Computer

Das Understatement des Jahrzehnts

Linus Torvalds jagt Bill Gates: 10 Jahre Linux

Vor 10 Jahren verschickte ein 21jähriger finnischer Student namens Linus Torvalds ein E-Mail, das wohl eine der größten Untertreibungen der Computergeschichte darstellt. "Arbeite an einem Betriebssystem für Intel 386 und 486. Nur Hobby. Nichts Großes. Ich arbeite seit April daran, und so langsam wird es fertig."
"Es" war die Version 0.0.1 des Kernels (Kern) des Betriebssystems Linux. Die Vorhersage des Schöpfers wurde jedoch von der Wirklichkeit dramatisch überholt. Das Programm, dessen Quellcode für jeden frei zugänglich war und ist ("Open Source"), wurde im Internet rasant verbreitet und von Hunderten, später Tausenden von Programmierern gemeinsam mit Torvalds, der bis heute den Kernel pflegt, zu einem System ausgebaut, das es in der aktuellen Version 2.4 locker mit der Konkurrenz von Microsoft und den mit Linux eng verwandten Unix-Systemen aufnehmen kann.
Vor allem liegt das an der Offenheit des Systems. Im Gegensatz zu Microsofts Windows-Produkten ist der Linux-Quellcode frei und von jedem auch veränderbar (auch wenn Otto Normalverbraucher vermutlich in den wenigsten Fällen die Kenntnisse besitzt, ein Betriebssystem umzuprogrammieren). Das macht das Produkt sehr attraktiv für Firmen, die Linux selbst programmieren und konfigurieren können und zudem nicht abhängig vom Service einer Firma wie Microsoft sein wollen.
Denn natürlich ist der Softwaregigant der natürliche Gegner der Linux-Gemeinde - und das in jeder Hinsicht. Viele Linux- und "Open-Source"-Fans sind der Ansicht, daß kommerzielle Software ohne Freilegung des Codes geradezu ein Verbrechen darstelle und zudem den technischen Fortschritt hemme - so etwa der Schöpfer des legendären Editors "Emacs", Richard Stallman.
Wie dem auch sei: Es ist schon faszinierend, wie ein im Prinzip kostenloses Produkt (man muß lediglich für die Zusammenstellung der Programmpakete und die Distribution zahlen) dem übermächtigen Rivalen Windows Marktanteil abjagt.
Allerdings hat Linux bei den konventionellen Heim-Betriebssystemen wenig Chancen; zwar sind die grafischen Benutzeroberflächen inzwischen weitgehend ausgereift (es gibt mehrere - Linux ist genau genommen nur der Betriebssystemkern), doch vor allem die fehlende Software für alle Lebenslagen in Windows-Qualität läßt Microsoft auf diesem Marktsegment ruhig schlafen. Obwohl Linux stetig aufholt, ist der Abstand immer noch sehr groß.
Um so gefährlicher wird Linux Windows im besonders margenträchtigen und wirtschaftlich bedeutenden Server-Markt. Hier gibt es dank des Rückgriffs auf die seit vielen Jahren erprobten Unix-Programme keinen R6uuml;ckstand auf Windows NT/2000. Eher ist das Gegenteil der Fall. So ist etwa Linux im Webservermarkt ("Apache") klarer Marktführer. Von den 90% Marktanteil im Heimbenutzermarkt kann Windows im Profimarkt nur träumen: Hier sind es 41%, auf Platz zwei hat sich bereits Linux mit knapp 30% vorgeschoben und dabei namhafte Konkurrenz wie Novell und seine Unix-Halbbrüder auf die Plätze verwiesen.
Spätestens seitdem sich der Computergigant IBM mit namhaften Summen in die Entwicklung von Software für Linux engagiert hat, dürfte klar sein, daß Linus Torvalds' Betriebssystem keine Eintagsfliege ist.

G.D.