Satire

Ladenschluß, mal anders

Wie die Regierung das Sommerloch füllte

Positano in Norditalien. Die Sonne lacht, das Leben ist schön, die Vögel zwitschern, nur die Bildzeitungs-Schlagzeilen nerven ein bißchen: "Kanzler im Tief", "SPD-Chaos", "Wo ist Doris?", "Wie lange noch?", "Kanzler, tu was!"... Gesagt, getan. Die Regierung wird aus dem Urlaub geholt und muß dem Moderator Rede und Antwort stehen.

Kabinett plus Struck (kriecht aus der 707 der Bundesluftwaffe) Auweia! Was ist das für ein Seelenverkäufer! Was sucht diese alte Schaluppe noch bei der Flugbereitschaft?

Scharping: Ruuuhig. Bedankt euch bei Hans, der mir den Airbus gestrichen hat. Außerdem merkt ihr mal, wie sich ein Soldat in einem 30 Jahre alten Panzer fühlt.

Trittin (gelangweilt): Wäre eh Geldverschwendung gewesen, weil wir die Mördertruppe in den nächsten Jahren ja abschaffen.

Auf diese Weise plaudernd nähert sich das Kabinett schließlich der heimeligen Sechs-Sterne-Frühstückspension des Bundeskanzlers, leicht zu erkennen an den sieben einzigen Audi A8 in Italien, die vor dem Eingang parken.

Schröder (schnell eine Kohl-Biographie versteckend): Da seid ihr ja endlich. Hat euch der Affe gebissen oder was ist los mit euch? (Knallt besonders Struck einen Stapel Bildzeitung vor die Füße) Kaum ist man mal ne Woche weg, richtet ihr ein Riesenchaos in Berlin an.

Struck: Immerhin schreibt man über uns. Außerdem gab's ja noch die Sonnenfinsternis und die endgültige Einführung der Rechtschreibreform, den Rücktritt von Steffi Graf und Bodos visionäres Bausparkonzept.

Eichel: Nicht zu vergessen den Ladenschluß und das 4,6-Milliarden-Loch in Münteferings Budget.

Schröder: Trotzdem. So kann's nicht weitergehen. Die Umfrageergebnisse steuern neuen Tiefstpunkten zu. Wir müssen politisch endlich aktiv werden, in die Offensive gehen, den Gegner angreifen und ihn zum Rückzug zwingen. Wir müssen ein politisches Thema finden, das der Gegner noch nicht für sich in Anspruch genommen hat. Also keine Steuerpolitik, Struck! Keine Atomkraft, Jürgen! Und hört mir bloß mit dem Ladenschluß auf!

Trittin: Da wir ja jetzt schon die Neue Mitte, Wirtschaftsvertreter, Gewerkschafter, Umweltschützer, Pazifisten, Steuerzahler und die Kirchen vor den Kopf geschlagen haben, sollten wir vielleicht ein neues Klientel erschließen. Mir schweben da insbesondere Randgruppen vor.

Schröder (angenehm überrascht): In der Tat. Wer weiß, wenn wir bei den Randgruppen gut ankommen, gewinnen wir vielleicht sogar die neue Mitte zurück.

Däubler-Gmelin: Und welche Randgruppen sollen das sein?

Schröder: Na, zum Beispiel Opel-Fahrer oder Spitzenmanager.

Alle: Unsinn ... Fußball-Schiedsrichter ... Rentner ... Lesben und Schwule ... arte-Zuschauer ... Kirchgänger ... Deutschlehrer, die die neue Rechtschreibung beherrschen ... Häkkinen-Fans ... Männer ... Frauen ... FDP-Wähler ... Menschen, die an BSE-freies britisches Rindfleisch glauben ... Nutten ... Klimmt ... Lafontaine-Fans ... Wehrpflichtige, die zur Bundeswehr gehen ... Polizisten ... Familien ...

Eichel (entsetzt): Stop! Hört auf! Wir haben doch gerade erst das Kindergeld erhöht. Überhaupt: Wer soll das alles bezahlen? Wenn schon Randgruppen, dann solche, die Geld einbringen, nicht Geld kosten.

Familienministerin Bergmann: Wenn das so ist, dann sollten wir doch auf den Vorschlag von mir aus dem Sommerloch zurückkommen, nämlich die Legalisierung der Prostitution. Eine Million Männer täglich können sich nicht irren.

Nach heftiger Diskussion über die Gefahr, nach dem "Rotstift-" als "Rotlicht-Kabinett" in die Geschichte einzugehen, spricht der Kanzler ein Machtwort.

Schröder: Also gut. Was können wir für Nutten und Huren tun?

Bulmahn: Zunächst einmal müßten wir die Berufsbezeichnung normieren. Ich schlage "Beischlafs-AnimateurIn" mit großem i vor. Denn das gilt auch für Männer. Und wir hätten endlich den Begriff "Stricher" aus der Welt geschafft.

Bergmann: Natürlich müßten wir auch ein klares Berufsbild schaffen. Etwas, womit Schülerinnen und Schüler schon in der neunten Klasse etwas anfangen können.

Trittin (sarkastisch): Sozusagen was greifbares.

Andrea Fischer (wird rot): Schwein!

Bergmann: Über den Inhalt einer solchen Ausbildung müßten wir uns natürlich auch Gedanken machen.

Struck: Fragen wir doch am besten den Oskar als Sachverständigen auf diesem Gebiet.

Schröder: Als Sachverständiger hat er schon ein Ministerium an die Wand gefahren, bitte nicht noch ein zweites!

Wirtschftsminister Müller: Wir müssen aber bei diesem Berufsbild auch ganz konsequent vorgehen. Selbstverständlich muß es mehrere neue Lehrberufe geben sowie den Großen Befähigungsnachweis, auch Meisterprüfung, oder meinetwegen in diesem Fall auch Dominaprüfung genannt.

Schröder (mit leuchtenden Augen): Ja! Jede Menge neue legale Arbeitsplätze! Und ein attraktiver neuer Diskurspartner am Runden Tisch beim Bündnis für Arbeit!

Scharping (trocken): Vielleicht zieren sich die anderen dann nicht so sehr wie bisher.

Däubler-Gmelin (warnend): Bis es jedoch so weit ist, müssen wir die Beischlafs-AnimateurInnen erst aus der Illegalität holen. Als angenehmer Nebeneffekt würde die Tätigkeit des Zuhälters überflüssig werden.

Riester: Vorsicht: Zig-Tausende arbeitslose Zuhälter, die plötzlich Sozialhilfe kassieren, würde die Kassen belasten und die Statistik versauen. Als Ausgleich schlage ich die Umschulung zum diplomierten Türsteher oder Rausschmeißer vor.

Schröder: Gut, Umschulung ist gebongt.

Trittin: Wir müssen aber auch an unsere Mitgeschöpfe denken. Eine riesige Anzahl ebenfalls arbeitsloser Kampfhunde wird die Tierheime überschwemmen.

Eichel: Mir egal, die werden eh aus Spenden oder von den Kommunen finanziert.

Däubler-Gmelin: Ich sehe andere Probleme auf uns zukommen. Auf juristischem Wege kommt möglicherweise eine Prozeßlawine wegen angeblich nicht erbrachter Leistungen bzw. wegen nicht gezahlten Honoraren auf uns zu.

Fischer: Und was können wir dagegen tun?

Däubler-Gmelin: Wir könnten den sogenannten "Schiedsmann" einführen (brüllendes Gelächter aus dem Kabinett) äh - die Instanz des Schiedsmannes schaffen. (knallrot) Verdammte Männer-Chauvi-Bande!

Struck: Ich habe da als Liberaler so meine Probleme mit. Müssen wir uns auch noch einmischen? Bisher klappt's doch ganz gut. Wer nicht zufrieden war, kriegte eins aufs Maul (Stirnrunzeln im Kabinett - eilig) habe ich zumindest gehört - und fertig.

Riester: Wir müssen natürlich damit rechnen, daß die Beschlaf-AnimateurInnen sich gewerkschaftlich organisieren, etwa als IG Strich und Verkehr - und das bedeutet automatisch Diskussionen über Gewinnbeteiligung, vermögenswirksame Leistungen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, selbstverständlich über die paritätische Mitbestimmung und den Ladenschluß.

Schröder (zuckt zusammen): Leute, vielleicht sollten wir das Thema doch zurückstellen. Ich sehe schon die Schlagzeilen: "Sozis gegen Lust am Wochenende" - nein danke!

G.D. / MiWi