Leverkusen

Ein steifes Genick ist kein Ersatz für Rückgrat

Entwicklung des Busbahnhofgeländes ja, aber nicht so

In der politischen Arbeit muß man wissen, was man will, und einen langen Atem haben. Das beginnt mit der Neuordnung städtischer Aufgaben in Beteiligungsgesellschaften, setzt sich fort über Modernisierung der Verwaltung und der politischen Entscheidungsprozesse und endet noch lange nicht bei Stadtentwicklung und Städtebau.
Aber Klarheit über Ziele darf nicht mit Sturheit verwechselt werden!
Ein Beispiel bietet aktuell der Vorlauf der Entscheidung zur Bebauung des heutigen Wiesdorfer Busbahnhofs. Hieran läßt sich sehr anschaulich zeigen, wie es nicht geht und auch nicht gehen sollte.


Das Beste und nicht das Erstbeste

Auf dem Tisch lag die Absicht eines Investors, auf dem Gelände ein Selbstbedienungs-Warenhaus mit den Ausmaßen eines Fußballfeldes zu errichten.
Die Auseinandersetzung um dieses geplante Großprojekt war in der Heftigkeit mit der Diskussion um den Abriß des alten städtischen Hallenbades an der Bismarckstraße und dem Neubau von "Calevornia" vergleichbar. Während das "Calevornia" aber als städtebauliche Einzelfrage betrachtet werden konnte, berührt der Bau eines SB-Warenhauses als "Vollsortimenter" eine Vielzahl von Aspekten.
Dabei war es im Vorfeld die CDU, die zunächst einmal ein neutrales Einzelhandelsgutachten zu diesem Projekt anmahnte, wie auch Untersuchungen zur verkehrlichen und städtebaulichen Einbindung.
Anders als der Oberbürgermeister und seine Fraktion, die dieses Projekt um jeden Preis durchpeitschen wollten, hat sich die Union nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Bei solch einem Projekt, der vielleicht sogar sensibelsten Entscheidung der letzten Jahre in Leverkusen, ist Zeitdruck ganz und gar der falsche Weg.
Nach gründlicher Abwägung und Diskussion mit vielen Beteiligten hat die CDU-Fraktion am 7. Juni 1999 das Projekt der Überbauung des Busbahnhofes in der zur Abstimmung stehenden Form abgelehnt und sich damit letztendlich auch durchgesetzt. Gleichwohl dokumentierte die CDU, daß sie für dieses Gelände Handlungsbedarf sieht, aber eben nicht das vorgeschlagene Investment an dieser Stelle mit den damit verbundenen Folgen will.
Zu dieser Entscheidung führte ein ganzes Bündel von Gesichtspunkten, die in ihrer Summe den Ausschlag für eine Ablehnung ergaben und von vielen, darunter z.B. auch die Kreishandwerkerschaft, geteilt werden.


Investoreninteresse: gut für LEV

Das mit dem Projekt deutlich gewordene Investoreninteresse am Standort Leverkusen ist positiv zu sehen und widerlegt all diejenigen, die unsere Stadt ständig abwerten. Wenn es aber richtig ist, daß der Einzelhandel in Leverkusen Platz bietet für die Abschöpfung bzw. Bindung einer Kaufkraft von 300 Mio. DM, dann ist dieses Interesse nicht nur an einem Vorschlag festzumachen und auch in einigen Monaten noch vorhanden.
Abseits von dem Gutachten, das für Leverkusen in fälschlicher Anlehnung an die Zentralität von Städten wie Oldenburg und Würzburg ein Einzugsgebiet von 355.000 Einwohnern errechnet, gilt es für unsere Stadt zwischen den Oberzentren Köln und Düsseldorf, die mit Auto und S-Bahn innerhalb kürzester Zeit erreichbar sind, eine realistische Betrachtung anzustellen.
Ein SB-Warenhaus mit dem dafür typischen Käuferverhalten (Anfahren, Kaufen, Einladen, Abfahren) im Zentrum von Leverkusen dürfte - abgesehen von kräftigen Verkehrsströmen - wohl kaum geeignet sein, eine strukturelle Verbesserung für Wiesdorf zu bewirken. Vielmehr fehlt es der Wiesdorfer City an einer den Einzelhandel ergänzenden Attraktivierung. Die Eröffnung von Kinopolis sollte zusätzlich, über die Öffnungszeiten der Geschäfte hinaus, Leben in das Zentrum bringen. Diese Wirkung konnte indes - auch hinsichtlich von Freizeit und Gastronomie - leider noch nicht erzielt werden.


Klasse statt Masse: Attraktive City nützt der ganzen Stadt

Derzeit wird mit dem Bau des sogenannten City-Point I der nächste Schritt getan. Im Umfeld des Rathauses ist eine weitere Kragenbebauung bis hin zur Y-Brücke (City-Point II) im Gespräch. Dort wäre auch noch Raum für ein qualitativ höherwertiges Einzelhandelsangebot, das sich von dem Angebot eines SB-Warenhauses wohltuend abheben würde.
Ein SB-Warenhaus hingegen könnte - hinsichtlich des Einzelhandels, aber auch durch seine städtebauliche Dominanz - negative Tendenzen in der City eher noch verstärken. Auch die trennende Wirkung des in diesem Bereich in einer Troglage verlaufenden Europarings würde noch mehr betont werden. Hinzu kommt die bereits angesprochene problematische Verkehrsanbindung.
Sicherlich wird eine künftige Nutzung des Busbahnhofes nicht ohne die Vorstellungen eines Investors angegangen werden können. Im Falle des vorgeschlagenen SB-Warenhauses aber hätten die Kosten für die Herrichtung der Fläche und die Anpassung der umgebenen Infrastruktur bereits in etwa den zu erzielenden Kaufpreis ausgemacht: Für die Stadt und damit die Bürger kein gutes Geschäft!
Der Handlungsbedarf ist erkannt, Zeitdruck ist nicht gegeben, und somit besteht auch kein Grund für bloßen Aktionismus. Großprojekte, zumal an dieser exponierten Stelle, dürfen kein Selbstzweck sein, erst recht nicht nach den Erfahrungen, die Leverkusen mit seiner City in der Vergangenheit schmerzhaft gemacht hat.


Neue Ideen reifen lassen

Welche Möglichkeiten und Chancen sich die Stadt mit der Zustimmung zu einem SB-Warenhaus verbaut hätte, läßt die vielleicht noch etwas verwegene Idee erahnen, das heutige Rathaus in seiner Nutzung umzuwidmen und die Verwaltung auf bzw. über dem Busbahnhof anzusiedeln. Ohne dieser Vision das Wort reden zu wollen, zeigt sie doch auf, welche Potentiale hier noch im Verborgenen schlummern: Nutzungen, die insgesamt der weiteren Entwicklung Wiesdorfs zuträglich sind.
Wer jedoch auf den erstbesten Zug aufspringt, darf sich nicht wundern, wenn die Reise überallhin führt, nur nicht ans Ziel.
Die erste ist bei weitem nicht immer auch die beste Lösung.