Satire

Mer loße de Dom in Kölle

Die Wahrheit über den Kölner G8-Gipfel

Köln. Hyatt-Hotel. Inoffizielles Treffen der deutschen und amerikanischen Vorbereitungsgremien des Kölner G8-Gipfels. Anwesend Vertreter des Stabes des Präsidenten der USA, Mitglieder verschiedener konkurrierender, teilweise verfeindeter amerikanischer Geheimdienste (CIA, FBI, Secret Service, NSA und eines weiteren Geheimdienstes, dessen Existenz zu geheim ist, um sie hier zu offenbaren). Von deutscher Seite Vertreter des Verfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes, des MAD (gegen amerikanische Proteste) und sogar Kanzleramtsminister Bodo Hombach.

Hombach: Ich grüße Sie recht herzlich zu diesem informellen Vorbereitungstreffen. Es ist in der inzwischen langen Geschichte der herzlichen deutsch-amerikanischen Bezieh-

CIA-Chef (genervt): Come on boy, laßt uns endlich zu Potte kommen.

Hombach (unverdrossen fortfahrend): Schon General Steuben hat im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg den Grundstein für die deutsch-amerikanische Freundschaft gelegt-

NSA-Chef (leise): Er kämpfte gegen hessische Söldner ... (brüllendes Gelächter aus der deutschen Delegation)

BND-Chef: Auch Monica Lewinsky hatte deutsche Vorfahren.

Secret Service-Chef: Nun laßt uns doch endlich die Details des Besuchs absprechen. Fangen wir mit der Landung in Cologne an. Der Luftraum über diesem Gebiet (zeigt auf einer Karte die groben Umrisse von Nordrhein-Westalen, den Benelux-Staaten, Ostfrankreich, Südengland und einem Zipfel Dänemarks) muß 24 Stunden vor und nach der Landung des Präsidenten frei von Flugbewegungen sein).

Hombach (schockiert): Warum auch danach?

Secret-Service-Chef (ungerührt): Weil wir es immer so machen. Zweitens: Alle Autobahnen rund um Köln sind zu sperren.

Hombach: Aber der Ferienbeginn ...

Geheimer Geheimdienstler: Das wäre der nächste Punkt: Die Ferien werden verschoben. Je mehr Leute zu Hause, desto weniger konspirative Wohnungen für Terroristen.

BND-Chef (will protestieren)

Hombach: Vielleicht gar nicht schlecht, die Idee. Man denke an die Einschaltquoten der Sondersendungen.

NSA-Chef: Punkt vier: Abschaltung aller Mobilfunknetze. Potentielle Terroristen sprechen sich darüber ab.

Verfassungsschutzchef: Und das normale Telefonnetz?

BND-Chef (zwinkert dem NSA-Chef amüsiert zu): Hören wir sowieso ab.

***

Szenenwechsel. Nach Durchsetzung verschiedener weiterer Kleinigkeiten wie zum Beispiel Import von 16.000 begeisterten Schulkindern, dem Ausschluß sämtlicher deutscher Journalisten und Polizisten (potentielle Sicherheitsrisiken), der Internierung der wenigen PDS-Mitglieder Kölns, der Schließung aller iranischen, libyschen, serbischen, rumänischen (Irrtum) und belgischen (kein Irrtum) Geschäfte begibt sich die Gruppe inkognito, begleitet von 250 Sicherheitskräften in unauffälliger Freizeitkleidung, auf die Domplatte.

Hombach: An dieser Stelle spüren wir die 2000jährige Geschichte dieser Stadt. Hier ist alles vereint, was Köln zu bieten hat-

Penner (zupft am Ärmel des CIA-Chefs): Haste mal ne Mark?

Im Hintergrund der Szene beginnt plötzlich eine Prügelei zwischen einigen ortsansässigen Punkern, Friedensaktivisten, Pazifisten, Feministen, anderen -isten /istinnen und den Sicherheitskräften.

CIA-Chef (will entsetzt über ^sein Handy Verstärkung rufen, greift ins Leere und sieht am Rande der Domplatte einen Taschendieb triumphierend mit dem Handy in der Menge verschwinden)

Hombach: - und im Jahre 1880 wurde der Dom nach einer Kraftanstrengung der Bürger und des preußischen Staates-

Punker: Faschist!

Nach mehreren Photoattacken durch japanische Touristen zieht man sich in geordnetem Rückzug ins Römisch-Germanische Museum zurück. Mehrere CIA- und NSA-Agenten müssen nach Zusammenstößen mit deutschen Rollerblade-Fahrern ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Secret Service-Chef: Ah, endlich ein vertrautes Bild! Wie 45, alles kaputt.

Hombach (seufzt)

NSA-Chef (deutet zurück auf die Domplatte): Dieser Riesenplatz ist vollkommen unakzeptabel. Und diese riesige Ritterburg mit den zwei Türmen und den vielen Vorsprüngen ist ideal für Scharfschützen. Muß natürlich planiert werden.

MAD-Chef: Laut meinen Stadtplänen handelt es sich bei dieser Ritterburg um die Peter und Pauls-Kirche, angeblich Weltkulturerbe der UNESCO, umgangssprachlich auch "Kölner Dom" genannt. Daher darf er nicht abgerissen werden.

CIA-Chef: UNESCO? Haben wir seit Jahren keine Beiträge mehr bezahlt. Und Stadtpläne lesen kann ich auch. (Brüllendes Gelächter der deutschen Delegation; Sprechchöre "Chi-na, Chi-na"; die diplomatischen Beziehungen erleiden einen Rückschlag)

Geheimer Geheimdienstler: Kirchen gibt's genug. Wenn wir durch das Abreißen der Ritterburg das Leben des Präsidenten retten, hat es sich gelohnt. Also weg damit.

Hombach (verzweifelt): Jungs, das könnt ihr nicht tun!

NSA-Chef: Und warum nicht, bitte schön? Eine kleine chirurgische Operation, und er ist weg!

BND-Chef (hat eine Erleuchtung): Aber nur der DOM hat eine perfekte Akustik für das improvisierte Saxophonsolo des Präsidenten, das ihr seit Monaten mit ihm eingeübt habt.

Nach einigem Hin und Her einigt man sich, den Dom stehen zu lassen. Statt dessen bestehen die Geheimdienstler auf der Sprengung des Milosevic-Theaters in der Aachener Straße, eines offensichtlichen Terroristennestes.

NSA-Chef: Nichts für ungut, Bodo, aber warum sind wir eigentlich hier in diesem Gemäuer?

Hombach (stolz): Hier werden sie speisen.

Alle Amerikaner (entsetzt): Waaas? Hier, in diesem Loch, unter einem Grabstein? Und auch noch auf einem kaputten, billigen Mosaikfußboden, den man bei Wal-Mart zu 10 Cent pro Quadratzoll kriegt? Im Sonderangebot vielleicht noch billiger? Außerdem können da noch Bomben drunter sein!

BND-Chef: Höchstens alliierte, die wir nach 45 nicht gefunden haben.

Mehrere CIA-Agenten machen sich kommentarlos daran, das 2000 Jahre alte Dionysos-Mosaik umzugraben.

CIA-Leute (nach Beendigung der Arbeit): Alles sauber, Chef.

Nach Aufklärung des Mißverständnisses machen sich die CIA-Agenten daran, das Mosaik wieder zusammenzusetzen. Dabei vorkommende kleinere Fehler und Korrekturen führen noch Jahre später zu völlig neuen Einblicken in das Leben des römischen Köln und zu erbitterten Kontroversen in der archäologischen Fachwelt.

Am Ende eines arbeitsreichen Tages, an dem Köln einige Touristenattraktionen einbüßt, können die Amerikaner die deutschen Behörden auf das Sicherheitskonzept einigen. Leider konnte der Gipfel dann in der ursprünglichen Besetzung nicht stattfinden, da große Teile der Bundesregierung beim obligatorischen Sicherheitscheck durchfielen: Fischer (als früherer Hausbesetzer, Steinewerfer und Taxifahrer), Schily (wegen früherer Verteidigung revolutionärer Kräfte), Eichel (als ehemaliger Kommandant hessischer Einheiten) und Jürgen Trittin (auf Bitten von Schröder). Minister Hombach bat nach dem Gipfel um Versetzung und kam als EU-Balkannkoordinator endlich zur Ruhe.

K.R. / G.D. / MiWi