vulkanier und Klingonen dort überhaupt nicht vorkommen.

Öffentliches Leben: Ein präzise geregeltes Mahnwachen-, Schweigeminuten-, Lichterketten- und Betroffenheitsreglement wird verabschiedet. So wird etwa die Absetzung von Sportereignissen vom neu einzurichtenden Inländischen Betroffenheitsrat kurzfristig veranlaßt. Auslöser können sein: Kriege, Terroranschläge, Silvesteransprachen des Bundeskanzlers, verbotswidriges Gebären am 20. April und Brände in Synagogen und Moscheen (aber nicht Kirchen).

Umgang mit religiösen Minderheiten. Alle Aussagen über den Islam müssen mit folgenden Phrasen beendet werden: "Die Kreuzzüge waren ja auch schlimm", "es gibt ja auch christlichen Fundamentalismus", "aber eigentlich ist der Islam eine tolerante Religion", "Osama bin Laden hat?s noch nicht gestanden, solange hat er als unschuldig zu gelten, der Rest ist CIA-Propaganda", "jede Frau will das Kopftuch tragen", "der Dschihad ist eine verständliche Reaktion auf den westlichen Imperialismus".

Kirchen. Nach einigem Bedenken beschließt die Kommission, Kinder- und Jugendmessen erst ab 16 Jahren zuzulassen, um den Anblick von gewaltverherrlichenden Kruzifixen zu ersparen.

11. September. Beim Analysieren dieses Ereignisses einigte man sich darauf, daß die political correctness auf jeden Fall die Erwähnung mindestens einer Verschwörungstheorie erfordert ("Die Täterinnen und Täter waren ganz normale, gutgläubige, vom Mossad im Auftrag der CIA gehirngewaschene Flugzeugentführungspersonen").

Beim Überreichen des Berichtes an Bundespräsident Rau erklärte der einzige, der gegen die Empfehlungen gestimmt hatte, Marcel Reich-Ranicki, er würde bei Inkrafttreten der Empfehlungen auswandern; Deutschland würde dann einfach "laaaangweilig".

G.D./M.P./K.R./MiWi