Leverkusen

Viel Hebbel, wenig Neues

Die CDU hat den Umbruch um fünf Jahre verschoben

Vor einiger Zeit fiel mir ein historisches Dokument in die Finger: Ein ziemlich aufwendiges CDU-Wahlkampffaltblatt von 1969, das bis auf Postergrößer aufklappbar war. Während auf der Frontseite die CDU-Politikziele plakativ formuliert wurden, fand man auf der Rückseite ein Riesenphoto von (Alt-)Leverkusen mit all seinen Baustellen und darunter die Kandidatenmannschaft der Union.
Interessant an dieser Truppe war ihr Durchschnittsalter. Es lag bei etwa 43 Jahren. Und neben den erfahrenen Spitzenleuten Heinrich Lützenkirchen (59, der älteste) und Elmar Widera (47) kandidierte auf Platz drei Norbert Schneider (26), der damalige Sprecher der Jungen Union.
Wie? Platz drei? Gut, 1969, das war Woodstock, flower power, der Beginn der sozialliberalen Koalition und allgemeine Aufbruchstimmung. Ein bißchen davon muß wohl auch die CDU befallen haben, so daß neben Schneider zwei weitere Twens (Lelickens und Klöckner) kandidierten.


Dürre Zeiten

Diese frivolen Zeiten sind vorbei. 1999 steht der erste Kandidat unter 40 auf Platz 15, der erste unter 30 auf Platz 24. Das Durchschnittsalter der Kandidatencrew ist um 8 Jahre auf 51 hochgeschnellt. In fünf Jahren werden nicht wenige Ratsherren Pensionäre sein.
Nun ist das mit dem Alter so eine Sache. Alle Parteien haben ohne Ausnahme dürre Jahre hinter sich, mit nur wenigen Eintritten und vielen "Abgängen" (Austritte, Tod etc.). Begabte potentielle Kommunalpolitiker sind heute dünner gesät als vor 30 Jahren. Das Engagement für das Gemeinwesen beschränkt sich immer stärker auf Einzelaktivitäten.
Insofern ist es erklärlich, warum die Union auf den ersten 14 Plätzen der Wahlliste praktisch keine Änderungen vornahm. Unter diesen ersten 14 sind fraglos fähige Köpfe, aber leider kein einziger unter 50. Man hätte vielleicht daran denken sollen, daß diesmal auch 16- und 17jährige wählen. Ob die sich von ihrer Großelterngeneration vertreten fühlen?


Prominente Opfer

Immerhin schaffte es der JU-Kandidat Christopher Krahforst (19), der in Opladen einen nur schwer knackbaren Wahlkreis hat, auf Platz 24, nachdem man ihn ursprünglich in den tiefsten Tiefen der Liste verstecken wollte.
Prominenteste Opfer bei der CDU-Kanndidatenaufstellung waren Irmgard Goldmann und Rüdiger Scholz. Irmgard Goldmann schaffte zwar Platz drei, erhielt aber bei dieser Einzelabstimmung nur 80 Ja- bei 52 Nein-Stimmen. Dies war wohl primär nicht der Unzufriedenheit mit ihrer Ratsarbeit zuzuschreiben, sondern ein klares Votum gegen ihre Kandidatur als Landtagskandidatin gegen Ursula Monheim.
Rüdiger Scholz (41) sollte zwar ursprünglich auf Platz 17 stehen, wurde aber ein Opfer sinnloser Kandidaturen und hemmungslosen Ortsproporzdenkens. Zum Schluß landete einer der fähigsten politischen Antreiber der CDU (auch wenn er nicht unbedingt dem Klischee des Ratsherrn entspricht) auf Platz 25.
Erfreulich, daß Ulrich Müller, der kantige CDA-Chef und frühere JU-Vorsitzende, einen sicheren Platz 18 gegen harte Konkurrenz erkämpfte. Hier wurde gute Arbeit anerkannt. JU-Vorstandsmitglied Simone Fings konnte hingegen ihre ursprünglich gute Plazierung nicht halten, was wohl auch damit zusammenhing, daß sie keinen eigenen Wahlkreis hat. Weitere relativ junge Kandidaten sind Thomas Eimermacher (35) auf Platz 15 und Matthias Seyfarth (33) auf Platz 22. Beide liefen auf den Tickets ihrer Ortsverbände.


Ortsproporz, Erfahrung und Geschlecht

Analysiert man das Ergebnis, sind drei Kriterien für die Aufstellung der Liste maßgeblich gewesen: Ortsproporz, Erfahrung und Geschlecht. Neue Wählergruppen wurden dabei vergessen: EU-Ausländer und die 16-17jährigen. Zwar hat sich die CDU in der Vergangenheit Mühe gegeben, mit den Ausländern in Leverkusen ins Gespräch zu kommen, doch gelang es nicht, auch Kandidaten zu rekrutieren.
Die Jungwähler sind der CDU keineswegs abgeneigt, was auch die hessischen Landtagswahlen zeigen (43% CDU). Will man die Teenager aber überzeugen, muß man nicht nur ihre Lehrer, sondern auch ihre Altersgenossen aufstellen.
Positiv ist zu werten, daß die Mannschaft der Union bei allen Schwächen immer noch besser dasteht als die Konkurrenz. Das gilt vor allem für die Spitze. Mit Paul Hebbel hat die CDU einen erstklassigen Oberbürgermeister-Kandidaten, der mehr als nur theoretische Chancen hat, das direkte Duell gegen Walter Mende zu gewinnen. Dann allerdings schlägt auch die Stunde der Fraktion, CDU-Politik durchzusetzen.