Editorial

Deutschland den Deutschen?

Gedanken zur Einwanderungsdebatte

Die vergangenen Diskussionen über das Thema Einwanderung haben in Deutschland für viel Aufsehen gesorgt. Schlagworte wie z.B. "Kinder statt Inder" und "deutsche Leitkultur" haben eines offenbart: Alle Parteien haben das Thema für den Wahlkampf erkannt.
Die Anmerkungen der einzelnen Parteien zum Einwanderungsgesetz (das es bis heute nicht gibt) und über dessen Ausgestaltung sind ein Zankapfel der aktuellen Tagespolitik.
Die Position der CDU/CSU wurde jüngst im wesentlichen formuliert. Einige Kernpunkte, wie z.B. die Anerkennung der hiesigen "abendländischen" Kultur (man vermied die "Leitkultur") und Gesetze und eine gesteuerte Einwanderung nach Bedarf (an Arbeitskräften) wurden jüngst bekannt.
Natürlich ernteten CDU/CSU harsche Kritik, von "Deutschtümelei" und "Ausgrenzung ausländischer Freunde" war die Rede, die man sich in Zeiten neu aufkeimenden Rechtsradikalismus? nicht leisten könne. Wirklich nicht? Ist es nicht vielmehr ein Beispiel, wie "Ausländerproblematik" in Deutschland behandelt wird?
Dazu ein kleiner Rückblick.

Einwanderung in den 60ern

Die Situation in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts sorgte schon einmal für Diskussionen um Einwanderung. Damals war der Arbeitsmarkt in Westdeutschland leergefegt. Es herrschte annähernd Vollbeschäftigung. Dem wirtschaftlich aufstrebenden Westdeutschland gingen schlicht die Arbeiter aus. Eilig wurden im südlichen und südöstlichen Ausland, insbesondere der Türkei, Griechenland, Spanien, Italien und dem damaligen Jugoslawien Arbeitskräfte angeworben und nach Deutschland geholt.
Die Integration der Arbeitskräfte wurde nicht als Problem erkannt bzw. dem Zufall überlassen, da man ohnehin davon ausging, dass die meisten wieder in ihre Heimat zurückkehren würden.
Dies zeigt sich besonders deutlich an der Mehrheit der hier lebenden Türken. Sie bilden mit ca. 2,2 Millionen Menschen die größte Minderheit in Deutschland.
Viele der damaligen "Gastarbeiter" stammten aus den ärmsten Gegenden der Türkei, und die meisten kamen ohne Familie, mit der festen Absicht, mit dem hier verdienten Geld in ihrer Heimat eine neue Existenz aufzubauen.
So sandten sie den Löwenanteil des hier verdienten Geldes nach Hause und blieben ansonsten unter sich. Als strenggläubige Moslems konnten und wollten viele die deutsche Kultur nicht an sich heranlassen, da sie ihnen fremd erschien.
Da allerdings viele Gastarbeiter dann doch nicht in ihre Heimat zurückkehrten, holten viele später ihre Familien nach Deutschland.
Die meisten arrangierten sich mit Deutschland, seinen Sitten und Gepflogenheiten. Bedauerlicherweise änderte sich das Verhalten vieler Ausländer nicht. Insbesondere die Türken in ihren Hochburgen in West-Berlin oder dem Ruhrgebiet zogen es weiter vor, unter Landsleuten zu arbeiten und zu leben.
Integration, insbesondere der Türken, fand nicht statt.
Es ist nun müßig zu hinterfragen, wer dafür verantwortlich ist. Die Folgen sind heute offensichtlich. Viele Türken (dies ist hier nur exemplarisch gemeint und trifft z.T. auch auf andere Ausländergruppen zu) der ersten Generation sprechen auch nach über 30 Jahren nur schlecht oder gar kein Deutsch und gaben dies an ihre Kinder weiter, die damit Probleme an deutschen Schulen bekamen. Die Folgen für viele junge Türken war, dass sie die deutschen Schulen nur mit schlechtem oder gar keinem Abschluss beendeten und damit weitaus schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben als andere.
Verschärft wird das Problem auch durch das mittlerweile quantitativ gute Angebot an türkischen Satellitensendern und Printmedien in Deutschland. Immer noch viele Kinder haben leider ihre ersten Erfahrungen mit Deutschen in Deutschland bei der Einschulung, bei der sie kein Wort Deutsch beherrschen, obwohl sie hier geboren sind.
An dieser Stelle will ich die Gretchenfrage auslassen, wer dafür verantwortlich ist. Die einen beklagen das mangelhafte Angebot, die anderen mangelhaftes Interesse, diese Angebote anzunehmen. Mittlerweile haben aber auch türkische Interessenverbände das Problem erkannt. Das Versagen des deutschen Staates auf der einen Seite, steht auch bei vielen Türken der Unwillen auf der anderen Seite entgegen, sich hier zu integrieren.

Diffuses Ausländerbild der Deutschen

So sind die Folgen meiner Meinung nach katastrophal. So sind die hier geborenen Ausländer, insbesondere viele junge Türken, Wanderer zwischen den Welten - weder deutsch noch türkisch. Verantwortlich dafür ist einerseits der deutsche Staat mit seinem antiquierten Staatsbürgerschaftsrecht aus Kaisers Zeiten und andererseits das immer noch vorhandene Denken vieler Türken, mit der fremden deutschen Kultur nichts zu tun haben zu wollen, da man ohnehin wieder in die türkische Heimat zurück möchte.
Ausbaden müssen dies die hier geborenen Nachkommen in der zweiten und dritten Generation, die die kulturelle Zerrissenheit zwischen ihrer Erziehung und den vermittelten Idealen und Werten, insbesondere denen des Islams auf der einen und der oft entgegenstehenden westlich-aufgeklärten Alltagsrealität auf der anderen Seite (hier nur als Beispiel "Sitten und Moral").
Darüber hinaus haben insbesondere Türken einen stark ausgeprägten Zusammenhalt, der vielen Deutschen fremd ist (es sei denn, die Fußball-Nationalmannschaft gewinnt eine WM oder EM).
So kommt es, dass vielen Deutschen wenn das Stichwort Ausländer fällt, spontan an Kopftuch tragende Türkinnen und aggressiv auftretenden türkischen Jugendgruppen denken. An dieser Stelle sei angemerkt, dass man natürlich nicht alle über einen Kamm scheren darf. Aber bei der großen türkischen Minderheit fallen die Probleme am gravierensten auf.

Türkische Notgemeinschaft

So hat sich bei vielen Menschen einen diffuses und sicherlich überwiegend ungerechtfertigtes Ausländer-/Türken-Bild breit gemacht. Das Klischee des sich zusammrottenden türkischen Mobs, der Probleme selbst löst, ist in vielen Köpfen verankert. Bedauerlicherweise wurden und werden diese Klischees auch durch die selten objektiv berichtende türkische Auslandspresse geschürt. Das Bild von der verfolgten und bedrohten türkischen Notgemeinschaft in Deutschland wird immer wieder propagiert.
Viele türkische Jugendliche schließen sich in Banden zusammen, um sich zu wehren bzw. zu verteidigen, ohne sich bewusst zu machen, dass sie damit für Ängste unter der deutschen Bevölkerung sorgen. Auch an dieser Stelle ist es wieder müßig zu fragen - was war zuerst da? Das Ei oder das Huhn? Die Gewalt an Ausländern oder die Gewalt durch Ausländer? Wohlgemerkt: Dies lässt sich nicht klären und soll keine Rechtfertigung für Gewalt in jeglicher Form sein.

Ausländerkriminalität ein Tabuthema

Sehr sensibel wird es immer beim Schlagwort Ausländerkriminalität. Während die einen Statistiken ins Feld führen, dass Ausländer krimineller sind als Deutsche, schaffen es die Gegner dieser These, mit der gleichen Statistik das Gegenteil zu erreichen. Jedenfalls wird (Gewalt-)Kriminalität von Ausländern an Deutschen - anders als von Deutschen an Ausländern - aufgrund der deutschen Vergangenheit als Tabuthema behandelt und genüsslich durch rechtsradikale Parteien ausgeschlachtet.
Nur so war das große Medieninteresse über Muliz A. ("Mehmed") erklärbar, der als Minderjähriger abgeschoben wurde.

Mangelhafte Integration als Problem erkannt

Die neu aufkeimende Diskussion zum Thema Zuwanderung hat zumindest dafür gesorgt, dass viele Integrationsfehler in der Vergangenheit nun endlich offen angesprochen werden. Meiner Meinung nach ist es legitim, auch die Gefahren von unkontrollierter und integrativ schlecht durchgeführter Einwanderung aufzuzeigen, ohne gleich in die Nazi-Ecke gerückt zu werden. Während noch vor wenigen Monaten als Unding seitens der Grünen diffamiert, dass Einwanderungswillige bzw. Bewerber um die deutsche Staatsbürgerschaft Deutschkenntnisse nachweisen müssen, bestreitet heute kaum eine Partei, dass Deutschkenntnisse eine Minimalvoraussetzung sind. Das ist weder Rassismus noch Ausländerfeindlichkeit. Es ist das legitime Recht einer Gesellschaft, darüber zu entscheiden, wen man aufnehmen möchte und wen nicht.
Dass dazu auch die Annahme einiger deutscher Gepflogenheiten (ob man sie nun Leitkultur nennt oder nicht) gehört, ist nach dem Scheitern der Integration vieler Millionen Ausländer in Deutschland dringender denn je, wenn man keine Zustände wie im klassischen Einwanderungsland USA (Chinatown etc.) haben möchte. Der dortige Schmelztiegel funktioniert dort schon lange nicht mehr.

So ist es umso wichtiger, ruhig und möglichst objektiv an das Thema heranzugehen, ohne allerdings die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
Anmerkung des Autors: Als überzeugter Demokrat sind mir rassistische Vorurteile fremd. Weder gibt es den Ausländer noch den Deutschen. Gutes oder schlechtes Benehmen, Gesetzestreue oder Moral sind nicht das Vorrecht einer bestimmten Kultur, Gruppe oder Nationalität. Aber alle hier lebenden Menschen - gleich welcher Nationalität - müssen im Zusammenleben Kompromisse eingehen, oder es findet kein Zusammenleben statt, sondern nur ein Nebeneinander mit den oben geschilderten Problemen.

MiWi