Satire

An der Steuerfront

Bonn, Kanzleramt. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Finanzminister Lafontaine, Kanzleramtsminister Bodo Hombach, Außenminister Joschka Fischer, Umweltminister Jürgen Trittin, Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, Innenminister Otto Schily, Kultur-Staatsminister Michael Naumann und Verteidigungsminister Rudolf Scharping haben ein Problem: Das liebe Geld. Welches auch sonst.

Trittin (mit den Füßen auf dem Kabinettstisch, greift nach den bereitstehenden Plätzchen): Hhmmm, lecker! Wo sind die her?

Schröder: Die hat uns Hannelore eben vorbeigebracht, als Zeichen der guten Nachbarschaft von Kanzlerbungalow und Kanzleramt.

Trittin (spuckt und würgt)

Schröder (klingelt): Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen! Der Grund unseres heutigen Daseins -

Lafontaine (unterbricht ungeduldig): Wir brauchen mehr Geld zur Optimierung der zukünftigen Wählerzustimmung.

Schröder (leicht verärgert): Danke, Oskar. Das hätte ich schon selber geschafft. Als Kanzler möchte ich an dieser Stelle anmerken, daß ... (verstummt und verzieht schmerzverzerrt das Gesicht, während Lafontaine unter dem Tisch zufrieden eine Nadel aus einer Schröder täuschend ähnlich sehenden Voodoo-Puppe zieht)

Lafontaine: Nur weil du früher mal am Zaun des Kanzleramtes gerüttelt und das medienwirksam der Presse gesteckt hast, glaubst du doch wohl nicht im Ernst, hier den Kanzler markieren zu dürfen. Als erstes schlage ich eine Kollektensteuer vor: 10% auf alles, was die Pfaffen da jeden Sonntag einsammeln! (läßt Schröder nicken)

Hombach (vorsichtig): Könnte das nicht leichten Aufruhr bei der Kirche verursachen?

Schily: Ach was, den Ärger hatten wir doch schon nach der Vereidigung!

Trittin: Das bringt zu wenig. Die Gemeinden werden immer kleiner und die Portemonnaies immer leerer. Was wir brauchen, ist eine Steuer mit Zukunft.

Scharping (bissig): Warum nicht eine Fernsehsteuer? Die hat Massenwirkung!

Naumann (naiv): Au ja! Aber vergessen wir nicht, daß Fernsehen auch schon längst ein Stück Kultur geworden ist ...

Wieczorek-Zeul: Das können wir nicht machen. Gerade die klassische SPD-Klientel sieht fern.

Lafontaine: Kein Problem. Gegen eine angemessene Gebühr kann sich die Arbeiterklasse von der Steuer befreien lassen (läßt Schröder unter dem Tisch nicken). Weiterhin möchte ich ... (wird vom zirpenden Handy unterbrochen) Ja, Christa ... ja, du störst nicht ... ja selbstverständlich darfst du ... eine Fernsehsteuer ... ja ... ja, Gerhard ist kooperativ ... (läßt Schröder nicken) ... aber wir brauchen noch mehr Geld ... was hattest du heute morgen noch vorgeschlagen? S-Klasse-Steuer? Geiler Gedanke - da wird Gerhard als Audi-Fahrer dafür sein. (legt das Handy auf den Tisch)

Hombach (verzweifelt): Und die Arbeitsplätze in Deutschland?

Trittin (wiegelt ab): Die großen Bonzenschleudern verbrauchen viel zu viel Sprit, und unsere Dienstfahrzeuge sind sowieso steuerfrei. Ich habe noch eine weitaus bessere Idee. Wie wär's mit einer Hochwassersteuer für all die, die so dösig waren, so nah an den Flüssen zu bauen und jetzt die Hilfe von THW, Polizei, Feuerwehr und Scharpings Mördertruppe in Anspruch nehmen?

Scharping (beginnt sich laaangsam zu empören): Diesen Ausdruck -

Lafontaine (anerkennend): In Ordnung. Das könnte man auch als weiteren Aspekt der ökologischen Steuerreform verkaufen, und außerdem wohnen 95% aller Wähler eben nicht an Flüssen.

Schröder (vorsichtig): Aus meinem persönlichen Erfahrungsschatz würde ich eine Ehesteuer vorschlagen. (Allgemeine Überraschung) Durch Eheschließung wechseln die Partner in Steuerklasse drei, dadurch hat der Staat natürlich entsprechend weniger Einnahmen. Hier müssen wir abkassieren. (Lafontaine beginnt hektisch mit Christa Müller zu telefonieren)

Wieczorek-Zeul: Und wenn sie sich scheiden lassen, zum Beispiel so oft wie du ...

Schröder: ... oder wie Lafontaine, dann gibt's eine Steuerermäßigung.

Schily: Und in deiner vierten Ehe kassierst du Subventionen!

Schröder: Na klar. Schließlich habe ich immer wieder auf das Ehegattensteuerprivileg verzichtet.

Scharping (hebt an zu sprechen): Übrigens, dann kann deine vierte Frau ja auch nicht First Lady sein, sondern allerhöchstens Fourth Lady. (Bricht in schepperndes Gelächter aus, in das keiner einstimmt)

Fischer: Aus internationaler Sicht möchte ich festhalten, daß die Bundesrepublik Deutschland und all ihre angeschlossenen Länder -

Lafontaine: Christa hat auch nichts dagegen. Aber das reicht immer noch nicht, um die durch unsere Neidkampagne geschürten Erwartungen zu decken. Ich habe hier noch ein paar kleinere, mit Christa abgestimmte Ideen. Erstens: Die Dummschwätzersteuer. (Betretenes Schweigen im Kabinett)

Schröder: Was werden die Genossinnen und Genossen aus unserer Fraktion sagen? Ich bin dag- (Lafontaine schiebt eilig die nächste Nadel in die Puppe) -dafür.

Lafontaine: Dank der Richtlinienkompetenz unseres Bundeskanzlers ist dieser Vorschlag angenommen.

Hombach (verärgert): Werden wir auch noch mal gefragt? Und was fummelst du die ganze Zeit unter dem Tisch herum? Laß' doch mal sehen!

Fischer (diplomatisch): Oskar, dabei haben wir noch nicht einmal ernsthaft über eine Viagra-Steuer diskutiert.

Lafontaine (läßt vor Schreck die Voodoo-Puppe fallen, Schröder fällt wie ein Stein zu Boden)

Hombach (lugt wie der Rest des Kabinetts unter den Tisch): Was ist denn das für ein zerstochener Weckmann mit häßlicher Fratze?

Schröder: Helft mir doch! Ich bin der Kanz-

Lafontaine (hat Nadel und Puppe gefunden)

Schröder (rappelt sich auf): Weiter so, Oskar.

Die folgende Genehmigung der Waisenhaus-, Kaminholz-, Rollstuhl-, Doppelnamen- (eine Gegenstimme), Flugreisen-, Golf-, Polo- und Cricketsteuer ist reine Formsache, kann die Koalition aber immer noch nicht zufriedenstellen.

Hombach: Bei all dem besteht die Gefahr, daß gerade die Besserverdienenden Steuerschlupflöcher finden und auch noch schamlos ausnutzen.

Scharping: Apropos: Kennt ihr schon diesen geilen Abschreibungsfonds "Tornado 2020" ...

Lafontaine: Da sehe ich nur einen Weg: Die allgemeine Gerechtigkeitssteuer, die jeder zahlen muß, der nach meinen ideologischen Ansichten dazu verpflichtet ist.

Schily: Aber das ist doch unausgegoren und teuer -

Lafontaine: Gebt mir vier Jahre Zeit, und ich werde aus den deutschen Steuerzahlern das letzte herauspressen! Zeit brauche ich und keine Opposition, die meine geniale Politik verwässert.

Trittin (gelangweilt): Faschist.

Hombach: Und was ist mit den ganzen Leuten, die immer noch durch das Netz deiner Steuern schlüpfen?

Lafontaine: Für die gibt's die sogenannte Ausgleichssteuer.

Hombach: Das wird aber die Steuerflucht drastisch verschärfen.

Lafontaine (triumphierend): Und dann haben wir sie! Die Steuerfluchtsteuer schlägt dann gnadenlos zu!

G.D. / K.R. / MiWi