Leverkusen

Ein Erdrutsch und seine Folgen

Die CDU gewinnt die Kommunalwahlen souverän

Seit Sonntag, dem 12. September 1999, sieht Leverkusen politisch anders aus. Die SPD, einst dominierende Partei, brach von 37,4% auf 29,9% ein, während die CDU von 37,1% auf 46,4% zulegen konnte. Die Grünen (-3,3%) mußten Federn lassen, während die Bürgerliste (+1%) leicht zulegen konnte. Die UWG (eine Abspaltung der Bürgerliste) kam auf 2,1%, die FDP auf 3,6% (-0,3%). Die Interessengemeinschaft Pro Opladen schaffte 1,5%. Alle diese Parteien und Gruppierungen sind im Rat vertreten.
Keine Rolle spielte die PDS.

Grafik

Bei der erstmals stattfindenden Bürgermeisterwahl kam es noch dicker. CDU-Kandidat Paul Hebbel schrammte mit 49,6% nur knapp an der absoluten Mehrheit vorbei. Amtsinhaber Dr. Walter Mende (SPD) kam auf 32,6%, so daß eine Stichwahl notwendig ist.
Das Ergebnis fiel in anderen Städten Nordrhein-Westfalens ganz ähnlich aus. Bei geringer Wahlbeteiligung blieben die eigentlichen Anhänger der SPD zu Hause, verärgert und tief enttäuscht über die Politik der Bundesregierung (siehe Seite 3). Und wer wählen ging, tat dies oft in einer "Einmal und nie wieder"-Stimmung. Die "Neue Mitte" ist bedient.
Trotzdem zeigt das Leverkusener Ergebnis auch interessante Differenzierungen, die lokal bedingt sind. Besonders wurden die "roten Hochburgen" geschleift. So fielen etwa früher bombensichere SPD-Gebiete wie Manfort und Rheindorf an die CDU. Besonders kraß Rheindorf-Mitte, der alte Wahlkreis des früheren SPD-OBs Horst Henning: Hier gelang Rüdiger Scholz (CDU) ein phantastischer Zuwachs von 15% (von 33,7% auf 48,7%), nicht zuletzt zurückzuführen auf einen extrem intensiven Wahlkampf mit Hausbesuchen bei fast allen Wählern.
Wieder einmal Top-Scorer der Union ist aber eine Frau: Christine Richerzhagen verbesserte ihren ohnehin schon hohen Stimmenanteil in Quettingen-Ost um 11,3% auf 55,2%. Auch hier dürften einige Prozentpunkte nicht nur auf einen Anti-Schröder-Heugel-Effekt, sondern auch auf die engagierte Arbeit der quirligen Ratsfrau zurückzuführen sein.
Auch CDU-Fraktionschef Klaus Hupperth gelang in Lützenkirchen-Ost ein schöner Erfolg (50,8%, +12,2%).
JU-Kandidat Christopher Krahforst konnte zwar nicht mit solchen Steigerungsraten aufwarten. Allerdings mußte er sich im Kerngebiet von "Pro Opladen" behaupten, so daß der Gewinn seines Wahlkreises mit 41,6% (+7%) mehr als respektabel ist. Der 19jährige dürfte der jüngste Leverkusener Ratsherr aller Zeiten sein.


Die Folgen

Die Folgen sind wirklich spannend. Im 58 Sitze starken Rat hat die CDU nun 27 Sitze, die SPD 17, die Bürgerliste 6, die Grünen 4, die FDP 2 und UWG und Pro Opladen je 1. Die Stimme des Oberbürgermeister kommt noch hinzu. Bei einem Oberbürgermeister Paul Hebbel (das Ergebnis stand bei Entstehung dieses Artikels noch nicht fest) würde eine CDU/FDP-Koalition in den meisten Fragen eine knappe Mehrheit haben (der OB darf in einigen Punkten - etwa Personalfragen - nicht mitstimmen). Mit der UWG und Pro Opladen, über deren politische Konzepte nicht allzu viel bekannt ist, gäbe es eine komfortable Mehrheit im Rat.
Die neue CDU-Fraktion ist so stark, daß ihr automatisch eine Führungsrolle zufällt. "Die sollen mal machen", grummelt die geschlagene SPD enttäuscht. So ist es. Der konziliante CDU-Kurs der Vergangenheit muß der Realität angepaßt werden, er ist durch das Wahlergebnis passé. Oder glaubt tatsächlich jemand ernsthaft, die schwer geschlagene, fast gedemütigte SPD werde nun als geschrumpfter Juniorpartner der CDU weitermachen? Niemand kann ihr verdenken, wenn sie in die Opposition strebt.
Jetzt muß die Union Farbe bekennen und in Bereichen wie Verkehrs-, Schul- und Wirtschaftspolitik der Stadt ihren Stempel aufdrücken.
Aber: Vor Hybris sei gewarnt. Dieser Sieg ist bis auf weiteres nur geliehen. Arroganz der Macht und Abzockermentalität dürfen sich nicht breit machen. Die Verwaltung bleibt rot gefärbt. Jeder Fehler, jede Dummheit, jeder noch so kleine Korruptionsverdacht wird bei der Presse landen. Auch das hat sich geändert.


Die Kleinen

Überraschend schwach schnitt die FDP ab. 3,6% in der früher durchaus liberalen Stadt Leverkusen - das ist indiskutabel, besonders wenn man bedenkt, daß die 5-Prozent-Hürde nicht mehr existiert und damit den Wählern die Angst genommen war, eine Stimme an die FDP gehe verloren. Unter der UWG konnten sich die meisten Bürger einfach nichts vorstellen. Und "Pro Opladen" dürfte wohl ausschließlich wegen seines klingenden Namens gewählt worden sein - eine späte Reaktion auf die Eingemeindung 1975. Es ist unverständlich, warum diese Gruppierung ausgerechnet für den Rat und nicht für den Bezirk II antrat - dort hätte man sich lokal profilieren können. Das wird im Rat nur schwer möglich sein.
Angesichts der Tatsache, daß alle drei Kleinen die Fraktionsstärke (3) und damit städtische Zuschüsse für Büromaterial, Schreibkräfte etc. verfehlt haben, könnte es noch überraschende Änderungen geben - etwa eine Fraktionsgemeinschaft. Aus Gründen der Waffengleichheit wäre dies sogar wünschenswert.
Die Zeiten werden spannend. Nur wenn die Union ihre überraschend zugefallene Macht verantwortlich nutzt, wird sie diesen Sieg auch wiederholen können.