Satire

Wir wollen rein!

Sonntag, früher Morgen, 11 Uhr. Der Bundeskanzler steht im Badezimmer und coloriert sich die Haare nach.

Schröder (ruft): Doris, siehst du noch was Graues?

Doris Schröder-Köpf: Ja. Du siehst wieder einmal so disting-, distanz-, äh - vornehm aus. Wie ein echter Bundeskanzler.

Schröder (tätschelt ihr liebevoll den Hintern): Ich bin Bundeskanzler. Und jetzt mache ich mit den Kopfhaaren weiter.

Eine halbe Stunde später. Der gesamte Bundeskanzler ist eingefärbt.

Doris (blättert im täglichen Sicherheitsbericht): Guck mal, Gerhard, heute nacht hat der Bundesgrenzschutz schon wieder einige Randalierer festgesetzt. Was wollen die hier alle?

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Haupteinfahrt Bundeskanzleramt. Ein weiterer Bus fährt vor. Hauptkommissar Schmid des Bundesgrenzschutzes eilt atemlos zu seinem Vorgesetzten.

HK Schmid: Hey Karl, langsam muß hier was geschehen! Da kommt schon wieder ein Bus. Diesmal sind's Bayern!

Karl: Verdammt, die auch noch. Die hat bestimmt der Stoiber geschickt.

HK Schmid: Nein, denn der will's ja auch noch tun.

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ARD-Studio Bonn (gegenüber des Kanzleramtes). Der diensthabende Redakteur wird vom Studioleiter zusammengestaucht.

ARD-Redakteur: Warum soll ich ein Kamerateam herausschicken - schließlich geht das schon die ganze Zeit so - fast jeder tut es - - - Na schön, es ist ein soziales Phänomen, und ich werde darüber berichten. Übrigens: Ich habe es heute noch nicht getan!!! (Organisiert ein Kamerateam und begibt sich vors Kanzleramt)

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Washington, D.C. Praktikantin weckt US-Präsidenten.

Praktikantin: Mr. President, wachen Sie auf! Die Deutschen tun es jetzt auch, und zwar alle!

President (halb verschlafen): Nein, jetzt nicht, Baby. Sollen die Deutschen es doch machen. Gerhard hat es ihnen doch vorgemacht. Ergibt sich irgendeine Gefahr für uns oder unsere Sicherheitsinteressen?

Praktikantin: Die CIA sagt, noch nicht. Wir sollen uns aber in dieser Frage in der nächsten Zeit zurückhalten. Es könnte sonst zu inneren Schwierigkeiten führen.

President: Dann laß mich weiterschlafen, Baby.

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Moskau, Hauptstadt der Gemeinschaft Unzufriedener Staaten (GUS). KGB-Beamter und Jelzins Krankenpfleger im Streit.

KGB-Beamter: Wir müssen es ihm sagen.

Krankenpfleger: Dafür können wir ihn nicht aus seinem Schnupfenkoma holen.

KGB-Beamter: Aber es könnte auch unsere politischen Interessen betreffen.

Krankenpfleger: Doch nicht mehr in dem Alter! Die Deutschen waren schon immer ein verrücktes Volk.

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Jerusalem. Außenminister Ariel Sharon stürmt erregt das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Sharon: Jetzt haben wir den Salat! In Deutschland gibt es wieder eine Volksbewegung!

Netanjahu (geschockt): Was weiß der Mossad?

Sharon: Noch nicht viel. Sie haben sich unters Volk gemischt und nehmen an der Bewegung teil. (irritiert) Es scheint ihnen zu gefallen.

Netanjahu (verwundert): Was ist das für eine Bewegung?

Sharon: Bisher wissen wir nur, daß sie rhythmisch ist.

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Zurück vor dem Kanzleramt in Bonn. Der ARD-Redakteur wird gerade von einem Schwall von Pilgern aus Sachsen überflutet.

ARD-Redakteur: Was hat sie bewogen, es heute auch zu tun? (hält das Mikrofon einer älteren Dame vor die Nase)

Dame: Junger Mann, wir haben es auch früher schon gemacht. Sie sollten nicht glauben, daß wir im Osten es nicht auch schon vor dem 9. November gemacht haben. Aber hier macht das ganze viel mehr Spaß, bei diesem Bundeskanzler ...

ARD-Redakteur (zu einem anderen gerade vorbeihastenden Mann): Warum gerade hier und heute?

Mann: Ich komm' aus Hanau. Wir haben im Zuge einer Werbeverkaufsfahrt bei Limburg unsere Heizdecke gekauft und sind jetzt hier in Bonn, um es auch endlich zu tun. Gerade in unserem Alter ist es wichtig, nicht damit aufzuhören. Wer rastet, der rostet. (winkt in die Kamera) Huhu Gerhard, ich bin bereit!

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Kanzleramt. Minister Bodo Hombach stürzt mit einem Aktenordner in das Kanzlerbüro.

Hombach: Gerhard, es ist verheerend. Die Umfrageergebnisse haben neue Tiefstwerte erreicht. Das Volk steht auf. Hast du schon mal aus dem Fenster geguckt, was vor dem Kanzleramt los ist? Selbst auf den Bundesgrenzschutz ist kein Verlaß mehr. Stellenweise tun sie es auch schon.

Schröder (ahnungslos): Vielleicht wäre es eine gute Taktik, es auch zu tun? Man könnte es den Medien stecken ...

Hombach: Gerhard, du hast es schon getan. Es hat sogar zum Erfolg geführt.

Schröder: Aber warum machen sie es denn mir nach?

Hombach (deutet auf die Umfrageergebnisse): Weil sie alle meinen, daß sie es besser können als du!

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HK Schmid (funkt zur Leitstelle): Ich brauche neue Anweisungen! Meine eigenen Leute tun es schon, in Uniform und in aller Öffentlichkeit! Karl, um Gottes willen, wenn das rauskommt!

Karl (gelassen): Vielleicht hilft es doch. Auf jeden Fall aber haben sie Spaß dabei.

Wagenkolonne. Rhythmisches Gelärme im Hintergrund. Schwarze Nobellimousinen fahren vor dem Kanzleramt vor. Mehrere goldkettchenbehängte, sonnengebräunte Bodyguards springen aus den Wagen und drängeln eine Gasse nach vorne. Finanzminister Lafontaine und Christa Müller entsteigen dem Wagen.

Mehrere Bürger (empört): Warum wollen die's denn auch noch tun? Schließlich haben die es schon einmal vor acht Jahren probiert, und das ist voll in die Hose gegangen.

Oskar und Christa eilen Richtung Kanzleramt, als ein markerschütterndes Krachen die "Wir wollen rein"-Rufe schlagartig zum Schweigen bringt.

HK Schmid (erleichtert): Jetzt ist der verdammte Kanzleramtszaun endlich kaputt!

*** Epilog ***

Gerüchteweise beschloß Gerhard Schröder, noch am selben Tag um das neue Berliner Bundeskanzleramt eine solide Mauer errichten zu lassen. Historische Animositäten wurden beiseite gewischt. Man hat dort mit Mauern auch viel mehr Erfahrung.

G.D. / K.R. / MiWi