Leverkusen

IC1

Spaß- und Freizeitfabrik

Das Objekt der Begierde ist für den beabsichtigten Zweck in der Tat geeignet wie kaum ein anderes: Rund 5.000 Quadratmeter Fläche, ausreichender Parkraum, eine nahezu ideale Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und dies alles in einem wahrhaft urigen Ambiente.
Die Rede ist von dem neuesten Lieblingskind des Leverkusener Sozialdezernenten Gerald Bruchhausen, der Spaß- und Freizeitfabrik, die unter der Projektbezeichnung IC 1 mit einem Mal aus dem Nichts auftauchte. Derart unvermittelt, daß selbst Mitglieder des Rates und vor allen Dingen des Jugenhilfeausschusses davon vollkommen überrascht waren.
Dafür war die Stadtverwaltung dann doch schon erstaunlich gut präpariert, als sie in die heute im Besitz der Immobiliengruppe der Deutschen Bahn AG befindlichen ehemaligen Triebwagenhalle des Ausbesserungswerkes zu einer ersten Anhörung am 26. Februar diesen Jahres einlud.


Szenetreff

Im Rahmen einer professionell aufgezogenen Präsentation konnte man gar schon das Logo einer sogenannten Spaß- und Freizeitfabrik bewundern, über die man heute freilich bestenfalls nur spekulieren und mutmaßen kann. Denn eine Umsetzung ist gleich mit mehreren Fragezeichen versehen.
Sicherlich ist die Idee eines Veranstaltungszentrums für jugendliches Publikum und alles, was sich dafür hält, ein reizvoller Gedanke. Noch dazu in direkter Konkurrenz zum Kölner E-Werk oder dem Solinger "Getaway". Eben ein Szenetreff, der Besucher weit über den Leverkusener Einzugsbereich hinaus anziehen soll.
In seinem Eingangsstatement zu Beginn der Vorstellung des Projekts reihte Gerald Bruchhausen eine solche Spaß- und Jugendfabrik dann auch gleich in die Abfolge der Neuerrichtung des Freizeitbades "Calevornia" und der Eröffnung des Filmpalastes "Kinopolis" ein. Als ob diese Objekte ein Beleg dafür seien, was in den vergangenen Jahren alles für die Kinder und Jugendlichen in Leverkusen getan wurde. Darüber kann man wohl aber durchaus geteilter Meinung sein, wenngleich diese beiden Einrichtung natürlich viele Kinder, Jugendliche und junge Leute anziehen und einen großen Anteil der Besucher ausmachen.


Kaum Geld für "normale" Jugendarbeit

Insgesamt gesehen wurde die Förderung der Jugendarbeit in Leverkusen in den letzten Jahren jedoch von den leeren Kassen und dem damit einhergehenden Haushaltssicherungskonzept bestimmt, welches die Bezirksregierung der Stadt wegen der schlechten Kassenlage auferlegte. Dies bedingte nach steten Kürzungen der Zuwendungen schließlich ein Einfrieren der Mittel auf niedrigem Niveau, was nicht mal die alljährlichen Personal- und Betriebskostensteigerungen auffing und somit faktisch weitere Einschränkungen zur Folge hatte.
Ob denn nun die Errichtung einer Spaß- und Freizeitfabrik mit einer Disco und anderen Vergnügungsstätten Bestandteil einer konzeptionellen Jugendarbeit ist, mag einmal dahingestellt bleiben, zumal vor diesem Hintergrund, wenngleich ein gewisser Bedarf in dieser Hinsicht in Leverkusen nicht von der Hand zu weisen ist.

Warum also nicht, wenn man damit eine echte Lücke schließen kann?

Bliebe lediglich die Frage der Finanzierung zu klären, denn allein die Herrichtung der alten Triebwagenhalle wird mit rund sechs Millionen DM veranschlagt. Von den späteren Betriebskosten des Objekts einmal ganz zu schweigen. Und der Kämmerer, so stellte Bruchhausen sogleich klar, könne keine müde Mark für das Projekt locker machen. Von daher wäre ein Investor derjenige Partner, der die Spaß- und Freizeitfabrik auf dem kürzesten und direktem Weg umsetzen könnte.
Bliebe noch die Alternative eines sogenannten Public-Private-Partnership, das Modell eines öffentlichen Sponsoring durch Bürger, Unternehmen oder Institutionen, in das neben finanziellen Mitteln auch ehrenamtliches Engagement eingebracht werden könnte.
Zunächst aber galt es, dem sich während der Präsentation lautstark geäußerten Protest der Nachbarn zu erwehren. Diese befürchten wohl ihrerseits massive Belästigungen, die später von dem IC 1 ausgehen könnten. Beeinträchtigungen der Anwohner gingen angeblich bereits schon heute von dem in der angrenzenden Kolberger Straße gelegenen Haus der Jugend aus, welches von einem Bürger gar als Sauhaufen bezeichnet wurde.
Dabei kann man beide Einrichtungen wohl kaum miteinander vergleichen, weder von den Dimensionen und erst recht nicht von der Konzeption und der Aufgabenstellung her. Was den Sozialdezernenten Bruchhausen aber nicht im geringsten davon abhält, einer möglichen räumlichen Einbindung des Jugendhauses Kolberger Straße in das künftige IC 1 das Wort zu reden.
Die Einrichtung an der Kolberger Straße richtet sich mit ihrem Angebot an Jugendliche, für die ein wirklicher Bedarf an Jugendarbeit im wahrsten Sinne des Wortes besteht, mitunter gar dringend geboten ist. Sinn und Zweck einer Spaß- und Freizeitfabrik ist jedoch vornehmlich der, dem meist jungen Publikum Vergnügen und Kurzweil anzubieten, was an und für sich keine schlechte Sache ist.


Suppenküche in Feinschmeckerlokal

Aber gerade deswegen kommt das IC 1 von seiner Ausrichtung her mehr einem Veranstaltungszentrum denn einer Jugendeinrichtung mit konzeptionellem Angebot nahe. Vielmehr wird es so sein, daß die Besucher des IC 1 für die Inanspruchnahme des Angebotes in der sogenannten Spaß- und Freizeitfabrik an manchen Abenden einiges an Eintritt und Verzehrgeld löhnen müssen. - wie es eben in anderen vergleichbaren Vergnügungsstätten üblich ist. Wer jedoch eine Einrichtung wie das Jugendhaus Kolberger Straße besucht, wird schon wegen des niedrigschwellig angelegten Angebots nicht auf seine Geldbörse schielen müssen.
Um es einmal bewußt überspitzt darzustellen: eine räumliche Einbindung des Jugendhauses Kolberger Straße in das IC 1 kommt der Einrichtung einer öffentlichen Suppenküche in einem Feinschmeckerrestaurant gleich. Ob sich die jeweilige Klientel zueinander hingezogen fühlt und ob dies schließlich nicht zum Nachteil beider Häuser gereicht, bleibt einmal dahingestellt.


Nach Jahren des Nichtstuns

Und überhaupt, nachdem über Jahre hinweg für die Jugendarbeit in Leverkusen keine Hand gerührt wurde, wenn man einmal von der gesetzlichen Vorgabe der Schaffung einer flächendeckenden Versorgung mit Kindergartenplätzen absieht und ein Kino und ein neues Freizeitbad nicht unbedingt nur als Jugendeinrichtungen betrachtet, soll nun auf einmal ein gutes halbes Jahr vor der anstehenden Kommunalwahl der große Wurf gelingen? Aber den städtischen Haushalt soll es bitteschön nicht belasten. Es sollte dann doch schon über Sponsoring geregelt werden, um der Sache einen karitativen Touch zu verleihen, städtischen Einfluß zu wahren und nicht zuletzt durch die Implantierung des Jugendhauses Kolberger Straße die in der Politik ach so geschätzten Synergieeffekte vorweisen zu können.
Dabei kämpfen in dieser Stadt unter anderem schon zwei Bauspielplätze um ihr Überleben, decken ihre Betriebskosten zu einem guten Teil über Spenden und Sachzuwendungen ab. Denen würde damit ein weiteres Stück Boden entzogen, denn auch die Zahl der Sponsoren und die Akquisition von Spenden unterliegt irgendwo einer natürlichen Begrenzung.
Zudem ist das Projekt IC 1 ein weiteres Indiz dafür, daß Leverkusen immer wieder dazu neigt, sich in direkter Konkurrenz zu den benachbarten Großstädten Köln und Düsseldorf zu sehen, wie der Verweis auf das Kölner E-Werk beweist. Gegen diese Oberzentren kommt Leverkusen nie und nimmer an, es sollte nicht den Versuch unternehmen, sich mit diesen messen zu wollen, sondern seine Chance in bestimmten Nischen suchen. So kann man sich zumindest gegenüber den Kommunen in den umliegenden Kreisen behaupten.


Überdimensioniert?

Mit fünftausend Quadratmetern erscheint das IC 1 von den räumlichen Verhältnissen zu reichlich dimensioniert, was realistischerweise mit einem Angebot, was sich nahezu ausschließlich an junges Publikum wendet, kaum auszufüllen ist. Weitere Nutzungen durch Vereine und weitere Bevölkerungskreise dürften die Umsetzung und schließlich den Betrieb einer solchen Spaß- und Freizeitfabrik überhaupt erst wirtschaftlich tragbar machen.
Ein Investor wäre die beste und schnellstmögliche Lösung und die ehrlichste dazu. Sollte sich ein Interessent finden, ist dies ein erster Anhaltspunkt dafür, daß sich solch ein Projekt auch rechnen kann. Wenn die Stadt dies durch entsprechende Maßnahmen flankieren und fördern kann, um so besser.
Und das Jugendhaus Kolberger Straße bleibt dort, wo es ist!