Leverkusen

"Runter von der Standspur"

Interview mit Paul Hebbel

Paul Hebbel ist 52 Jahre alt, seit 1968 verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Er wurde 1947 in Leverkusen geboren und wohnt seit 40 Jahren im Stadtteil Leverkusen-Quettingen. Nach der mittleren Reife machte er eine Ausbildung zum Regierungsinspektor und arbeitete danach fünf Jahre bei der Bezirksregierung Köln im Polizeidezernat. Anschließend wechselte er ins Innenministerium des Landes NRW. Seit 17 Jahren ist er beim Landschaftsverband Rheinland in Köln in der Finanzabteilung tätig, heute als Landesverwaltungsdirektor.
Er ist seit 1984 im Rat der Stadt Leverkusen, allerdings schon seit 1966 Mitglied der CDU. Im Stadtrat sind seine Schwerpunkte Finanzen, Bauplanung und das Krankenhauswesen. Inzwischen ist er Vorsitzender des Aufsichtsrates des Klinikums und des Verwaltungsrates der Sparkasse Leverkusen. Paul Hebbel ist Kandidat der CDU für das Amt des Oberbürgermeisters, der in diesem Jahr erstmals direkt von den Bürgern gewählt wird.

Politeia: Herr Hebbel, Kandidaten gibt es viele - was würden Sie anders machen als der jetzige Amtsinhaber Herr Dr. Mende?

Hebbel: Ich will es mir nicht so leicht machen, wie es sich letztes Jahr Herr Schröder gemacht hat, der seine Berufung zum Bundeskanzler eigentlich nur damit begründet hat, daß Helmut Kohl nun besser abgelöst werden sollte - unter dem Motto "Danke Helmut, das reicht!". Ich könnte das so ähnlich formulieren, nachdem Leverkusen in den letzten 15 Jahren nur sozialdemokratische Oberbürgermeister gehabt hat. Aber in der Tat gibt es einen wesentlichen Grund der Machtbalance, weshalb die Kommunen nun wieder christdemokratische Mehrheiten bekommen sollten. Wir haben seit letztem Jahr eine rot-grüne Bundesregierung und seit fast 35 Jahren in NRW teilweise sogar eine absolute SPD-Mehrheit. Ein Gegengewicht auf kommunaler Ebene ist da dringend erforderlich.
Aber auch was das Amtsverständnis angeht, gibt es zwischen dem jetzigen OB, den anderen Kandidaten und mir einige Unterschiede. Ich bin hier in Leverkusen geboren und aufgewachsen. Ich will nicht in erster Linie "Konzernchef" sein oder die "Obrigkeit" repräsentieren. Ich will wirklicher "Erster Bürger" sein, der hier die Menschen kennt und die Lebensverhältnisse selbst in den letzten 50 Jahren miterlebt hat.

Politeia: Was kann man überhaupt anders machen? Aufgrund der Finanzlage sind doch da schnell Grenzen gesetzt.

Hebbel: Es ist ja nicht so, daß man sich in der Politik andauernd in den Haaren liegt. Wir haben in den letzten Jahren vieles auch gemeinsam bewerkstelligt - auch wenn sich das heute so anhört, als hätte eine gewisse Partei das allein geschafft hat. Wir haben im Konsens die Wohnungsnot beseitigt, über 1000 Kindergartenplätze geschaffen und neue Firmen angesiedelt.
Beim Thema Verkehrspolitik würde ich allerdings einiges anders machen. Die muß endlich runter von der Standspur. Da hat es in den letzten 15 Jahren mit der SPD eigentlich keine entscheidenden Fortschritte gegeben. Wir brauchen einige neue Ortsumgehungsstraßen - insbesondere in Alkenrath, die Entlastung von Hitdorf und Quettingen und den Ausbau des Moosweges und der Bahnallee. Bei den meisten dieser Punkte gibt es wesentliche Unterschiede zwischen SPD und CDU sowie Herrn Dr. Mende und mir.
Große Unterschiede gibt es auch in der Schulpolitik. In Wahlkampfzeiten wird natürlich von der SPD nicht über den Bau einer dritten Gesamtschule gesprochen, was aber nicht bedeutet, daß nicht irgendwann wieder der "Knüppel aus dem Sack" geholt wird. Nur zu Lasten anderer, gut funktionierender Schulformen kann eine dritte Gesamtschule errichtet werden - das haben wir ja schon bei der Einführung der zweiten gesehen. Wahrscheinlich wird dieses Thema irgendwann wieder auf den Tisch des Hauses kommen.
Aber trotz allem gibt es nicht nur Streit, sondern auch Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Parteien. Auch das ist praktische Kommunalpolitik und sicher in vielen Fällen auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger.

Politeia: Apropos Unterschiede. Im Gegensatz zur letzten Wahl gibt es nun keine 5%-Hürde mehr, EU-Bürger, Jugendliche ab 16 dürfen erstmalig mitwählen und der OB wird direkt gewählt. Wie wird dies die Wahl beeinflussen?

Hebbel: Das Wahlverhalten der jungen Leute (18-30 Jahre) hat mir bei der Europawahl sehr gut gefallen, denn sie haben die CDU zur stärksten Partei gemacht. Ich glaube, daß sich das auch bei der Kommunalwahl wiederholen kann. Ich hoffe auch, daß die 16- und 17jährigen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Solche demokratischen Rechte üben wir hier selbstverständlich aus - anderswo in der Welt wird dafür blutig gerungen. So kann ich junge Menschen nur bitten, ihre Meinung zu sagen, auch wenn das eine Meinung sein sollte, die mir persönlich oder der CDU nicht immer gefällt.

Politeia: Was kann man gerade für diese jungen Menschen tun?

Hebbel: Man muß jungen Menschen sicher Angebote machen - auch im Freizeitsektor. Wenn es denn beispielsweise unter vertretbaren Bedingungen zum "IC 1"-Projekt kommt, bin ich sofort dabei. Aber viel wichtiger ist es, daß wir junge Leute für das Leben stark machen und eine gute schulische und berufliche Ausbildung ermöglichen. Es nützt niemandem, wenn er in seiner Nähe eine Eissporthalle oder Skatingbahn zur Verfügung hat, aber keinen Ausbildungsplatz findet. Sinnvolle Freizeit gehört dazu, aber die Prioritäten sind da bei mir ganz eindeutig gesetzt.

Politeia: Was stellen Sie sich in der Zukunft für unsere Stadt vor - vielleicht sogar ohne die Bayer AG?

Hebbel: Das wird sicher nicht geschehen. Ich werde auch selber alles dafür tun, daß Gerüchte, wie ein Umzug der Konzernzentrale ins Ausland, nicht entstehen und sich erst recht nicht bewahrheiten. Politik und Wirtschaft müssen in unserer Stadt Hand in Hand zusammenarbeiten.
Was die Finanzen angeht, hat Leverkusen im Gegensatz zu anderen Städten gleicher Größe kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem. Andere Städte kommen mit Einnahmen, wie wir sie haben, aus. Insofern müssen wir darauf achten, daß wir mit unseren Einnahmen vernünftig umgehen, dann werden wir auch in Zukunft auf Dauer die Haushaltskonsolidierung fortsetzen können.
Ich glaube, Leverkusen hat eine gute Zukunft. Wir müssen da weitermachen, wo wir heute sind. Es ist uns gelungen, den Innovationspark zu aktivieren. Das Gelände ist doppelt so groß wie der Mediapark in Köln. Da es nur einen Steinwurf vom Leverkusener Autobahnkreuz entfernt liegt, hat es hervorragende Entwicklungschancen. In einer Autostunde kann man 15 Millionen Menschen erreichen, so daß es in Deutschland wohl kaum einen besseren Standort gibt. Große Ansiedlungen, wie beispielsweise Ford in Köln oder Opel in Bochum, wird es wohl in der Zukunft nicht mehr geben. Solche "Schnäppchen" gehören der Vergangenheit an. Wir werden weiter hart arbeiten und vor allen Dingen den Mittelstand als größten Träger von Arbeits- und Ausbildungsplätzen "pflegen" müssen.

Politeia: Wir danken für das Gespräch.

(MiWi)