Wir schreiben das Jahr 2002. Nichts rührt sich mehr in der Republik. Das öffentliche Leben ruht. Nach dem Streik der Lufthansa-Piloten, der Müllabfuhr, der Polizei, der Bundeswehr, der Lehrer, der Schwarzarbeiter und der Finanzbeamten glaubte die Rebulik, das Ärgste überstanden zu haben. Doch weit gefehlt. Eine zwar weitgehend unbekannte, aber mächtige Interessenvertretung, die IG Dünnbrett & Heißluft (IGDH), rief ihre Mitglieder zum Arbeitskampf auf.
Doch diese Mitglieder sind allen Bürgern wohl bekannt. Denn die IGDH vertritt die Interessen aller angestellten Politiker, von dem kleinen Bezirksvertreter (Aufwandentschädigung 30 DM) bis zum Minister (Aufwandsentschädigung ca. 300.000 DM). "Was die fliegenden Quasi-Beamten der Lufthansa können, das können wir auch", tönte es aus dem IGDH-Hochhaus (27 Stockwerke, 3000 frisch nach Berlin umgezogene Angestellte). Wochenlang hatten die Medien in Deutschland die Drohungen der Gewerkschftsfunktionäre nicht ernst genommen. Um so überraschter war man, als pünktlich vor dem Sommerloch, das ja normalerweise von besonders vielen Politikern zur Profilierung benutzt wird, die Drohung wahrgemacht wurde: STREIK.Die Grundforderungen der IGDH bezog sich auf 4 Bereiche:
Aber auch ganz banale Dinge vergällen den Politikern die Lust am Arbeiten. Fettiges Essen auf Empfängen und schlechter Wein ruinieren auf Dauer die Gesundheit unserer Volksvertreter. Von einer geregelten Arbeitszeit kann keine Rede sein. Die besten Interviewtermine sind entweder sehr früh am Morgen oder sehr spät am Abend. Talkshows im Fernsehen dauern oft bis Mitternacht oder darüber hinaus. Nicht selten müssen sich Politiker bohrende, ja fast unverschämte Fragen gefallen lassen. Auch am Wochenende macht die Politik keine Pause. Eine geregelte Fünf-Tage-Woche ist Zukunftsmusik. Falls am Wochenende nicht gerade große Politik gemacht wird, ist der Abgeordnete nur zu oft gezwungen, an biederen Volksfesten mit drittklassigen Feuerwehrkapellen auf Gemeindefesten anläßlich des 38jährigen Bestehens des ortsansässigen Kaninchenzüchtervereins teilzunehmen. Und das gequälte Politiker-Dauerlächeln ist bisher noch von keiner Berufsgenossenschaft als Berufskrankheit anerkannt worden. Daß sich Politiker durch Shakehands und Babyküssen einem enormen Infektionsrisiko aussetzen, sei nur am Rande erwähnt. Bessere Urlaubsbedingungen, Kaiserwetter am Urlaubsort, Bannmeile vor der Finca der bekannteren Bundespolitiker, längerer Urlaub, Schaffung von Halbtagsstellen auch im Bundeskabinett, wo es ohnehin keiner merkt, und Gleichberechtigung von Mann und Frau auch in der Politik: diese selbstverständlich scheinenden Forderungen hat die Gesellschaft bisher ignoriert. Die Bezahlung der Volksvertreter ist ein weiterer Schwerpunkt im Forderungskatalog der IGDH. Die Bezahlung von Politikern wird in der Öffentlichkeit immer wieder heftig kritisiert. Überraschenderweise stoßen die Betroffenen hier ins gleiche Horn. Viel zu undifferenziert seien die Dienstbezüge. Statt dessen soll ein gestaffeltes Zulagensystem ähnlich dem der Landes- und Bundesbeamten hier für mehr Gerechtigkeit und Transparenz sorgen. Folgende Zulagen werden gefordert: Besonders wichtig ist die Schaffung von beamteten stellvertretenden Abgeordneten, die, um die Neuverschuldung des Bundeshaushaltes für die kommenden Generationen möglichst gering zu halten, mit der Besoldungsstufe A7 nicht leben und nicht sterben sollen. Der Aufgabenbereich der Stellvertreter umfaßt Ausschuß- und Gremienarbeit, Formulierung von Gesetzen und Anträgen, Bundestagsdebatten und Treffen kritischer Entscheidungen nach Feierabend. Aufgrund des etwas größeren Verantwortungsbereichs fordert die IGDH die Besoldungsgruppe A8 für den Stellvertretenden Bundeskanzler (nicht zu verwechseln mit dem Vizekanzler). Weitere Forderungen, die Politiker schon immer hatten, aber nie zu formulieren wagten, sind ein kostenloser Kleiderservice, steuerfreier Pauschbetrag für Bimbes und sonstige Zuwendungen und lebenslanges Überbrückungsgeld, dessen Anspruch vererbbar ist, bei Abwahl. Leider brachte der Streik nicht viel. Die Beamtenschaft arbeitete effizienter denn je, da sie nicht durch Politiker gestört wurde, für Polizei und Justiz begannen goldene Zeiten, und obwohl einige Redakteure von anspruchsvollen Zeitungen Kurzarbeit machen mußten, änderte sich für den gemeinen Bürger nicht viel. Die meisten genossen die politikerfreie Zeit. Im übrigen stieg der Benzinpreis weiter, die Renten blieben so sicher wie eh und je, und die deutsche Nationalmannschaft streikte bei der Fußball-WM auch ganz ohne Interessenvertretung. Aber das ist eine andere Geschichte. G.D./MiWi |