Politik

Prodis Rache

Die neuen deutschen EU-Kommissare spielen nur die zweite Geige

Sie wollte es ja so haben, die Bundesregierung. Bei der Besetzung der neuen EU-Kommission konnte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder nicht durchringen, die deutschen Vorschläge zu den beiden Kommissarsposten paritätisch zu besetzen. Der SPD-Mann Günter Verheugen und die Grüne Michaele Schreyer ziehen nun nach Brüssel. Dabei mißachteten Schröder und die Grünen ausdrücklich den Wunsch des zukünftigen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi, der gerne einen Christdemokraten aus Deutschland gesehen hätte. (Die Regierung Kohl hatte übrigens mehr Stil, als sie vor Jahren die SPD-Kandidatin und Gewerkschaftlerin Wulf-Mathies nominierte.)
Prodis Rache für die schlechten Vorschläge erkennt man unschwer an der Aufgabenverteilung der neuen Kommission. Zwar ist Michaele Schreyer für den Haushalt zuständig, aber echte Kompetenzen hat sie kaum; sie muß den durch die "Agenda 2000" weitgehend feststehenden Etat verwalten. Zudem untersteht ihr die neugeschaffene Agentur zur Betrugsbekämpfung ("Olaf"). Eine wichtige Sache, aber kein EU-Kernthema. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger ist sie aber nicht für den Verwaltungsapparat mit seinen 17.000 Mitarbeitern zuständig. Diese Reform-Schlüsselaufgabe will Prodi dem britischen Labour-Kommissar Neil Kinnock übertragen.
Auch Günter Verheugens Job ist zweitklassig. Seine Zuständigkeit für die EU-Ost-Erweiterung hört sich gut an, aber er verfügt nicht einmal über die milliardenschweren EU-Förderprogramme für die Beitrittskandidaten. Seine Aufgabe beschränkt sich auf Diplomatie, und auch da wird er aufpassen müssen, dem Kommissar für die Außenangelegenheiten der EU, dem konservativen Briten Chris Patten, nicht ins Gehege zu kommen. Zudem ist da ja noch der neue Koordinator der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, der Spanier Solana.
Es fällt auf, daß Großbritannien mit den erwähnten Patten und Kinnock über zwei echte Schwergewichte verfügt. Und es spricht für die politische Klugheit Tony Blairs, daß er die konservative Opposition eingebunden hat.
Ein weiterer wirklich einflußreicher Kommissar ist der Finne Erkki Liikanen mit dem weitgefaßten Aufgabenberteich Unternehmen, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation. Oder der Italiener Mario Monti, der dem weltweit respektierten und gefürchteten Wettbewerbskommissar Karel van Miert nachfolgt.
Schröder wird nun knallhart demonstriert, daß man sich auf europäischer Ebene keine Fehler, auch keine handwerklichen, erlauben darf. Jede Blöße, jede Schwäche, jeder Terrainverlust, den ein Land sich leistet, wird von anderen ausgenutzt. Es rächt sich eben, große Sprüche von "Beitragsgerechtigkeit" zu klopfen, ohne vorher in Europa Bündnispartner gefunden zu haben. Es rächt sich, wenn der eigene Umweltminister vor den ungläubig staunenden Amtskollegen kaum verschleiert erklärt, er müsse leider die Altautoverordnung ablehnen, da sein Chef ein Lobbyist der Autoindustrie sei. Ein solcher Kanzler wird zur Lachnummer Europas.
Da darf er sich nicht wundern, wenn seine Kommissare in Brüssel nur das bekommen, was übrigbleibt.