Editorial

Willkommen im Klub

Warum es die Grünen zur Zeit so schwer haben

Die Wahlschlappe in Hessen hat es offengelegt. Es kracht ganz gewaltig im grünen Gebälk. Fast ein Drittel der Wähler haben der Öko-Partei den Rücken gekehrt. Während die Bundesregierungspartei SPD sogar geringfügig zulegen konnte, erlebte der kleinere Koalitionspartner im grünen Ursprungsland einen herben Rückschlag.
Vorbei sind die Zeiten, als man sich bequem zurücklegen und auf die Bundespolitik schimpfen konnte. Vorbei sind die Zeiten wo man für jedes Problem die passende Lösung parat hatte, denn nun sind die Grünen selbst Bundesregierungspartei - und genau da liegt das Problem.
Zum ersten Mal mußten die Ökorebellen erfahren, was es heißt, für verfahrene Bundespolitik auf Landesebene abgestraft zu werden. Rot-Grün hatte auf Bundesebene zu viele Wähler verärgert, als daß man die 11% der letzten Hessenwahl halten oder gar ausbauen konnte. Hinzu kam die umstrittene Unterschriftenaktion der Union, die die Wahl noch einmal richtig spannend machte.

Doch wo liegen die Gründe wirklich?

Zum einen erleben Fischer, Trittin & Co. zum ersten Mal, was Bundespolitik wirklich bedeutet. Man kann nicht einfach "Friedens-", Umwelt- und Anti-Atompolitik mit der naiven Brechstange einführen, ohne damit massiv Arbeitsplätze zu gefährden oder dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik Schaden zuzufügen. Jeder diealistische Überzeugungswähler der Grünen mußte kopfschüttelnd feststellen, daß von den grünen Wahlversprechen rein gar nichts übrigblieb.
Die Ökosteuer ist ein Witz - sie ist alles, nur nicht ökologisch. Flugbenzin bleibt steuerfrei - Busse und Bahn werden teurer.
Auf dem Militär- und Verteidigungssektor mußten grüne Anhänger erleben, daß sich die Bundeswehr auch weiterhin bei (verteufelten) Friedensmissionen engagieren wird. Zum ersten Mal werden sogar schwere Kampfpanzerverbände zum Schutz von OSZE-Beobachtern auf den Balkan verlegt - alles von den grünen Bundesministern mitgetragen. Ein herber Schlag in das Gesicht unserer naiven "Friedensbewegung", die immer noch glaubt, daß Diplomatie ohne militärischen Druck, bei Diktatoren zu irgendeinem Erfolg führt.
Bundeswehr Seite an Seite mit der verhaßten US-amerikanischen "Imperialismusarmee" - legitimiert durch grüne Bundesminister - ein Alptraum. So kursieren seit einiger Zeit an der Kölner Uni Magazine mit Trittin und Fischer als (fotomontierte) mordende Bundeswehrsoldaten auf den Titelblättern

Vom Politschnösel zum Wählerschreck

So verlor man Wähler auf der "Fundi"-Seite. Vielen schicken "Edel-Grünen" muß nach der gewonnenen Bundestagswahl ebenfalls die Luft weggeblieben sein. Auf einmal waren kostspielige Ausstiegsszenarien und arrogante Bevormundung des Bürgers Realität. Jürgen Trittin, mit seiner beispiellosen Arroganz in Umweltdingen, mutierte vom Politischnösel zum wahren Wählerschreck und zum Sündenbock der Bundesregierung. So ließ sich sogar Bundeskanzler Schröder zu der Aussage hinreißen, daß es in Zukunft ein wenig mehr Fischer und weniger Trittin sein dürfe.
Kurz gesagt - durch arrogantes Auftreten und immer abstrusere Ökosteuervorschläge vergraulte man sich jede Menge Wähler auf der "Realo"-Seite. Am grünen Wesen wird die Welt genesen - wer das nicht unterstützt ist entweder ein ökologischer Schmutzfink oder ein "Faschist". Was immer das auch sein soll.
Dies sind meiner Meinung nach die Hauptgründe, warum die Grünen vom Wähler so abgestraft wurden. Die Unterschriftenkampagne der Union hat eher die CDU-Wähler motiviert, verstärkt die Wahllokale aufzusuchen, statt zu Hause zu bleiben.

Zu sehr auf Umwelt gesetzt

Der scheidende grüne Justizminister brachte es auf den Punkt: Man habe den Wählerwillen, z.B. beim Thema doppelte Staatsbürgerschaft, unterschätzt. Desweiteren hätten die Grünen immer noch das Problem, daß man sich fast ausschließlich mit der Umweltpolitik beschäftigt habe. Eine stärkere Verlagerung auf Wirtschaftspolitik wäre wünschenswert.
Bis es soweit ist, wird die grüne Bundestagsfraktion noch so manche Kröte zu schlucken haben und viele faule Kompromisse eingehen. Denn verstecken kann man sich nicht mehr.
Die Grünen tragen nun Regierungsverantwortung und werden von der politischen Realität der Welt eingeholt - und überrollt. Da kann man nur sagen: Willkommen im Klub der Realpolitiker.

MiWi