Editorial

Frauenhaus Leverkusen in Not

Stehlen sich Land und Stadt Leverkusen aus der Verantwortung?

Gewalt aller Art, insbesondere gegen Kinder und Frauen, sind immer aktuell. Die Zeitungen quellen über von Schlagzeilen: "Er schlägt Sie" "Gewalt in der Ehe" etc. Doch kaum jemand wei", was aus diesen Gewaltopfern später wird.

Die wichtigste Anlaufstelle in Leverkusen ist der Verein "Frauen helfen Frauen e.V.", der seit 1978 existiert. Dieser Verein gründete 1980 das Frauenhaus, in welchem weibliche Opfer häuslicher Gewalt mit ihren Kindern Zuflucht finden. Der Verein bemüht sich, das Gewaltopfer wieder auf die Beine kommen und zu einem selbständigen Leben zurückfinden - meist ohne prügelndem Mann.

Unbefriedigende Rechtslage

Grund für die Einrichtung dieser Institution war u.a. die lückenhafte Gesetzeslage, der es der Polizei nicht ermöglichte, akut bedrohte und geschlagene Frauen (und manchmal auch Männer) vor ihren prügelnden Partnern zu schützen, da ein dauerhafter Verweis aus der gemeinsamen Wohnung nicht möglich war.
In vielen Fällen konnte die Polizei lediglich dem Opfer der häuslichen Gewalt "Geleitschutz" aus der Wohnung ermöglichen - wobei der Täter und nicht das Opfer in der gemeinsamen Wohnung bleiben durfte. Ein gegen den Täter ausgesprochener Platzverweis oder die Ausnüchterung in einer Zelle war am nächsten Tag bereits hinfällig.
Die zwischenzeitlich geänderte Praxis der Polizei, zumindest eine Strafanzeige wegen Körperverletzung von Amts wegen zu erstatten (Einwilligung des Opfers nun nicht mehr erforderlich) änderte an diesem unbefriedigendem Zustand meistens nichts.

Neues Gesetz

Nach österreichischem Vorbild wurde nun im Jahre 2001 das Polizeigesetz NW (PolG NW) geändert und der einschreitenden Polizei mit dem neuen § 34a PolG NW ein machtvolles Instrument zur akuten Verhinderung von Gewalt in Ehe, Partnerschaft oder Verwandtschaft in die Hand gegeben. Erstmals können Polizisten prügelnde Ehepartner, Väter usw. bis zu 10 Tagen der Wohnung verweisen.

Hält die Einschätzung der Beamten vor Ort einer gerichtlichen Überprüfung stand, kann diese Frist weiter verlängert werden. Nun muss erstmals nicht mehr das Opfer gehen, sondern der Täter und darf nicht mehr zurückkehren. Das Gewaltopfer hat nun Zeit, seine Angelegenheiten in Ruhe zu regeln, z.B. geordneter Auszug, Suche nach einer Wohnung usw.. Bei Zuwiderhandlung drohen dem Verwiesenen Zwangsgeld bzw. Ingewahrsamnahme durch die Polizei.

Frauenhaus schlecht finanziert

Um den Opferschutz weiter zu verbessern, sind die einschreitenden Polizisten gesetzlich verpflichtet, dem Gewaltopfer (Ehefrau, Ehemann, Freund, Freundin, gleichgeschlechtlicher Partner, Vater, Mutter etc. - das Gesetz unterscheidet nicht) mindestens eine Beratungs- oder Anlaufstelle zu nennen. Als wichtigste Ansprechpartner gelten hier in Leverkusen das Frauenbüro, die Frauenberatungsstelle und natürlich der o.g. Verein "Frauen helfen Frauen e.V." mit seinem angeschlossenen Frauenhaus.
Leider steht es um die Finanzierung des Hauses schon seit Jahren nicht zum Besten. Der Verein ist lediglich in der Lage, bis zu 8 Frauen mit ihren Kindern gleichzeitig aufzunehmen.
Aufgrund der Dauer des Aufenthalts hatte das Haus im Jahre 2001 eine Gesamtaufnahmekapazität von lediglich 70 Personen. Ca. 80 Frauen mussten abgelehnt werden oder wurden, wenn möglich, an ein anderes der insgesamt 63 nordrhein-westfälischen Frauenhäuser vermittelt, bei denen es nicht besser aussieht.
Finanziert wird das Haus zum Teil durch das Land NRW, welches ehemals 85% der Personalkosten übernahm. Als Sparmaßnahme wurde der Anteil auf 75% gesenkt. Die Stadt Leverkusen stellte bisher 59.200 DM als Betriebskostenzuschuss zur Verfügung. Dieser Zuschuss, der seit 10 Jahren nicht mehr erhöht wurde (!), wird nun im Haushaltsjahr 2002 um 10.000 DM gekürzt.
Die Finanzierungslücke, die schon im Jahr 2001 70.000 DM betragen hatte steigt nun auf über 45.000 Euro, die durch Geldspenden aufzubringen sind. Eine kaum zu lösende Aufgabe für einen Verein, der keine 50 Mitglieder zählt.

Schon jetzt ist die Bezahlung der vier festen Mitarbeiterinnen, von den zwei Diplom-Psychologinnen lediglich als Sozialarbeiter entlohnt werden, lächerlich gering und zum Ende des Jahres ungewiss.

Wer die Musik bestellt.....

Da muss man sich fragen, ob es sich das Land NRW und die Stadt Leverkusen nicht etwas zu einfach machen. Schließlich erwartet das Land durch ihr neues Gesetz, dass Vereine sowie private und kirchliche Organisationen nun in verstärktem Maße im Opferschutz tätig werden - gleichzeitig darf dieses Engagement dem Land aber keine Kosten verursachen. Aus dem Frauenhaus Leverkusen war zu hören, dass dem Frauenhaus Bergisch Gladbach weitere drastische Kürzungen ins Haus stehen, da Frauenhäuser mit dem § 34a PolG NW angeblich nicht mehr benötigt werden.

Es dürfte unbestritten sein, dass das Frauenhaus eine sinnvolle Einrichtung in Leverkusen ist und auch nach Einführung des Nicht-Allheilmittels § 34a PolG NW bleiben wird. Gewalt in der Familie kann jeden treffen, in jeder sozialen Schicht. Die neue Gesetzeslage wird für einen erhöhten Beratungs- und Hilfsbedarf sorgen.

Die Landesregierung sowie Oberbürgermeister und Ratsfraktionen dürfen sich in Zeiten knapper Kassen und häuslicher Gewalt nicht aus der Verantwortung stehlen. Oder wer soll in Zukunft diese sinnvolle und notwendige Arbeit übernehmen?

Anlaufstellen:
Frauenhaus: 0214/49408 (Frauen helfen Frauen e.V.)
Leverkusener Beratungsstelle: Wilhelmstr. 21, 51379 Leverkusen, 02171/28320

MiWi