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DIE DDR-STAATS-SICHERHEIT
Schild und Schwert der Partei
von Jens Gieseke, unter Mitarbeit von Doris Hubert

Herausgegeben von der Abteilung Bildung und Forschung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung.
Schon der Untertitel dieser Publikation über die DDR-Staatssicherheit besagt, welches Selbstverständnis das Ministerium für Staatssicherheit hatte und welche Rolle es spielte: Schild und Schwert der Partei. Somit lag seine Aufgabe nicht etwa darin, die Sicherheit des von der Bundesrepublik im übrigen nie anerkannten Staates DDR zu gewährleisten, sondern als Apparat der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) deren Machterhalt zu sichern und zu gewährleisten. Einem in dem Werk nachzulesenden Zitat von Wilhelm Zaisser, dem ersten Minister für Staatssicherheit, kann man entnehmen, daß sich die Angehörigen der Staatssicherheit gar als eine Art Elite der Partei verstanden: "Wir sind besonders überprüft. Wir sind besonders gute Genossen. Wir sind sozusagen die Genossen erster Kategorie!"
Der Genosse erster Kategorie, Wilhelm Zaisser, wird wenig später selbst Opfer des Systems. Entlassung als Minister, Ausschluß aus dem Zentralkomitee der SED und schließlich aus der Partei selbst.
Während der letzten Tage und Wochen der DDR als weitestgehend abgeschotteter Staat hatte die Staatssicherheit eine Personalstärke von 91.015 hauptamtlichen Mitarbeitern erreicht. Diesen arbeiteten rund 175.000 inoffizielle Mitarbeiter zu.
Somit kamen auf 1.000 DDR-Bärger ca. 5,5 Mitarbeiter der Staatssicherheit. Damit übertraf man die sozialistischen Brüderländer bei weitem, in der vormaligen Sowjetunion lag das Verhältnis bei rund 1,8 Personen je 1.000 Einwohner.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in acht Kapitel, die zudem durch eine Chronik ergänzt werden. Im ersten Kapitel wird auf die Staatssicherheit als ein "spezielles Organ der Diktatur des Proletariats" eingegangen.

Antifaschistische Lebenslüge

Bei der Geschichte der verschiedenen Vorläuferorganisationen der Staatssicherheit vor der eigentlichen Gründung der DDR in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) werden dankenswerterweise auch die unmittelbar nach Kriegsende eingerichteten Speziallager behandelt. In diesen Lagern wurden vermeintliche oder tatsächliche NS-Aktivisten interniert, zumeist handelte es sich dabei jedoch um Sozialdemokraten und Politiker bürgerlicher Parteien, die den neuen Machthabern nicht genehm waren. Ein anderer interessanter Aspekt wird mit der Verfolgung jüdischer Gemeinden aufgegriffen, die mit antisemitischen Säuberungen in der Sowjetunion einhergingen.
Über vierhundert Juden mußten aus der DDR fliehen, darunter allein fünf der insgesamt acht Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinden. Soweit zum Anti-Faschismus des DDR-Sozialismus - in Wirklichkeit eine Lebenslüge. Denn wie erst unlängst eine Veranstaltung des BStU an den Tag brachte, waren rechtsextreme Propaganda in der vormaligen DDR ebenso wie Schändungen jüdischer Friedhöfe durchaus keine Ausnahmeerscheinungen. Vielmehr wurden solche Vorkommnisse tabuisiert, schließlich paßten sie nicht in die geltende Staatsdoktrin.
Die Geschichte der DDR-Staatssicherheit wird auf 120 Seiten kompakt und kompetent abgehandelt, bis hin zu ihrem Machtzerfall und ihrer Auflösung. Das Heft ist durchgehend sehr dicht mit Fotos, Zitaten, Faksimiles und Graphiken illustriert und trotz der komplexen Materie gut lesbar. Für denjenigen, der sich mit diesem Thema schon näher befaßt hat, bietet die Darstellung freilich wenig an neuen Erkenntnissen. Dies ist auf etwas über 100 Seiten auch kaum möglich. Dagegen liegt der Verdienst dieser Abhandlung darin, den idealen Einstieg und Überblick zur DDR-Staatssicherheit zu ermöglichen. Entsprechend angeregt kann man sich anhand der abgedruckten umfangreichen Literaturauswahl dem Thema bei Bedarf von weiteren Blickwinkeln heraus nähern.
Bezogen werden kann der Titel gegen Erstattung der Versandkosten unmittelbar beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Abteilung Bildung und Forschung, Postfach 218, 10106 Berlin, E-Mail: post@bstu.de. Besser bekannt unter Berliner Gauck-Behörde, wenngleich dieser nach Joachim Gauck mit Marianne Birthler nun eine Frau als Bundesbeauftragte vorsteht.