Lifestyle

Innenansichten

Gerd Langguth über die Ära Kohl und was danach kommt

Gerd Langguth:
Das Innenleben der Macht.
Krise und Zukunft der CDU
328 Seiten, gebunden, Ullstein Verlag, 21 Euro, ISBN 3-550-07169-8

Es gibt Bücher, über deren Sinnhaftigkeit man sich auch nach der zweiten oder dritten Lektüre trefflich streiten kann. Zumal wenn diese zweifelsohne ein aktuelles politisches Thema zum Inhalt haben und von daher naturgemäß einem kurz- bis mittelfristigen Verfallsdatum unterliegen. Der Autor, Gerd Langguth, räumt dann schon von sich aus das Wagnis ein, "ein Buch zur Geschichte und Lage einer politischen Partei zu schreiben, da sich wöchentlich neue Ereignisse zeigen, die zu einer politischen Bewertung der Vorgänge rufen".
Langguth sieht sich in erster Linie durch seine Sicht als Insider dazu berufen und legitimiert, ein derartiges Buch zu verfassen. Der Politikwissenschaftler schöpft seine Insiderkenntnisse aus einer Vielzahl von beruflichen wie politischen Stationen, die er im Laufe seines Lebens bereits innehatte.

Alter Hase

So saß er unter anderem für den Wahlkreis Esslingen im Deutschen Bundestag, war Direktor bei der Bundeszentrale für politische Bildung, Bevollmächtigter des Landes Berlin beim Bund sowie Staatssekretär und Leiter der Europäischen Kommission in Deutschland. Er war im Bundesvorstand der CDU und arbeitete in zwei Grundsatzprogrammkommissionen mit. Daneben war er zu Beginn seiner Laufbahn Bundesvorsitzender des Ringes Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und später gar Geschäftsführender Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Gleichwohl wähnt er sich "nahe am Machtgeschehen, aber auch weit genug weg, um die notwendige Distanz wahren zu können" - gesteht aber gleichzeitig ein, lange Jahre zu denjenigen Personen gehört zu haben, "die sich einer besonderen Unterstützung durch diesen Mann (gemeint ist Helmut Kohl) erfreuen konnten".
Wie dem auch sei, in seiner Einleitung philosophiert Langguth jedenfalls in epischer Breite über das Phänomen der Macht an sich und in der Politik im besonderen. Neben einer Menge Wahrheiten und Halbwahrheiten werden darin ebenso jede Menge Klischees bedient.
Die Ära Kohl und damit die Person Helmut Kohl nimmt in dem Buch den mit Abstand breitesten Raum ein. Selbst die nachfolgenden Kapitel reflektieren immer wieder das, was man gemeinhin unter dem "System Kohl" verstand.
Dabei steigt Langguth, der Helmut Kohl seit dem Jahre 1970 kennt, tief in die Biographie des langjährigen CDU-Bundesvorsitzenden, rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzlers ein. Die politische Lebensleistung Helmut Kohls wird an keiner Stelle des Buches in Frage gestellt. Vielmehr werden die Beziehungen und Geflechte von Helmut Kohl ebenso scheinbar sachkundig, aber dabei irgendwie merkwürdig distanziert dargestellt.

Kohls Abwahl

Daß die Wiedererlangung der deutschen Einheit für Helmut Kohl einen weiteren Verbleib im Kanzleramt bedeutete, ist keine sonderlich neue Erkenntnis. Aus psychologischer Sicht mögen die Einblicke interessant sein, die gegen Ende der Regierung Helmut Kohl dessen immer einsameren Entscheidungen beschreiben. Sechzehn Jahre an der Spitze einer Regierung und im Fokus der öffentlichen beziehungsweise veröffentlichten Meinung hinterlassen zweifelsohne ihre Spuren bei einem Menschen.
Wohl wahr mag auch der Umstand sein, daß die Wähler 1998 weniger der CDU als deren Vorsitzenden als Bundeskanzler überdrüssig waren. Für diese Erkenntnis hätte es aber ebenfalls nicht unbedingt dieses Buches bedurft.
Ein Nutzen des Buches mag darin liegen, daß hier die Chronologie der Spendenaffäre einmal im Gesamtzusammenhang nachlesbar dargestellt wird.
Sodann nimmt sich Langguth die Agierenden der Ära nach Helmut Kohl vor und arbeitet diese regelrecht auf. Wie sie eben daher kommen: Wolfgang Schäuble, Angela Merkel und Friedrich Merz sowie schließlich noch den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber: Ein weiterer Beitrag im Kaffeeesatzlesen darüber, wer denn nun Gerhard Schröder als Kanzlerkandidat herausfordern könnte.
Über einen Mangel an derartigen Betrachtungen kann man sich derzeit ja wohl kaum beklagen. Eine eindeutige Festlegung auf eine der vorgenannten Personen vermeidet Langguth dabei jedoch. Vielmehr stellt er schon Mutmaßungen darüber an, für wenn denn wohl die Stunde im Jahre 2006 schlagen würde, sollte die Union in diesem Jahr bei der Bundestagswahl scheitern.
Letztendlich bescheinigt Langguth der CDU, daß sie sich langfristig nur im Kampf um die viel zitierte politische Mitte behaupten kann und sich ihre Probleme als Volkspartei im wesentlichen nicht von denen unterscheiden, wie sie eigentlich auch die SPD hat.

Haltet die Tinte!

Dem Buch mag man zumindest einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen. Es gibt mitunter einen recht kurzweiligen Lesestoff ab. Wenngleich einem hier immer wieder der Verdacht beschleicht, ob Langguth hier sein "Insiderwissen" nur so eben mal in ein Autorenhonorar umgemünzt hat.
Das Buch mag der CDU nicht direkt schaden, zeichnet sich jedoch für die Partei insgesamt als wenig hilfreich aus. Übrigens schätzte es Helmut Kohl nicht, wenn Leute aus seinem Umfeld Bücher verfassten. Auch dies kann man bei Gerd Langguth in "Das Innenleben der Macht" nachlesen.