Leverkusen

Schulen im Ausnahmezustand!?!

In diesem 3. Teil wollten wir eigentlich gezielt über die Leverkusener Schulen berichten. Aber leider kam keiner der von uns an alle Leverkusener Schulen verschickten Fragebögen ausgefüllt zurück. Vielleicht liegt dies an Anordnungen einer höheren Stelle , wer weiß.
Deswegen bringen wir in dieser Ausgabe den Bericht eines Schülers (ein Danke an die "Kollegen" der BILD) und ein Interview mit einem Lehrer der auf Wunsch anonym bleiben möchte.
Das angekündigte Interview mit dem Oberbürgermeister Paul Hebbel kann leider erst in der nächsten Politeia erscheinen.

Diesen Bericht schickte ein Kölner Gymnasiast (Name der Redaktion bekannt) im 12. Schuljahr an BILD.
Woran erkennt man Köln? Am Kölner Dom, am Kölsch und an den miserablen Schulen. Schimmel an den Wänden, der Putz bröckelt von der Decke. An einer anderen Schule müssen Erstklässler mit Pantoffeln in die Schule, damit der einmal im Monat geputzte Boden nicht verdreckt - kein Geld für Putzfrauen. Na ja, immer noch besser als die Zweitklässler, die mit Gummistiefeln das Einmaleins lernen, weil ihre Containerklasse einen feuchten Boden hat.
Wirklich schlimm ist, dass man sich nach einigen Jahren als Schüler daran gewöhnt, dass jede Schule aussieht wie eine Haftanstalt, dass Außenwände nur gestrichen werden, wo Bill Clinton während des G8-Gipfels vorbeifährt und dass man sich im Sportunterricht, der sowieso nur einstündig ist, nicht auf die Matte fallen lässt, weil die Matten schon lange nicht mehr weich und schonend sind.
Bauliche Mängel sind nur eine Seite des Wahnsinns, der in Schulen stattfindet. In der ersten vollen Woche nach den Sommerferien waren 31 Stunden angesetzt, 24 davon fanden statt. Bei den übrigen sieben Stunden - rechnerisch ein ganzer Schultag - erschien entweder überhaupt kein Lehrer. Oder er schaute nur kurz ins Klassenzimmer und sagte: "Kann leider nicht unterrichten. MUSS dringend in eine Konferenz, beschäftigt euch irgendwie..."

Montag: Doppelstunde Geschichte. 90 Minuten lang gehen wir Namenslisten, Lehrpläne und allgemeine Benimmregeln durch. Dann Besprechung der Semesterthemen: Mittelalter und Erster Weltkrieg. Den Ersten Weltkrieg habe ich in meiner Schulkarriere schon zwei Mal durchgenommen. Die nächsten beiden Stunden -Philosophie - fallen aus. Ist der Lehrer krank? Auf Fortbildung? Das Sekretariat weiß es nicht. Stunde 5 bis 8 finden statt. Wieder Lehrpläne, Benimmregeln.

Dienstag: Die ersten beiden Deutsch-Stunden fallen aus. Geplant war die Lektüre von Goethes "Faust". Siebte Stunde wieder Geschichte. Wir müssen eine schlecht kopierte Schwarzweiß-Darstellung eines mittelalterlichen Dorfes bunt ausmalen.
Vorgabe des Lehrers: "Das Wasser muss blau sein." Ich pack es nicht.

Mittwoch: Nur drei Stunden sind angesetzt. Der Philosophie-Lehrer ist zurück und berichtet von einem schweren chronischen Leiden, das ihn plagt. Er entschuldigt sich für die ausgefallenen Stunden am Montag. Dann erklärt er sein Unterrichtsmotto: "Ich bin ungerecht. Auch gute Schüler kriegen bei mir manchmal schlechte Noten." Ich überlege, ob ich den Kurs abwählen soll. Mein Stundenplan hätte dann aber zu wenig Wochenstunden. Also: Augen zu und durch. Der Philosophielehrer fragt: "Wie würden Außerirdische den Menschen sehen?"
Nach 45 Minuten endet die Stunde mit der Streitfrage nach der Farbe der Außerirdischen.
Wie sie uns wohl sehen, haben wir nicht klären können.

Donnerstag: Heute sind zwei Mathestunden ausgefallen - das Kollegium hat eine "interne Besprechung" abgehalten. Ein Ersatzlehrer war nicht zu finden.

Freitag: Die Kunstlehrerin ist mit einem Kurs auf Architekturfahrt. Deshalb fällt heute der Kunstunterricht aus.

Nach Schulschluss frage ich mich, was ich diese Woche für mein späteres Leben gelernt habe. Antwort: Wenig. Ich hoffe, ab heute wird es besser.

 


 

Nach unserem letzten Artikel bekamen wir ein Fax. In diesem Fax versuchte ein Lehrer Stellung zu den Problemen Lehrermangel und Unterrichtsausfall zu nehmen. Auf seinen eigenen Wunsch möchte er jedoch anonym bleiben. Diesen Wunsch möchten wir natürlich entsprechen.

Unterrichtsausfall - ein vermeidbares Problem?

Der Unterrichtsausfall an den Schulen in NRW ist zum Wahlkampfthema für die bevorstehenden Landtagswahlen geworden. Die Parteien streiten darüber, wie bei leeren Kassen die Unterrichtsversorgung gewährleistet werden kann, und wie der allgemeine Wunsch nach qualifizierter Bildung verwirklicht werden kann.
Unterrichtsausfall hat ganz verschiedene Ursachen. Immer dann, wenn die vorgesehene Lehrperson nicht den planmäßigen Unterricht erteilt, sprechen Schüler und Schülerinnen und die Eltern davon, dass Unterricht ausgefallen sei, auch dann, wenn ein kurzfristig eingeplanter Vertretungsunterricht stattgefunden hat. Hier ist auch ganz klar an die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler zu appellieren. Keine Lehrperson, die zur Vertretung eingesetzt wird, würde wahrscheinlich den Wunsch von Schülerinnen und Schülern ablehnen, selbstständig in Gruppen den zur Zeit im Fachunterricht laufenden Unterrichtsstoff zu wiederholen, zu vertiefen oder in Übungen zu festigen. Nur wenige Klassen sind zu solch eigenständigem Lernen bereit und fähig. Hier muss auch im Denken der Schülerschaft noch einiges geschehen, um Vertretungsunterricht nicht als willkommene Ruhepause anzusehen.
Moderner Unterricht verlangt oft ein Arbeiten, das abweicht von den Methoden eines Unterrichts, der ausgeht von einer Einteilung in starre 45-Minuten-Einheiten. Projekte, die oft einen Vormittag oder länger laufen. Unterrichtsgänge, die das Lernen an außerschulischen Orten ermöglichen sollen, werden heute von allen gesellschaftlichen Gruppen erwartet und von der Schule auch möglichst durchgeführt. Dazu ist aber immer auch der Einsatz von Lehrpersonen nötig, die dann natürlich an anderer Stele im Stundenplan wieder zu ersetzen sind.
Um den sich wandelnden Anforderungen an Schule gerecht zu werden, besuchen Lehrerinnen und Lehrer Fortbildungen, die oft ganztägig oder mehrtägig durchgeführt werden. Auch hier kann häufig der geplante Unterricht nicht im vorgesehenen Rahmen durchgerührt werden. Häufig profitieren allerdings Schülerinnen und Schüler davon, dass die Lehrpersonen zur Fortbildung waren, weil anschließend ein effektiverer oder motivierender Unterricht stattfindet, so dass die ausgefallene Zeit schnell wieder aufgeholt wird.
Ein weiterer Grund für Unterrichtsausfall sind die sogenannten Unvorhersehbarkeiten. Damit ist z. B. der Unterrichtsausfall gemeint bei plötzlich eintretender Krankheit einer Lehrperson. An den Schulen gab es früher die sogenannte Vertretungsreserve. Das bedeutete, dass eine bestimmte Stundenzahl der Lehrerinnen und Lehrer freigehalten wurde, um kurzfristig Vertretungsunterricht an der eigenen Schule übernehmen zu können. Diese Vertretungsreserve ist aus Kostengründen vor einigen Jahren gestrichen worden, obwohl gerade sie ein geeignetes Instrument zur Vermeidung kurzfristiger Unterrichtsausfälle war. Ein Vertretungslehrer stand an der eigenen Schule also immer bereit, der sich mit der Schulsituation und der Schülerschaft auskannte. Der sogenannte Pool von Vertretungslehren, der den Grundschulen zur Verfügung steht, kann nicht so effektiv und kurzfristig Abhilfe schaffen.
Vor allem die Eltern jüngerer Schülerinnen und Schüler beklagen, dass ihre Kinder oft früher als geplant aus der Schule nach Hause kommen. Das bringt häufig Probleme bei der Berufstätigkeit der Eltern. Hier wird gefordert. Schulen sollten generell alle Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur sechsten Stunde in der Schule halten. Wer das fordert, muss sich klar darüber sein, dass Schule dann viel mehr leisten soll als bisher von ihr schon verlangt wird. Neben der Vermittlung der Kulturtechniken hätte damit Schule auch die Aufgabe einer sozialpädagogischen Freizeitbetreuung zu übernehmen. Diese Aufgabe kann aber angesichts der zur Verfügung stehender Räumlichkeiten und der leeren Kassen sicherlich in absehbarer Zeit nicht übernommen werden.

D.R. / I.H.