Editorial

Sparpaket

Sparen am falschen Ende?

Die Regierung Kohl ist nun seit einem Jahr Geschichte, und Gerhard Schröder regiert nun ein Jahr diese Republik. Während nun so ziemlich alle rot-grünen Reformprojekte im Sande verlaufen sind, klammert sich das Kabinett an seine letzte Bastion - das Sparpaket.
Bundeskanzler Schröder und Bundesfinanzminister Eichel werden nicht müde, bei jeder Gelegenheit der versammelten Presse vorzuweinen, was für einen finanzpolitischen Saustall Kohl und Waigel denn hinterlassen hätten, so dass man dem Bürger nun eine wahre Rosskur zumuten müsse. Doch ist dies richtig?
Zugegeben, mit fast 100 Milliarden Mark Tilgung und Zinszahlungen kommt der Posten der Bundesschulden gleich hinter dem des Sozialministers. Jede vierte Mark verschwindet bei den Gläubigern.
Bei der Wahl von Bundeskanzler Kohl 1983 zum Bundeskanzler betrug die Pro-Kopf-Verschuldung der Bürger ca. 5000 DM - das entsprach ca. 350 Milliarden DM, die bis 1989 auf ca. 7000 DM pro Kopf anstieg.


11000 DM Schulden pro Kopf

Dann kam die Wende und leider auch ihre unangenehmen oder teuren Begleiterscheinungen: Umtausch in DM 1:1/Staatsschulden der DDR/Sanierung maroder Betriebe/marodes Verkehrsnetz/schlechte Bausubstanz usw.
Das sorgte dafür, dass die Schulden der Treuhand, der Bundesbahn, der alten DDR die Staatsverschuldung des Bundes auf über eine Billion Mark (ca. 11000 DM pro Bürger) ansteigen ließ. Eine gewaltige Menge Geld. Es ist nun müßig zu streiten, ob die Übernahme der Schulden der DDR zu verhindern gewesen wäre. Wohl kaum.
Jedenfalls läßt sich erahnen, dass der alten Regierung kaum eine Wahl blieb, als neue Schulden machen.


Unhaltbare Versprechungen

Eine richtige Schweinerei ist es aber, was sich Lafontaine und Schröder im letzten Wahlkampf geleistet haben. Nachdem das alte Kabinett teilweise schmerzhafte Schnitte im Sozialsystem vorgenommen hatte, stellten die Sozialdemokraten dieses als boshaften Angriff auf sozial Schwache hin.
Und was wurde da nicht alles versprochen: Weniger Steuern, Rücknahme aller sozialpolitischen Reformen (Rente, Krankenversicherung) usw.
Natürlich dauerte es nur wenige Tage, bis Lafontaine eingestehen musste, dass die ganzen Versprechungen des Wahlkampfes kaum einzuhalten wären, da man nach Durchsicht der Bücher "gemerkt" habe, dass kein Geld da sei. Eine wahrhaft phänomenale Aussage. Als ob der Bundeshalt nicht jedes Jahr im Bundestag verabschiedet würde. Als ob nicht jede ausgegebene Mark bekannt wäre.
Das hielt Lafontaine aber nicht davon ab, weiterhin Wahlkampfgeschenke zu verteilen, bis der neue Bundeshaushalt an den Rand der Verfassungswidrigkeit taumelte (mehr Zinszahlungen als Investitionen).
Doch die Suppe dafür muss nun ein anderer auslöffeln, nachdem sich unser Genießer Lafontaine mit einer fetten Ministerpension in den Ruhestand verabschiedete und zum Buchautor umsattelte.
Finanzminister Eichel versucht sich nun im eisernen Sparkurs und ist damit auf dem richtigen Weg. Leider geht er mit der Rasenmähermethode vor. Auch der Bildungs- und Forschungsetat wird gekürzt, was dem Wahlversprechen der Verdoppelung der Forschungs- und Bildungsmittel leicht entgegenwirkt. Beamtengehälter werden ähnlich der Rentenanpassung in den nächsten Jahren nur der Inflation angeglichen.
Doch nun wäre endlich einmal Zeit, alles auf den Prüfstand zu stellen - insbesondere die Subventionen. Jedes Jahr gehen unzählige Milliarden in Industriebereiche, die dem Untergang geweiht sind, wie Kohle und Werften. Jeder Steinkohlebergbauarbeitsplatz in NRW kostet 150000 DM Subvention pro Jahr. Jede Tonne Steinkohle die hier aus der Erde geholt wird kostet 260 DM, während eine Tonne USA-Kohle mit gerade mal 20 DM zu Buche schlägt. Ein Wahnwitz.


Gigantisches Potential

Im Norden ist es nicht viel besser: Mit jedem Containerschiff gehen Millionen den Bach herunter, um mit Billiglohnländern wie Süd-Korea konkurrieren zu können. Hier entsteht wahrlich kein neuer Arbeitsplatz. Wenn man sich dann auch noch das teilweise junge Alter der Bergleute ansieht, fragt man sich, wie man zulassen konnte, dass Menschen heute immer noch einen Beruf erlernen können, der so massiv vom öffentlichen Tropf abhängt.
Hier gibt es ein gigantisches Sparpotential, und das Geld wäre frei für andere Industriebereiche.
Fazit: Sparen ist bitternötig. Aber es sollten alle Sparmöglichkeiten auf den Tisch kommen.

MiWi