Politik

Deutschland einig Konsumentenland?

Eine kleine Warenkunde

In diesem Jahr können wir bereits den zehnten Jahrestag des Mauerfalls begehen, und im nächsten Jahr begrüßen wir nicht nur ein neues Jahrtausend, sondern können uns auch über zehn Jahre gelebte und erlebte Deutsche Einheit freuen.
Die Mauer ist demnach schon geraume Zeit Geschichte, während es jedoch noch manche Zeitgenossen gibt, die nur zu gerne den Begriff der Mauer in den Köpfen" bemühen und gar auffallend pflegen und beschwören.
Dabei merkt man bei längeren Aufenthalten in den fünf neuen Bundesländern , die so neu eben nun wieder auch nicht mehr sind, daß gerade unter den jüngeren Menschen die Teilung und die noch immer unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland in Gesprächen kaum noch eine Rolle spielen, jedenfalls nicht das bevorzugte Thema darstellen.
Bei älteren Leuten, die den überwiegenden Teil ihres Lebens, zumal ihre Berufsjahre in der vormaligen Deutschen Demokratischen Republik verbracht haben, mag dies sicherlich anders aussehen.
Was sich jedoch nach Öffnung der Grenzen in beiden Teilen Deutschlands zunächst am schnellsten einheitlich gestaltete, war das Konsumverhalten.
Schien der Nachholbedarf und die Befriedigung der Neugierde an den Produkten, die man bis dato vor allen Dingen aus den Werbeblöcke des Westfernsehens kannte, schier unersättlich. Dies stellte auch weiter kein Problem dar, war doch die westliche Konsumgüterindustrie aus dem Stand dazu in der Lage, nahezu bei allen Produkten die Nachfrage auf dem Gebiet der DDR abzudecken.
Mit den althergebrachten Dingen des täglichen Bedarfs wurde zunächst einmal gebrochen, was natürlich auch der noch in Kombinaten und volkseigenen Betrieben organisierten Industrie nicht förderlich war und einen Neubeginn zusätzlich erschwerte.
Wenig später ging es dann nämlich nicht nur darum, mit neuen und verbesserten Produkten in den alten Bundesländern Fuß zu fassen, sondern auch erst einmal in den neuen Ländern verlorene Marktanteile wieder zu erobern, wo viele Produkte über Jahrzehnte gar eine Monopolstellung einnahmen.
Mittlerweile hat in dieser Beziehung schon längst eine Rückbesinnung stattgefunden. Konsumgewohnheiten aus vergangenen Tagen leben wieder auf und man kann sich bei neuer Verpackung und verbesserter Qualität über Produkte freuen, die gerade unter ihrem alten Namen längst verloren geglaubten Boden wieder gut machen.
Bestes Beispiel dafür gibt wohl die mittlerweile auch in den alten Ländern verbreitete und bekannte Sektmarke Rotkäppchen aus Freyburg an der Unstrut ab.
Zu Erstaunen mancher feiert auch die ehemalige "Vita-Cola" fröhliche Urständ und hat sich auf dem Markt zurückgemeldet. Einstmals aus dem Hause eines volkseigenen Getränkekombinat stammend, kann man dieses Getränk aus dem Hause Thüringer Waldquell GmbH in Schmalkalden beziehen. Die "Vita-Cola" hat ihre Nische gefunden, geschmacklich dem Original aus DDR-Zeiten entsprechend, ist sie für den Unbedarften doch etwas gewöhnungsbedürftig. Mitunter fühlt man sich an den Geschmack von Hustensaft erinnert, jedoch enthält sie auch einen Zusatz von Vitamin C!

Vita-Cola ...

Unter der Bezeichnung "Rondo Melange" ist auch der einstmals berüchtigte Kaffee aus DDR-Zeiten wieder erhältlich, freilich von ganz neuer Qualität, aber in Anlehnung an das frühere Röstverfahren hergestellt. Entsprechend sparsamer ist dieser bei der Zubereitung zu dosieren, worauf auf der Verpackung hingewiesen wird. Die Rösterei in Magdeburg kann den Bedarf in den neuen Ländern kaum decken, während diese Marke in der alten Bundesrepublik nur in den seltensten Fällen erhältlich ist.
Neben einer Tasse "Rondo-Melange" gereicht einem jeden Frühstückstisch auch ein Brötchen nach althergebrachter Backweise zur Ehre. Zusätze wie Backtreibmittel, die dem Backwerk ein größeres Volumen und ein scheinbar knusprigeres Aussehen verleihen, waren in der DDR unbekannt. Deren Verwendung kann sich bis heute erfreulicherweise in den östlichen Bundesländern nicht durchsetzen. So sind die dort angebotenen Brötchen kleiner und nicht ganz so ansehnlich wie das Produkt aus westdeutschen Backstuben. Geschmacklich ist es aber ungleich besser, und ein am Morgen gebackenes Brötchen kann auch noch am Abend mit Genuß verspeist werden. Hiesige Brötchen sind bereits nach nur wenigen Stunden trocken und kaum noch zum Verzehr geeignet.
Für die Wurst zum Brötchen hingegen empfehlen sich die traditionellen Halberstädter Würstchen, deren Hersteller für sich in Anspruch nimmt, als erster die Wurst in Dosen angeboten zu haben, freilich schon zu einer Zeit, an der noch niemand an die spätere DDR dachte. Halberstädter Wurstkonserven sind mittlerweile selbst im westdeutschen Lebensmittelhandel zu finden.

... und Bautzener Senf

Zum Würzen derselben nehme man tunlichst Bautzener Senf, für den die schöne mittelalterliche Stadt Bautzen berühmt ist. Mit Bautzen verbindet sich schließlich nicht nur die einstmals berüchtigte Haftanstalt für politische Gefangene.
Als Beilage bieten sich außerdem Produkte der Mecklenburger Kartoffelveredelung aus Hagenow an, die unter der Marke "Kartoffelland" den Weg in die Regale der Lebensmittelmärkte der alten und neuen Bundesländer gefunden haben.
Was allerdings derartige industriell gefertigte Lebensmittelzubereitungen wie Instantflocken für Kartoffelpüree und andere Fertiggerichte anbelangt, beherrschen doch weitestgehend westdeutsche Hersteller das Angebot in den Supermärkten zwischen Ostsee und Erzgebirge. Einheimische Obst- und Gemüsekonserven hingegen sind recht gut vertreten, werden aber auch von Produkten westdeutschen Ursprungs ergänzt.

Wohltuende Qualität

Das Angebot an Frischgemüse und -obst hebt sich wohltuend von den hier gewohnten Qualitäten ab, die man aus niederländischen Treibhäusern gewohnt ist. Der Spreewald ist inbsbesondere für seine Gurken und frisches Sauerkraut bekannt.
Die vielfältigen Wurstwaren sind etwas fetter, und auch die süßen Backwaren sind gemeinhin etwas mächtiger, wobei gerade Sachsen dafür berühmt ist, und das nicht nur wegen der Dresdner Christstollen, deren Namen mittlerweile geschützt ist. Nur der Stollen aus Sachsens Hauptstadt darf sich "Dresdner" nennen.
Nach der Wende wurde die ehemalige DDR von den großen überregionalen westdeutschen Biermarken regelrecht überschwemmt, so daß man mitunter Probleme hatte, überhaupt einheimisches Bier angeboten zu bekommen. Etliche Brauereien hatten in der neuen Marktwirtschaft ohnehin keinen Bestand, manche verloren ihre Selbständigkeit und wurden aufgekauft.
Wie es zum Beispiel auch der Köstritzer Schwarzbierbrauerei in Thüringen erging, die von der Bitburger Brauerei aus der Eifel übernommen wurde.
Schwarzbier war bis dato in der alten Bundesrepublik dem Verbraucher nahezu unbekannt. Selbst in die DDR reisende Bundesbürger kannten diese Biersorte oftmals nur vom Hörensagen, da es als sogenannte Bückware weitestgehend unter den Ladentischen gehandelt wurde. Mittlerweile konkurrieren westdeutsche Brauereien gegen die östlichen Anbieter. So etwa die Bochumer Brauerei Fiege, die bereits seit geraumer Zeit ein eigenes Schwarzbier herstellt und vertreibt.
Jedoch haben sich regionale Biermarken zwischenzeitlich schon längst wieder in den neuen Ländern etabliert, und überregionale Marken aus Ostdeutschland wie etwa Hasseröder oder Radeberger erobern mit breit angelegten Werbekampagnen den Westen. So wird Radeberger Pilsener regelmäßig in den Flugzeugen der Lufthansa serviert und ist auch in den von der Mitropa bewirtschafteten Zügen der Deutschen Bahn AG zu haben.

Tabak-Mauer

Was jedoch die Gewohnheiten der Raucher anbelangt, so haben sich die Zigarettenmarken wie ,,f6" oder "Kabinett" behauptet. Zwar sind alle gängigen Zigarettenmarken auch in den neuen Ländern erhältlich, die alten DDR-Marken jedoch sind in den alten Ländern nicht zu haben. Insofern handelt es sich hierbei schon um ein bemerkenswertes Phänomen.
Dafür findet man in rheinischen Filialen des Lebensmitteldiscounters Aldi Kondensmilch, die bei den Milchwerken Spree-Oder in Beeskow hergestellt und abgefüllt wird.
Einheit läßt sich nur in der Vielfalt verwirklichen, und wenn sich die Einheit noch in manch einen Kopf nicht endgültig durchgesetzt hat, darf sie dann eben auch schon einmal mittels regionaler und lokaler Spezialitäten durch den Magen gehen. Von daher: Beim nächsten Einkauf vielleicht das Augenmerk einmal mehr auf Produkte aus den neuen Bundesländern richten!