Politik

Lehmann doch Kardinal

Zur allgemeinen Überraschung hat Papst Johannes Paul II. den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, den Mainzer Bischof Karl Lehmann, nun doch zum Kardinal nominiert. Bei der ersten Ernennung von knapp 40 neuen Purpurträgern waren zwar die Deutschen Leo Schefczyk (ein der Öffentlichkeit weitgehend unbekannter Theologe, der das Papstwahlalter von 80 Jahren bereits überschritten hat) und der Kurienbischof Walter Kasper, der als eher "progressiver" Theologe gilt, ernannt worden. Doch Lehmanns Name fehlte, was bei vielen deutschen Katholiken auf Unverständnis stieß.
Allerdings gab es durchaus Gründe für Lehmanns Nichtnominierung. Der Hirte des kleinen Bistums Mainz wird im Gegensatz zu denen von Köln, München/Freising und Berlin nicht fast automatisch mit der Kardinalswürde bedacht. Zudem ist Deutschland, gemessen am Anteil der deutschen Katholiken an der katholischen Weltbevölkerung, im Kardinalskollegium keineswegs unterrepräsentiert.
Warum also die überraschende Ernennung? Am plausibelsten ist wohl, daß Johannes Paul II. den deutschen Bischöfen nach dem heftigen Streit über die Ausstellung oder Nichtausstellung von Scheinen in katholischen Schwangerenberatungsstellen die Hand zur Versöhnung reichen will. Allerdings dürfte das Bild von Lehmann als "Rebellenbischof", wie es die internationale Presse zeichnet, dem klugen Integrator nicht gerade entsprechen.
Was den Papst so lange davon abhielt, Lehmann zum Kardinal zu ernennen, ist vielleicht sein tiefverwurzeltes Mißtrauen gegenüber dem (nicht nur deutschen) Gremienkatholizismus. Es fällt auf, daß: der Papst eine Schwäche für Organisationen mit einem gewissen antiinstitutionellen Charakter hat. Das scheint paradox, ist vielleicht aber der tiefere Grund, warum etwa zweifelhafte Laienbewegung wie etwa "Opus Dei" den Segen des Papstes haben. In seiner Abneigung gegen festgefahrene Gremien und Hierarchien könnte sich der Papst überraschend mit den anderen Kritikern der "Amtskirche" treffen.

G.D.