Editorial

Kanzler in Stammtischlaune?

Schröder und seine Arbeits(losen)politik

Es ist schon so eine Sache mit unserem Bundeskanzler und der Arbeitslosigkeit. Über diese kann sich der Kanzler zwar persönlich nicht beklagen, ist er doch ständig dabei, verkorkste Gesetze und Reformen, die seine Regierung in dieser Legislaturperiode zusammen geschustert hat, nachzubessern. Aber stellt ihn die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik vor Rätsel die 1998 noch keine für ihn waren.

Null Problemo!

Vor und kurz nach den Bundestagswahlen 1998 schien es nämlich noch so, als ob mit dem Regierungswechsel auch die Arbeitslosigkeit nun verschwinden würde, wenn man Schröders Worten damals glauben schenkte. Schließlich bemerkte der Kanzler, dass man sich an der Höhe der Arbeitslosenzahlen messen lassen würde, und damit nicht genug, er erklärte kurz nach seiner Wahl zum Bundeskanzler die Arbeitslosigkeit zur Chefsache.
Markige Worte! Wissen wir doch heute, dass der Stempel "Chefsache" keine echte Erfolgsgarantie ist. Schaue man sich nur die Situation in den neuen Bundesländern an, wo die Arbeitslosenquoten immer noch weit über denen im Westen liegen, obwohl auch der "Aufbau Ost""eigentlich Chefsache sein sollte.
Zwar muss man zugeben, dass sich die Situation am Arbeitsmarkt zur Zeit des Regierungswechsels entspannte, doch war dies auch schon zum Ende der Ära Kohl zu beobachten. Nun mag der engagierte Sozialdemokrat sagen, dass dies mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zusammen hing, dennoch lässt sich auch nicht abstreiten, dass sich die ganze Wirtschaftssituation in Euroland verbesserte. Ebenso wie sich die Asienkrise 1998 etwas abschwächte und die US-Konjunktur keinesfalls an ein Einknicken dachte. All diese unterschiedlichen Faktoren halfen Gerhard Schröder, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Jedoch muss noch einmal unterstrichen werden, dass die Regierung hierzu kaum einen Beitrag leistete, sondern von der Weltwirtschaft getragen wurde.

Illusionen

Von diesem Effekt scheinbar völlig benebelt, war der Kanzler nun nicht mehr zu bremsen. Hinzu kam, dass sich dieser Trend trotz vieler Versuche nicht einmal von der Regierung selbst stoppen ließ. Muss man doch annehmen, dass der Regierung sinkende Arbeitslosenzahlen nicht gefallen. Wie sonst könnte man sich Aktionen wie die Öko-Steuer, das 630 Mark Gesetz oder die Steuerreform erklären? (Erwartet bitte von mir keine Antwort).
Da der Kanzler nun bezaubert von den Arbeitsmarktdaten Morgenluft witterte, sprach er noch vor Kurzem in einem Interview davon, dass die Regierung am Ziel festhalte, die Arbeitslosigkeit bis zum Ende der Legislaturperiode unter die Drei-Millionen-Marke zu senken.
Diesen Kommentar musste er dann aber auch schnell revidieren und tat es als Versprechen ab, als selbst die eigenen Parteigenossen das Erreichen dieses Ziels stark in Frage stellten.
Dies zeigt auch ein Stück den mangelnden Weitblick von Rot-Grün und den des Kanzlers. Schließlich lässt er immer noch die konjunkturellen Entwicklungen bei seinen Überlegungen außen vor. Glaubt er doch immer noch ernsthaft an ein etwa gleiches Wachstum der Wirtschaft in diesem Jahr, verglichen mit dem letzten. Wirtschaftsinstitute gehen aber in Teilen schon von einem Wachstum von ca. 1,9% aus. Zugegeben, dies ist die absolut unterste Grenze, aber egal wie das Wirtschaftswachstum am Ende aussieht, es wird sich verringern und die Arbeitslosenquote weniger stark sinken lassen. Nun muss man sich fragen: Hat der Kanzler dies endlich begriffen?
Meine Antwort lautet: Ja!

Harte Worte

Er muss es begriffen haben und versucht nun, wie für ihn üblich, mit einem "BASTA!" die ganze Sache zu beenden. Denn der Kanzler weiß, dass seine Versprechen bezüglich der Arbeitslosigkeit jenseits von Gut und Böse waren, und dass eben diese Arbeitslosigkeit als Messlattte für seinen Erfolg die Unfähigkeit von Rot-Grün offenlegen wird.
Einzig und allein damit ist die Forderung des Kanzlers zu begründen, die, wie er sie nennt, "Drückeberger" zur Arbeit zu zwingen. Wendehals Bundeskanzler? Wirft er der CDU/CSU mit ihrer Diskussion um die Leitkultur, die ernsthaft geführt extrem wichtig war und ist für die Zukunft der Bundesrepublik, Stammtischparolen vor, muss er sich den gleichen Vorwurf jetzt auch gefallen lassen.
Zugegeben, es gibt unter den Arbeitslosen Menschen, die sich vor zumutbarer Arbeit drücken und lieber auf Staatskosten leben, allerdings sind diese Personen beileibe die Minderheit. Dennoch erweckt der Kanzler mit solchen Reden den Missmut in der Bevölkerung gegen Arbeitslose. Vielmehr sollte sich dieser Missmut aber gegen die Arbeitslosigkeit wenden. Man muss Schr6ouml;der hier verbal etwas auf die Finger geben, da er versucht, von seinem Scheitern abzulenken, und das auf Kosten derer, die ohnehin am meisten unter der Arbeitslosigkeit leiden: den Arbeitslosen.

M.P.