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Es grüßt die (Früh)rente

?Exciter? - das neue Album der alten Depeche Mode

Irgendwann stößt jeder Musikfan auf die folgende Frage: Bin ich langsam zu alt, um mich noch begeistern zu können, oder ist meine Lieblingsband wirklich so schlecht geworden? Da ich mich mit 27 Jahren noch nicht zum alten Eisen zähle und mich immer noch für innovative Töne interessiere, neige ich dazu, dem zweiten Teil der Frage Recht zu geben.

Bestandsaufnahme: "Exciter" ist seit dem Album-Debüt 1981 die insgesamt 14. Veröffentlichung der Elektroband aus dem Londoner Vorort Basildon; Martin Gore, Andrew Fletcher und Dave Gahan bewegen sich langsam, aber sicher auf die 40 zu; Keyboarder Alan Wilder verließ 1995 nach der "Devotional"-Mammut-Tournee und den Drogen-Eskapaden Gahans frustriert die Band, wohlwissend, daß die Gruppe mit dem 90er Longplayer "Violater" ihren Zenit längst erreicht hatte - Resultat: Wilder füttert heute auf seinem Bauernhof in der englischen Provinz die Schweine und Depeche Mode waren über Nacht ihres soundtechnischen Herzstückes beraubt.

Doch trotzig machte die zum Trio geschrumpfte Combo weiter, holte sich die Soundtüftler Gareth Jones sowie Tim Simenon und verbrach "Ultra" (1997). War bereits dieses Album von großen Schwächeperidoden gezeichnet, verspielen Depeche Mode mit der aktuellen "Exciter" endgültig den letzten Rest von Kredit und Glaubwürdigkeit.

Nicht nur, daß scheinbar das Gesetz gilt "je älter die Band, desto langsamer die Songs" (erschreckende Parallelen lassen sich an dieser Stelle auch zu den irischen Kultrockern U2 ziehen), nein, "Exciter" ist schlicht und ergreifend eine unverschämt langweilige Produktion; Gesang und Atmosphäre dümpeln jenseits von Gut und Böse vor sich hin, können sich nicht entscheiden, in welche emotionale Richtung sie denn wollen.

Martin Gore hat offenbar jede Grundregel des Songwritings über Bord geworfen und dreht statt dessen viel lieber an den Reglern des Synthies herum, fabriziert wirre Collagen aus voreingestellten Werkssounds und nennt das "Electro-Jazz".

Aha ... fällt einem nix mehr ein, betitelt man alles der Einfachheit halber irgendwie als "moderne Jazzinterpretation", und schon hat man allen Kritikern das Maul gestopft. Schmerzlich macht sich nun vollständig das Fehlen von Alan Wilder bemerkbar, dessen Kreativität beim Herstellen von Klängen einst jeden Depeche Mode-Song zum kleinen Kunstwerk machte. Man muß es leider sagen: Gore, Gahan und Fletcher hätten gut daran getan, spätestens nach "Songs of Faith and Devotion" (1993) das Projekt Depeche Mode der Musikgeschichte zu überlassen.

So aber geben sie sich immer mehr der Lächerlichkeit preis. Ich muß mit Bauchschmerzen feststellen: Es fehlt einem nichts, wenn man "Exciter" nicht im Plattenregal stehen hat.

Oliver Dahm