Politik

König Kurt als schlechte Kopie

Wie sich die Bilder gleichen. Da gab es 1996 einen langsam unruhig werdenden "Kronprinz" namens Wolfgang Schäuble und einen Bundeskanzler namens Helmut Kohl, der keineswegs daran dachte, dem Jüngeren Platz zu machen, sondern es auch bei der nächsten Wahl "noch einmal wissen wollte",. Wir alle wissen, daß es gegen Schröder nicht mehr reichte.
Der vielleicht heftigste parteiinterne Kritiker Helmut Kohls war Kurt Biedenkopf, der sächsische Ministerpräsident. Schon als CDU-Generalsekretär in den Siebzigern predigte er Diskussions- und Streitkultur. Kohl attackierte er vor allem, weil er mit seinem überältigenden Einfluß die CDU lähme.
Was sich zur Zeit in Sachsen abspielt, läßt einen jedoch verwundert die Augen reiben. Von "Streitkultur" keine Spur. Biedenkopf hat seinen Finanzminister Georg Milbradt entlassen. Nicht etwa, weil dieser unfähig sei; im Gegenteil ist Milbradt so angesehen, daß er seit Jahren Verhandlungsführer der öffentlichen Arbeitgeber ist; ein Job, der Härte, Geschmeidigkeit und vor allem Fachwissen verlangt. Aber, so Biedenkopf in einer (gezielten?) Indiskretion gegenüber Journalisten, Milbradt sei ein schlechter Politiker, der au&zlig;erhalb seines Fachbereiches "einen Fehler nach dem anderen" mache.
Das Spiel, das hier gespielt wird, geht natürlich wie immer um die Macht. Milbradt hat Ambitionen auf den Chefsessel, denn Biedenkopf ist 71 und will, auf Druck der in letzter Zeit nicht mehr so handzahmen Fraktion, nach der Bundestagswahl 2002 irgendwann abtreten. Allerdings hatte er sich dieses Abtreten so ungefähr nach der Art der römischen Adoptivkaiser vorgestellt: Der abdankende Kaiser (hier: König) erwählt aus der Schar seiner Getreuen (Minister und Fraktionsgranden) seinen Nachfolger und haucht ihm so Legitimität ein.
Milbradt hingegen schwebte ein Szenario vor, in dem die Partei den Nachfolger ohne störenden Einfluß des amtierenden Ministerpräsidenten kürt.
Was der Entlassung vorausging, ist wie so oft zwar leicht zu schildern, aber schwer zu werten. War die (knapp gescheiterte) Kandidatur des Milbradt-Vertrauten Metz gegen den amtierenden, nur von Biedenkopfs Gnaden abhängigen Fraktionschef Hähle ein erster Schritt in einem weiträumig konzipierten Komplott, um Hähle auch als CDU-Parteichef in Sachsen zu erledigen und den Posten damit für Milbradt freizumachen? Womit Milbradt beste Chancen als Ministerpräsidenten-Kandidat hätte?
Oder war es mehr eine Mischung aus dem wachsenden Ärger der Fraktion über Biedenkopfs Abgehobenheit und der Befürchtung, Biedenkopf könne, immer noch ausgestattet mit gewaltiger Popularität, selbst entscheiden, wer sein Nachfolger werde?
Schwer zu sagen. Jedenfalls hat Biedenkopf nur einen Zwischensieg errungen. Zwar ist Hähle weiter im Amt und Milbradt geschaßt. Aber niemand kann Milbradt daran hindern, demnächst als CDU-Vorsitzender zu kandidieren - im Gegensatz zu den Kabinettsmitgliedern, denen es Biedenkopf (man glaubt es kaum) faktisch "gverboten" hat. Das ganze kann für den kleinen König zu einem fürchterlichen Rohrkrepierer werden.
Aber die größte Ironie bei der Sache ist, daß Biedenkopf genauso schamlos, wie er es Kohl immer vorgeworfen hat, versucht, die Macht in der CDU (hier eben in Sachsen) zu zentralisieren.
Kohl hat angeblich neben sich niemanden hochkommen lassen. Im Vergleich mit Biedenkopf war er der reinste Nachwuchsförderer.

G.D.