Politik

Überschätzt

Schulen ans Netz - warum eigentlich?

Komischerweise machen die Bildungsplaner immer dieselben Fehler. Klobige Filmvorführgeräte (vor 40 Jahren), Overheadprojektoren (vor 30 Jahren) und Sprachlabore (vor 20 Jahren) ließen Lehrer und vor allem Hausmeister im Schweiße ihres Angesichtes ihr Brot verdienen und sorgten für Erheiterung und manche Freistunde unter den Schülern.
Heute sind Computer und Internet für die Bildungspolitiker in den Bundesländern definitiv hip, ein Ausweis der Qualität des Unterrichts und der Fortschrittlichkeit. "Schulen ans Netz" - dieser Schlachtruf durchhallt die Kultusbürokratien. AOL, T-Online etc. überbieten sich, wenn es um den günstigsten Schul- oder Schülerinternetzugang geht. Und wehe der Landesregierung, die einen unterdurchschnittlichen Vernetzungsgrad ihrer Schulen zuläßt!
Und weil man schon mal so weit ist, träumen die Utopisten bereits von einem Terminal auf jeder Schulbank. Der Lehrer ist dann nur noch eine Art Lotse durch die Fährnisse des Cyberspace, wo die Schüler das notwendige Wissen abholen.
Die Realität sieht - natürlich - anders aus. Überalterte Lehrerkollegien bringen wenig Begeisterung auf, ein neues Medium so zu lernen, daß sie nicht von ihren Schülern vollkommen abgehängt werden - von pädagogischer Einbettung zu schweigen. Für die meisten Schüler ist der Netzanschluß an der Schule eine feine Sache, um kostengünstig zu surfen oder den eigenen Mail-Anschluß zu unterhalten, aber mehr? Nordrhein-Westfalen beispielsweise glänzt zwar mit hohen "Vernetzungsquoten" (wobei auch hier zu fragen wäre, ob etwa die Installation eines 28k-Modems im Schulsekretariat bereits das Prädikat "vernetzt" begründet), die Nutzung des Mediums verläuft jedoch eher zufällig und hängt schlicht von der Manpower ab.
Aber abgesehen von der ernüchternden Realität: Stimmt überhaupt die Grundidee? Was hat das Internet überhaupt mit Wissen zu tun? Ist jenes Minimum an Bildung, das eigentlich jeder Schüler mitkriegen sollte, aus dem Internet zu erwerben?
Die Antwort lautet nein. Lernen ist letztlich ein Vorgang, der zwischen Menschen stattfindet. Lehrer werden jahrelang ausgebildet, um die Technik des Wissensvermittelns zu beherrschen. Ein guter Lehrer ist kein Informationsautomat, der den Schülern Wissensbrocken auf Anforderung ausspuckt, sondern er erklärt Zusammenhänge und Strukturen, in die das Wissen eingebettet wird.
Denn woher soll man als Schüler von selbst eigentlich wissen, was man im Internet abholen und wie man es einordnen soll? Das geht nur, wenn man vorher die entsprechende Vorbildung hat - und die kriegt man nun einmal auf konventionelle Weise verpaßt.
Das Internet ist erst einmal nichts weiter als eine riesige, völlig ungeordnete und ziemlich unspezifische Datenbank. Es bietet Lösungen (etwa Tausende von fremden Hausarbeiten, die man ohne Aufwand kopieren kann), aber keine Lösungswege. Mittelfristig wird es einem auch den Spaß am Lernen nehmen, denn es verführt dazu, seine eigenen grauen Zellen gar nicht erst anzustrengen. Am Ende kennt man vielleicht den Unterschied zwischen Google und MetaGer, aber nicht unbedingt zwischen Kimbern und Teutonen, Wolga und Donau oder X- und Y-Chromosomen.
Internet? Ja! Computer? Ja! Aber bitte nicht ständig im Klassenzimmer, sondern höchstens als Angebot außerhalb des regulären Unterrichts für wirklich Interessierte und für vielleicht zwei, drei Wochen Intensivkurs für alle, die noch nichts damit am Hut haben. Mehr wäre schädlich.