Leverkusen

DER GEBURTSHELFER ALS JUGENDARBEITER

Spitzenkandidaten beim Stadtjugendring



Was sind wir Euch wert?

Unter dieser Überschrift wollte der Stadtjugendring mit den Leverkusener Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters vor der diesjährigen Kommunalwahl ins Gespräch kommen.
So trafen sich am Abend des 19. August 1999 Dr. Walter Mende (SPD), Paul Hebbel (CDU), Gerd Wölwer (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Hiltrud Meier-Engelen (F.D.P.) und Erhard Theodor Schoofs von der Bürgerliste, um unter der Moderation von Volker Kinkel, seines Zeichens Vorsitzender des Stadtjugendring Leverkusen, im Verwaltungsgebäude am Goetheplatz in Opladen zu diskutieren.
Eingefunden hatten sich rund 40 Zuhörer, durchweg in der Jugendverbandsarbeit aktive Personen, aber auch Mitarbeiter der Leverkusener Stadtverwaltung. Vom Altersdurchschnitt her war die Klientel, um die es in der Jugendverbandsarbeit eigentlich geht, kaum vertreten. Dies war jedoch auch nicht unbedingt Sinn und Zweck der Veranstaltung, ging es in erster Linie doch darum, zwischen den Hauptakteuren in der Kommunalpolitik und den in der Jugendverbandsarbeit tätigen Haupt- und Ehrenamtlern einen Dialog zu führen.
Von einem Dialog konnte dann allerdings im weiteren Verlauf des Abends kaum die Rede sein.


Insider und Generalisten

Das mag auch seine Ursache darin gehabt haben, daß den Insidern im Plenum auf dem Podium eine Riege von Generalisten der Kommunalpolitik gegenübersaß, bei denen es sich eben nicht um die jeweiligen Fachpolitiker beziehungsweise jugendpolitischen Sprecher ihrer Parteien handelte.
Paul Hebbel von der CDU war dann auch gut beraten, von vornherein einzuräumen, daß seine Arbeitsschwerpunkte bei Finanzen, Planen und Bauen sowie der Stadtentwicklung lägen. Ganz im Gegensatz zu Dr. Walter Mende, der für sich in Anspruch nahm, Experte in Sachen Jugendpolitik zu sein, schließlich wäre er zwei Jahre lang der verantwortliche Dezernent für die Jugend in dieser Stadt gewesen.
Von der Fachlichkeit seiner getroffenen Äußerungen her leistete er keinen Beitrag zu seiner nachträglichen Reputation als Fachdezernent. Dies kam schon in seinem Eingangsstatement zum Ausdruck.


Runder Tisch, vernetzt

Laut Dr. Walter Mende beginnt die Jugend bei der Entbindung und endet mit dem Antritt des ersten Arbeitsplatzes nach der Beendigung der Ausbildung. Die Gewährleistung optimaler medizinischer Versorgung bei der Geburt sei gewissermaßen schon als ein Stück Jugendarbeit anzusehen.
Wer wollte dies bestreiten. Die Gewährleistung einer optimalen medizinischen Versorgung in Leverkusen, die dem bundesdeutschen Standart entspricht, dürfte aber wohl kaum Thema und noch viel weniger Aufgabe der Jugendpolitik sein. Im übrigen redete Dr. Mende einer weiteren Vernetzung der Jugendarbeit das Wort, über die an einem runden Tisch zu sprechen sei. Außerdem vertrat er ebenso wie seine Mitbewerber die Ansicht, das Vorbeugen besser sei als Heilen, und erkannte eine gewisse präventive Wirkung der Jugendarbeit.
Die Oberbürgermeisterkandidatin der F.D.P., Hiltrud Meier-Engelen, machte ausgerechnet am Beispiel der beiden noch verbliebenen pädagogisch betreuten Bauspielplätze die Grenzen städtischer finanzieller Förderung deutlich und forderte generell mehr Sponsoring in der Jugendarbeit ein. Inhalt und Dauer ihrer Wortbeiträge ließen schon deutlich werden, daß die F.D.P. eine Legislaturperiode nicht mehr im Rat der Stadt vertreten war.


FDP außer Form

Für die CDU betonte Paul Hebbel zunächst einmal, daß die Familie durch nichts zu ersetzen sei. Alles andere, eben auch Jugendarbeit, könne bei der Entwicklung von Jugendlichen nur ergänzen und gegebenenfalls reparieren. Er hielt ein Plädoyer für Vielfalt und Subsidiarität in der Jugendarbeit. Unvorstellbar sei für ihn ein ausschließlich staatlich beziehungsweise städtisch bestimmtes Angebot für die Jugendlichen.
Erhard Theodor Schoofs wurde wieder einmal mehr seinem Ruf gerecht, als er seine Fundamentalkritik, insbesondere am Jugendhilfeausschuß (JHA), zum Besten gab. Die großen Parteien hätten den JHA majorisiert. Es hätte ihn gewundert, daß es im JHA bislang keinen Aufstand gegeben hätte. Aber selbst im JHA vertretene Verbände hätten ihre jeweilige Nähe zu den Parteien. Für ihn stünde jedenfalls fest, daß, je mehr die Familie in die Knie gehe, um so mehr die Träger und Verbände unterstützt und gefördert werden müßten, um ihre Arbeit tun zu können.
Gerd Wölwer von Bündnis 90/Die Grünen warf daraufhin der Bürgerliste vor, daß die von Schoofs getroffenen Aussagen ebenso dünn seien wie das, was sich im Programm der Bürgerliste zum Thema Jugend wiederfände, und verwies auf das Wahlprogramm seiner Partei, wo die Jugendpolitik breitesten Raum einnehme.


IC 1 allein macht's nicht

Die Diskussion kam in ihrem Verlauf dann geradezu zwangsläufig auf das geplante Jugendzentrum "IC 1", welches auf dem Gelände des Werkes der Deutschen Bahn AG zwischen der Werkstättenstraße und der Kolberger Straße in einem Hallenkomplex entstehen soll. Im Grunde legten alle Parteienvertreter hierzu ein Bekenntnis ab, sofern die finanzielle Machbarkeit gesichert sei. Mende strich heraus, daß mit dem IC 1 endlich der Discotourismus nach Köln, Düsseldorf oder Solingen unterbunden werden könne.
Überhaupt wurde Mende nicht müde anzumerken, welche Möglichkeiten es für Jugendliche in Leverkusen überhaupt gäbe, so als ob es die harten finanziellen Einschnitte der vergangen Jahre überhaupt nicht gegeben hätte.
Daraufhin erging aus den Reihen der Zuhörer der Hinweis, daß dies doch eigentlich überhaupt nichts mit der eigentlichen Thematik des Abends, nämlich der Jugendverbandsarbeit, zu tun habe.
Damit schien dann auch das entscheidende Stichwort gefallen zu sein, was da lautete: Verbandsarbeit. Mende verwies auf sein eingangs erwähntes, ganzheitliches Verständnis von Jugendarbeit, sah sich sogleich den Begehrlichkeiten der einzelnen Verbände ausgesetzt und trat die Flucht nach vorn an.


Nur die Verbandskasse im Visier?

Er wähnte sich auf der falschen Veranstaltung, dies könne schließlich keine Lobbyveranstaltung sein, um die Mittel für die Jugendverbandsarbeit zu erhöhen. Wer nur die Verbandskasse im Visier habe, hätte kein Interesse an der Jugendarbeit der Stadt, man müsse eben auch bereit sein, etwa die Schaffung von Kindergartenplätzen im Gesamtzusammenhang zu sehen. Genausogut hätte man ihm und den Fraktionen lediglich die Mittelanforderungen schriftlich übersenden können. Außerdem teile ja auch der Jugenhilfeausschuß die Gelder selber zu.
Da mußte Gerd Wölwer erst einmal feststellen, daß der JHA sich immer nur im Rahmen des vom Rat festgelegten Finanzbudgets bewegen könne.
Und schon schwebte es wieder im Raum, jenes Zitat des SPD-Ratsherren und vormaligen Bundestagsabgeordneten Johannes Singer, daß die Jugendverbandsarbeit "für den A..." sei. Gerd Wölwer konnte es sich nicht verkneifen, jenen denkwürdigen Ausspruch, der seinerzeit während einer Ratssitzung fiel, ins Spiel zu bringen. Mit dem Hinweis, "der (Johannes Singer) will ja nicht Oberbürgermeister werden", ging Mende über dieses Zitat hinweg.


Auf Singers Spuren

Dennoch mußte Mende sich von Johannes Boddenberg als dem stellvertretenden Vorsitzenden des Stadtjugendrings vorwerfen lassen, daß er als Jurist verschiedene Gebiete des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) beliebig durcheinander werfe.
So plätscherte dann die Diskussion noch eine Weile dahin, so als ob es zwischenzeitlich keine Novellierung des KJHG gegeben habe, als ob nicht mittlerweile schon längst eine vom Gesetz vorgeschriebene Jugendhilfeplanung stattfände.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit läutete Volker Kinkel schließlich eine letzte Runde ein, um den fünf Kandidaten die Gelegenheit zu geben, zu den Perspektiven der Jugendarbeit nochmals abschließend Stellung nehmen zu können und konkret zu sagen, wie es um die Erhöhung der Mittel für die Jugendverbandsarbeit künftig bestellt sein werde.
Frau Meier-Engelen hütete sich sogleich ausdrücklich, etwas zu versprechen. Die Finanzen seien nicht absehbar, und beim größten Arbeitgeber der Stadt könnten sich nicht absehbare Entwicklungen ergeben. Eine gute Schulausbildung sei nun mal das wichtigste.
Dr. Walter Mende räumte ein, daß die Mittel für die Jugendverbandsarbeit zumindest in dem Maße steigen würden, wie es notwendig werde, die Erhöhungen nach dem Bundesangestellten-Tarif (BAT) aufzufangen. Doch sollen die Prioritäten künftig neu festgelegt werden, es müsse über Zielvereinbarungen mit den Verbänden gesprochen werden, und man ginge verstärkt zur Projektfinanzierung über. Leistungsdoubletten entfielen.
Ob letzteres als eine Kampfansage gegen die Pluralität in der Jugendarbeit gewertet werden kann, ließ Mende offen.
Erhard Theodor Schoofs hingegen stellte hemdsärmlig fest: Draufsatteln, aber nicht im Sinne von BAT-Erhöhungen, sondern für die praktische Arbeit.. Es muß einfach mehr getan werden.
Dagegen sagte Paul Hebbel ganz klar, was für ihn wichtig sei und worauf man ihn auch festnageln könne: Eine Berechenbarkeit und Verläßlichkeit, was die Finanzierung der Jugendverbandsarbeit anbelangt. Aber die Finanzplanung hänge nicht zuletzt auch von Bundesfinanzminister Eichels Sparpaket oder den weiteren Kosten der deutschen Einheit ab. Diesbezüglich mache die Finanzpolitik aber schon lange keinen Spaß mehr. Dessenungeachtet rief er zur erforderlichen Erneuerung der Jugendarbeit bei sich ändernden Verhältnissen auf.
Gerd Wölwer verwies zum wiederholten Male auf das Kommunalwahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen, welches einfach nur der Umsetzung bedürfe, handele es sich bei seiner Partei doch um eine Programmpartei. Die Kürzungen im Jugendbereich seinen wieder zurückzufahren, die anderen Parteien würden über kein Konzept verfügen.
In seinem Schlußwort merkte Volker Kinkel an, daß er auf eine Diskussion über Strukturen und Perspektiven der Jugendverbandsarbeit hoffe, wo die Finanzen einmal keine Rolle spielen würden.
Diesen Anspruch konnte dieser Abend aber nun wirklich nicht erfüllen, nicht bei den Finanzen, nicht in der heißen Wahlkampfphase und nicht mit einem Podium, das nicht mit ausgewiesenen Fachpolitikern aus dem Bereich Jugend- und Soziales besetzt war. Selbst wenn sich darunter ein ehemaliger Fachdezernent befunden hat.
Was jedoch den Unterhaltungswert anbelangte, schlug diese Veranstaltung ein jedes Fachgespräch um Klassen.